Hart

[980] Hart, härter, härteste oder härtste, adj. et adv. 1. Eigentlich, wo es diejenige Eigenschaft der Körper bezeichnet, nach welcher sie vermögend sind, einer leidentlichen Veränderung oder einem Stoße zu widerstehen, im Gegensatze des weich. In diesem schärfsten wissenschaftlichen Verstande ist ein jeder Körper hart, weil ein jeder ein gewisses Vermögen hat, einer leidentlichen Veränderung zu widerstehen. Allein im gemeinen Leben wird dieser Ausdruck alle Mahl verhältnißweise gebraucht, und da bezeichnet es einen merklichen und hohen Grad dieses Vermögens, so wohl überhaupt, da er vermögend ist, den gewöhnlichsten Eindrücken mehr zu widerstehen als ein anderer Körper. So nennet man alle Steine hart, weil sie den gewöhnlichsten Arten des Stoßes widerstehen. Der Demant ist der härteste unter allen bekannten Körpern. Sprichw. Auf einen harten Ast gehört ein harter Keil. Als auch mit noch näherer Beziehung auf einen weichern Körper eben dieser Art. Eine harte Haut, harte Hände haben. Hartes Holz, wohin man eichenes, büchenes, ahornes, birkenes Holz u.s.f. rechnet, im Gegensatze des weichen. Hart gesottene Eyer, harte Eyer, im Gegensatze der weich gesottenen. Das Fleisch ist hart gesotten, ob es gleich in Vergleichung mit Holz, Steinen u.s.f. weich genug ist. Harte Steine nennet man in der Mineralogie diejenigen, welche sich nicht mit dem Messer schaben lassen. Hartes Brot, eine harte Rinde, eine harte Schale. Ein hartes Wasser, welches viele erdige Theile bey sich hat. Hartes Getreide, oder Hartkorn, in der Landwirthschaft, Rocken, Weitzen und Gerste, im Gegensatze des weichen, d.i. des Hafers. Hingegen zählet man zum harten Futter oder zum Hartfutter, eben daselbst, alles Getreide, mit Einschluß des Hafers und der Erbsen, im Gegensatze des rauchen Futters, d.i. des Strohes, Heues und Grummetes. Harte Schlacken, im Bergbaue, frische Schlacken. Hartes Bley, oder Hartbley, eben daselbst, welches im Abtreiben von dem Silber geschieden wird. Hartes Geld, ganzes oder grobes Geld, im Gegensatze des einzelnen Geldes oder der Münze. Zuweilen auch mit näherer Beziehung auf die Empfindung. Diese Speise liegt hart im Magen. Auf der harten Erde liegen. Die Erde ist ein hartes Lager.

2. Figürlich, wo dieses Wort in sehr vielen uneigentlichen Fällen gebraucht wird, wo das Bild theils von dem Widerstande der harten Körper selbst, theils von der Mühe, die man anwenden muß denselben zu überwinden, theils endlich auch von der dadurch verursachten unangenehmen Empfindung entlehnet ist.

1) In Ansehung des Widerstandes harter Körper gegen eine leidentliche Veränderung.

(a) Vermögen oder Fertigkeit besitzend, den sinnlichen Eindrücken von außen zu widerstehen, oder solche nicht zu empfinden. Hart gewöhnet seyn, den Eindrücken der Witterung, den Beschwerden widerstehen können, im Gegensatze des weichlich, oder zärtlich. Ein Kind hart erziehen. Sich hart halten, nicht weichmüthig werden, im Nieders. aber auch, frisch und gesund seyn. Die Ebräischen Weiber sind harte Weiber, ehe die Wehmutter zu ihnen kommt, haben sie geboren, 2 Mos. 1, 19. S. Abhärten. Ein harter Schlaf, ein fester, Es. 29, 10. Ich war so hart entschlafen, daß ich nicht erwachte, Opitz. Ein hartes Leben, ein zähes Leben, welches[980] nicht leicht abzukürzen oder zu überwinden ist. Ein harter Bezahler, der schwer zur Bezahlung zu bringen ist.

(b) Im moralischen Verstande. (α) Eine harte Stirn haben, unverschämt seyn, Fertigkeit besitzen den Empfindungen der Scham zu widerstehen. (β) Fertigkeit besitzend, den Bewegungsgründen zu widerstehen, unbiegsam. Einen harten Kopf, einen harten Sinn, einen harten Nacken haben. Ein harter Sinn, Griech. καρτεροφρων. Das Herz Pharao ist hart, er wegert sich das Volk zu lassen, 2 Mos. 7, 14. Aber die Kinder, zu welchen ich dich sende, haben harte Köpfe, und verstockte Herzen, Ezech. 2, 4. Denn das ganze Hans Israel hat harte Stirnen und verstockte Herzen, Kap. 3, 7. Sprichw. Hart wider hart thut niemahls gut, wofür man auch sagt, zwey harte Steine mahlen selten klein. S. Hartnäckig. (γ) Den Empfindungen des Mitleidens widerstehend, Fertigkeit besitzend, bey anderer Noth unempfindlich zu seyn, und in dieser Gesinnung gegründet; im Gegensatze des weich. Ein hartes Herz haben. Sich hart halten, nicht gerühret, nicht weichherzig werden. Hart gegen jemanden seyn, mehr in leidentlicher Bedeutung, so wie einem hart seyn, mehr thätiges mit in sich fasset. Ein harter Orden. Sey nicht hart gegen den Dürftigen, Sir. 4, 1. (δ) Fertigkeit besitzend, den Glimpf, die Mäßigung in Beurtheilung des Verfahrens anderer und in dem Widerstande gegen ihr unrechtmäßiges Verhalten zu unterlassen, und in dieser Fertigkeit gegründet. Ein harter Richter. Eine harte Strafe. Etwas sehr hart bestrafen. Jemanden sehr hart anreden. Eine harte Antwort. Einem harte Vorwürfe machen. Das ist zu hart. Wo es oft ein glimpflicher und anständiger Ausdruck für grob ist. (ε) Einen harten Kopf haben, in Niedersachsen, einen ungelehrigen, wofür man in Obersachsen sagt, einen schweren Kopf haben.

