Geschmack, der

[612] Der Geschmack, des -es, plur. inus. von dem Zeitworte schmecken. 1. Objective, die Eigenschaft der Körper, vermittelst deren sie durch die Auflösung ihrer Theilchen eine gewisse Empfindung auf der Zunge verursachen. 1) Eigentlich. Das Manna hatte einen Geschmack wie ein Öhlkuchen, 4 Mos. 11, 8. Diese Speise hat einen guten, einen angenehmen, einen bittern, einen widrigen Geschmack; sie ist bitter, süß, sauer, angenehm, widrig u.s.f. von Geschmack. Er aß und fand die Frucht vortrefflich von Geschmack, Gell. Den Geschmack verlieren, unschmackhaft werden. Im Oberdeutschen, wo schmecken auch riechen bedeutet, wird Geschmack auch häufig[612] für Geruch gebraucht. Ein schelmen gschmack, ein Aasgestank, H. Sachs.


Die Kleider haben den Geschmack

Den Libanus nicht geben mag,

Opitz.


2) Figürlich. Die Eigenschaft einer Sache, nach welcher sie angenehme oder unangenehme Empfindungen in uns erwecket. Ein Gemählde von gutem, von schlechtem Geschmacke. In engerer Bedeutung pflegt man den guten Geschmack an den Dingen nur schlechthin den Geschmack zu nennen, und alsdann bestehet er vornehmlich in der Übereinstimmung der Theile mit ihrem Ganzen. So sagt man von einem Gedichte, von einem Gemählde u.s.f. daß in demselben Geschmacke sey, daß es Geschmack habe. Alles was er macht, hat keinen Geschmack. Einer Sache keinen Geschmack abgewinnen können, nichts Gutes und Schönes an ihr entdecken können.

2. Subjective, die Empfindung, welche die aufgelöseten Theile der Körper auf der Zunge verursachen, und das Vermögen, diese Veränderung zu empfinden. 1) Eigentlich, wo der Geschmack einer der fünf Sinne ist, dessen Werkzeuge die auf der Zunge vertheilten Nervenwärzchen sind. Keinen Geschmack haben. Den Geschmack verlieren. In engerer Bedeutung auch die Fertigkeit, das Angenehme und Unangenehme in den Speisen leicht und zuverlässig zu unterscheiden. Einen guten, feinen Geschmack haben. Ein Koch von einem schlechten Geschmacke. 2) Figürlich. (a) Die Empfindung des Guten und Schönen an einer Sache. Seinem Geschmacke folgen. Bey einer guten Erziehung muß vornehmlich darauf gesehen werden, daß junge Leute mit Geschmack und Empfindung lesen lernen, Gell. Im engern Verstande auch zuweilen die durch diese Empfindung gewirkte Neigung. Geschmack an etwas finden. Das ist nicht nach meinem Geschmacke, gefällt mir nicht. Einem Geschmack an etwas machen, beybringen. (b) Das Vermögen, und in engerer Bedeutung die Fertigkeit, das Gute und Schöne oder Häßliche an einer Sache leicht zu entdecken und zu empfinden. Einen guten, einen feinen, einen schlechten Geschmack in der Musik, in der Dichtkunst, in der Mahlerey haben. Einen richtigen, einen verderbten Geschmack haben. Der Geschmack ist es, welcher von den Kunstwerken richtig urtheilet. Der natürliche Geschmack, die uns angeborne Empfindung des Schönen, im Gegensatze des künstlichen. In engerer Bedeutung wird der gute oder richtige Geschmack oft nur schlechthin der Geschmack genannt. In seinem ganzen Hause herrscht Ordnung und Geschmack. Ein Mann von Geschmack, der einen guten Geschmack hat. (c) In weiterer Bedeutung ist der Geschmack die auf den Geschmack, oder die Empfindung des Schönen gegründete Art zu denken und zu handeln. In Youngs traurigem Geschmacke dichten. Ein Gemählde in Rubens Geschmack. In diesem Verstande leget man auch ganzen Zeitaltern und Nationen einen Geschmack bey, die Art zu empfinden und über seine Empfindungen zu urtheilen, zu bezeichnen. Eine Bildsäule in Griechischem Geschmacke. Der Italiänische Geschmack in der Mahlerey. Der Gothische Geschmack in der Baukunst. Der herrschende Geschmack.

Anm. In beyden Hauptbedeutungen, im gemeinen Leben, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes nur Schmack, Smack, welches sich auch noch in Vorschmack und Nachschmack findet, ingleichen auch 2 Mos. 16, 31, Weish. 16, 20 vorkommt. Bey dem Notker Smach, Gesmag, in der Monseeischen Glosse Smacho, im Angels. Smaec, im Engl. Smack und Smatch, im Pohln. Smak, im Schwed. Smak, im Finnländ. Macu. S. Schmecken. Die Figur, den eigentlichen Geschmack auf die Empfindung des Schönen anzuwenden, ist schon bey den Hebräern,[613] Griechen und Römern vorhanden. Unter den neuern Völkern haben die Spanier diese Metapher zuerst wieder angenommen, denen hierauf die Franzosen mit ihrem Gout, und bald nach dem Anfange dieses Jahrhunderts auch die Deutschen gefolget sind. Hans Sachs gab 1553 ein Gedicht heraus, welches er die neue Geschmäck des Ehstandes nannte, wo es schon Empfindungen überhaupt bedeutete.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 612-614.
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