Ēlend (3), das

[1790] 3. Das Ēlend, des -es, plur. inus. 1. Überhaupt, ein jeder hoher Grad der physischen so wohl als sittlichen Unvollkommenheit eines Dinges. In der Welt ist nichts wie Jammer und Elend. Er klagte mir sein Elend, den hohen Grad seiner Noth, von was für Art solche auch seyn mag. 2. Besonders. 1) Gebrechlichkeit des Leibes, schwere Krankheit. Er hat vieles Elend ausgestanden. 2) Hoher Grad der Armuth und Dürftigkeit. In großes Elend gerathen. In seinem Elende vergehen. Vor Elend verschmachten. Sich in das äußerste Elend stürzen. Jemanden aus dem Elende helfen. Da ist nichts wie Noth und Elend. 3) Bedrückung, Drangsale. Ich habe gesehen, das Elend meines Volkes in Egypten, 2 Mos. 3, 7. Siehe an mein Elend unter den Feinden, Ps. 9, 14. 4) Hoher Grad der Betrübniß, des Kummers, und anhaltender Schmerzen. Vieles Elend ausstehen. In seinem Elende vergehen. Es ist ein Elend anzusehen. Er jammert, daß es ein Elend ist, im gemeinen Leben. 5) Im gemeinen Leben, oft vermittelst einer Vergrößerung von einer jeden, auch noch so geringen unangenehmen Empfindung. Es ist ein wahres Elend mit den Dienstbothen. Es ist ein rechtes Elend, wenn mir Ein Mahl etwas fehlet, so sind mir nachdem auch die gesündesten Dinge schädlich, Gell. 6) Hoher Grad des sittlichen Verderbens, besonders im theologischen Verstande. 7) Der ganze Inbegriff der natürlichen und nothwendigen Übel, das menschliche Leben selbst, gleichfalls nur in der Kanzelberedsamkeit. Aus diesem Elende scheiden, sterben. Gott hat ihn aus diesem Elende zu sich genommen.

Anm. In Strykers altem Gedichte kommt Ellend zuerst für miseria vor, womit auch das Schwed. Elande, und das Isländ. Illendu, Illende, miseria, überein kommt. Gemeiniglich hält man diese Bedeutung für eine Figur des vorigen Wortes; allein, ob sich gleich diese Meinung zur Noth rechtfertigen ließe, so ist doch wahrscheinlicher, daß Elend in dieser Bedeutung, wenigstens seiner Form nach, ein eigenes und besonderes Wort ist. Ihre leitet es von dem alten ill, böse, schlecht, her, aus welchem vermittelst des Ableitungslautes d oder end, das Abstractum Elend geworden; so wie auf ähnliche Art aus jung, das Hauptwort Jugend, und von taugen, Tugend geworden ist. Indessen stehet es noch dahin, ob dieses ill nicht auch zu dem oben gedachten alten Worte el, alins, fremd, gehöret, so daß Elend eigentlich alles bedeuten würde, was einem Dinge fremd ist, oder zu dessen Vollkommenheit nicht gehöret. S. das folgende. Einige Mundarten sprechen das erste e in diesem Worte hoch, wie das erste e in gehen, die meisten aber tief, wie ein ä aus. In allen drey Substantiven, so wie in dem folgenden Adjective hat die erste Sylbe den gedehnten Hauptton, die zweyte aber einen sehr bestimmten[1790] halben Ton, daher man, z.B. Elend nicht mit fehlend reimen kann, weil hier die letzte Sylbe tonlos ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1790-1791.
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