Oswald

1. Oswald (5. Aug.) geit de Hirs up den Brunnen; wenn he nat drup geit, so geit he dröge wêer runder, wenn he âwer dröge drup geit, so geit he nat wêer runder. (S. Hirsch 24.) – Schambach, II, 666.

Schambach bemerkt: »Die Wortform brunne = Brunft, Brunst, ist mir bisjetzt nur in diesem Sprichwort vorgekommen und beruht vielleicht auf einer Verwechselung mit dem hochdeutschen brunne = Born.« Das Sprichwort gilt als Wetterregel. Die Brunstzeit des Hirsches beginnt den 1. Sept. und dauert etwa 4-6 Wochen. Regnet es beim Beginn der Brunstzeit, so soll es nach dem Spruche, so lange regnen als diese dauert, und umgekehrt.


2. Wenn 't up Oswald rägent, sau gift et düere Tîd, un wenn vor jedem Hûse en Foîr Kôren steit. (S. Sanct Mähr, Nikolaus und Wodan im Nachtr.) – Schambach, II, 672.

Oswald gilt im deutschen Volksglauben als Schützer der Felder und steht als solcher der unholden Spukgestalt des Bilwitz (s. Nachtr.) entgegen. Unter beiden verbergen sich entthronte Gottheiten des deutschen Heidenthums, deren Zorn man durch Opfer abzuwenden, oder deren Segen man dadurch zu gewinnen hoffte. Die Opfer, durch welche man das segnende Wohlwollen Oswald's zu gewinnen meinte, haben sich noch in einigen Gegenden Deutschlands in Erntegebräuchen erhalten. So liess man im Harz einen Getreidebüschel für die Rosse Odin's stehen, desgleichen in Niederbaiern, wo man diese Odinswala, später in Oswald verwandelt, mit Feldblumen schmückt. Im Odenwalde (Odinswald) hiess das auf dem Acker zurückbleibende Bündel der »Bock«, eine Benennung, die auf den Bock des Donnergottes deutet. In einigen Gegenden sprang man über diese mit bunten Bändern wie eine Puppe geschmückte Garbe, der auch wol das Vesperbrot der zuletzt fertig gewordenen Schnitterin als ein ferneres Opfer eingebunden ward. An einigen Orten musste das Büschel, auch Nothhalm genannt, mit der linken Hand geknüpft werden. Kornblumen, Mohn und wilde Kamillen dienten dem Busch als Schmuck, und die Schnitter stellten sich um ihn beim Dankgebet, dass sie sich während der Ernte nicht geschnitten: »Heiliger Oswald, wir danken dir, dass wir uns nicht geschnitten haben!« Es hat sich darin die altgermanische Sitte erhalten, die bei der Ernte ein Büschel Getreide für Odin stehen liess, gleichsam als Dankopfer, eine Sitte, die sich eben auch in dieser oder jener Form nach Einführung des Christenthums erhalten hat. Die Bauern in Mecklenburg nannten das stehenbleibende Halmenbüschel »Vergôden deelstruss«, d.i. Fro's guten Antheils Strauss; sie nahmen vor diesem Strausse die Hüte ab, und riefen bittend: Wode, hale dinem Rosse nu Voder (Wodan, hole deinem Pferde nun Futter). Im Loberthal brachte man kleine Opfer dar, indem man auf Roggenäcker ein Stück Roggenbrot und auf Weizenäcker einen Weizenkuchen unter den Oswald legte. Vgl. über diese sehr mannichfachen Sitten und Bräuche den Artikel: Deutsche Erntefestgebräuche, in der Illustrirten Zeitung, Leipzig 1867, Nr. 1260, S. 127. Entsprechend dem Himmelsherrn Wodan gilt in Süddeutschland der heilige Oswald als der mächtigste Weltherrscher, der im Zorn alles Getreide zu Boden schlagen könne, von dessen Güte also das Gedeihen der Ernte abhängig sei. Ueber Donar und Wodan als die Götter der Germanen vgl. Im neuen Reich, Leipzig 1872, Nr. 8.


3. Wenn's an Oswald regnet, wird's Getreide theuer, und wenn alle Berge Mehl wären. (Frankenwald.)


4. Zu Oswald wachsen die Rüben bald. (Oels.) – Boebel, 41.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 1162.
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