Hagestolz

1. Ein Hagestolz sitzt frei, bis er sich verändert. Graf, 43, 162.

Die Ehelosigkeit wurde im Mittelalter als Ketzerei betrachtet. Ein Vorwurf erwuchs dem Manne aber erst dann daraus, wenn er in die höhern Jahre gekommen war. Um im gesetzlichen Sinn ein Hagestolz zu sein, musste er ein Alter von funfzig Jahren, drei Monaten und drei Tagen erreicht haben. (Vgl. Grimm, Wb., III, 231 u. 249.) Heirathete er, so wurde er freies Mitglied der Gemeinde, wenn nicht, Eigenmann; denn vorher hatte er frei gesessen. »Fry sitzen« heisst fremd, ausser Gemeindeverband leben. (Vgl. Grimm, Weisth. I, 409.)


2. Es ist ein Hagestolz1, zanksüchtig und behält keinen Freund.Burckhardt, 431.

1) Entstellt aus mittelhochdeutsch: hagestalt, althochdeutsch: haga- oder hakastalt, d.i. einer der Junggesell verblieben, ein Diener, ein im Lohndienst Stehender. Ursprünglich als Diener und zwar unverheirathet und kinderlos auf einer Umfriedigung (Hag) sesshaft. (Vgl. Weigand, Wb., I, 470. Andere Ableitungen auch Wurzbach II, 156.) – Ein Mensch von einem abstossenden Charakter.


[Zusätze und Ergänzungen]

*3. Heute haben die Hagestolzen wieder viel Arbeit.

Wie der Volkswitz die alten Jungfern aufs Moos (s.d.) bringt, so belegt er auch die Hagestolzen mit entsprechenden Strafen. Die alten Junggesellen Tirols müssen auf dem Rosskopf, einem Berge, der sich unmittelbar über dem sterzinger Moos (s.d.) erhebt, angesichts der alten Jungfern, die dort im Sumpfe hausen, in kalter windiger Höhe jahraus jahrein die Wolken schieben. Wenn sich nun am Rosskopf, wie es gar oft geschieht, Wolken und Nebel ansammeln, so hört man von Vorübergehenden die obige Redensart.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870.
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