Hagestolz

[619] Hagestolz (eigentlich »Hagbesitzer« im Gegensatz zu Hofbesitzer, a. d. altsächs. hag, umfriedigtes Grundstück, und staldan, besitzen), ursprünglich ein jüngerer Sohn, der als Kleinhäusler bei dem erstgebornen Bruder, dem das väterliche Grundstück zufiel, wohnte und wegen unausreichenden Einkommens keine Familie erhalten konnte. Man legte den Namen später den Unverheirateten überhaupt, namentlich alten, ehescheuen Junggesellen bei. Schon bei Hrabanus Maurus findet sich das lateinische caelebs (»ehelos«) durch hagustalt übersetzt; später kommen in verschiedenen Dialekten die Ausdrücke: Hagestalt, Hagestolt, Hagestelz etc. vor. Brunner in seiner »Deutschen Rechtsgeschichte« weist darauf hin, daß die altsächsischen Gefolgsleute, solange sie am Hof des Herrn weilten, unverheiratet bleiben mußten; diese Gefolgsleute aber hießen Hagnstalden. Aus Gründen der Politik und Moral hat man die Hagestolzen früher zuweilen für nicht vollberechtigte Staatsbürger erklären wollen. Schon den Juden wurde die Eingehung einer Ehe zur [619] Pflicht gemacht, und in mehreren griechischen Staaten, namentlich in Sparta, galten nach Lykurgs Gesetzen die ohne physische Notwendigkeit im ehelosen Stand Beharrenden als von der vollen staatsbürgerlichen Ehre ausgeschlossen. Auch römische Gesetze bevorzugten die Verehelichten, namentlich hinsichtlich der Erbfähigkeit. Ganz unabhängig vom römischen Rechte bestand ein Hagestolzenrecht (jus hagestolziatūs) in einigen Distrikten Braunschweigs, Hannovers und der Pfalz, das dem Landes- und Gutsherrn einen gewissen Anspruch auf den Nachlaß der Hagestolzen gab. Die Volksdichtung ist unermüdlich, ihnen und den alten Jungfern ihre Mißbilligung auszusprechen, und läßt sie im Jenseits die verschiedenartigsten unnützen oder erniedrigenden Arbeiten verrichten. Vgl. Haberland, Altjungfern- (und Hagestolzen-) Schicksal nach dem TodeGlobus«, 1878, Nr. 13); Schrader, Die Schwiegermutter und der H. (Braunschw. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 619-620.
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