(c) Als ein Nebenwort wurde es ehedem auch häufig für sehr nahe gebraucht, weil in der Nähe der Widerstand alle Mahl stärker ist; in welcher Bedeutung es aber im Hochdeutschen seltener zu werden anfängt. Hart unter den Leisten sollen die Ringe seyn, 2 Mos. 25, 27. Daß es auf dem Leibrock hart anliege, Kap. 28, 28. Ein groß Volk wird sich erregen, hart an unserm Lande, Jer. 6, 22. Hart an der Mauer wohnen.


Er blieb hart an der Thür die Stirne runzelnd stehen,

Zachar.


Zwey Kinder spielten einst hart an des Pico Fuß,

Lichtw.


Die Niedersachsen sagen dafür dicht nach eben derselben Figur. Das Schwed. hårdt bedeutet gleichfalls nahe.

2) In Rücksicht auf die Mühe, welche man anwenden muß, den Widerstand harter Körper zu überwinden, mit Mühe verbunden, doch nur in einigen Fällen. Einen harten Leib, einen harten Stuhlgang haben. S. Hartleibig. Das wird hart halten, es wird schwer, nicht anders als mit Mühe zu bewerkstelligen seyn. Hart hören, schwer, mit Mühe hören, etwas taub seyn, S. Harthörig. Das gehet ihm hart ein, sehr schwer. Harte Buchstaben, in der Sprachkunst, das p, t und k, im Gegensatze der weichen b, d und g, weil sie im Aussprechen mehr Mühe und Anstrengung erfordern. Vielleicht gehöret hierher auch die harte Tonleiter in der Musik, wo die Terz zwey ganze Töne in drey Stufen enthält, und welche auch die große genannt wird, zum Unterschiede von der weichen oder kleinen.

3) In Rücksicht auf die Empfindung, wo es in vielen Fällen theils einen sehr merklichen Grad einer unangenehmen Empfindung bezeichnet, theils überhaupt für sehr gebraucht wird.[981]

(a) In den schönen Künsten gebraucht man dieses Wort in vielen Fällen von solchen Fehlern, welche eine unangenehme Empfindung bey dem Zuschauer oder Zuhörer zurück lassen. Eine harte Figur, in der Redekunst, eine übertriebene Metapher, Katachresis. Harte Verse, in der Dichtkunst, im Gegensatze der fließenden. Ein harter Reim. Eine harte Schreibart. Eine harte Manier, ein harter Pinsel, bey den Mahlern, wenn die hellen Farben zu nahe an den dunkeln stehen und nicht gehörig vertrieben sind, ingleichen wenn die Umrisse nicht gehörig vermischt sind, welches auch trocken genannt wird; im Gegensatze der weichen oder sanften Manier. Ein Bildhauer arbeitet hart und trocken, wenn seiner Arbeit das Markige und die gehörige Politur fehlet.

(b) Ein wenig sauer, im gemeinen Leben. Das Bier schmeckt hart, wenn es anfängt sauer zu werden; Schwed. hård. Auf ähnliche Art sagten die Römer vinum durum. S. Härtlich und Härtling.

(c) In einem sehr merklichen Grade unangenehm, schmerzhaft, empfindlich, beschwerlich, doch nur in einigen bereits eingeführten Fällen, in welchen man dafür auch schwer, und im gemeinen Leben zuweilen auch sauer gebraucht. Einen harten Fall thun. Eine harte Krankheit ausgestanden haben. Ich habe dafür hart genug büßen müssen. Das ist ein harter Gang. Harte Arbeit verrichten. Eine harte Dienstbarkeit, Sklaverey. Ein harter, sehr kalter, Winter. Es sind harte Zeiten. Eine harte (sehr unangenehme,) Nothwendigkeit. Es ist etwas sehr hartes, sich einen Narren vorgezogen sehen. Ein hartes Schicksal. Hartes (stürmisches,) Wetter auf der See. Ein Pferd trabet hart, gehet einen harten Trab, wenn der Trab dem Reiter unangenehme Empfindungen macht.

(d) In noch weiterer Bedeutung, eine bloße Intension, einen hohen Grad der innern Stärke zu bezeichnen; in welcher Bedeutung es im Hochdeutschen größten Theils veraltet ist. Eine harte Belagerung. Ein harter, heftiger, Streit oder Kampf. Wo der Streit am härtesten ist, 2 Sam. 11, 15. Mit harter Mühe, mit großer, schwerer Mühe. Besonders als ein Adverbium für sehr; ein im Hochdeutschen gleichfalls veralteter Gebrauch. Ih bin so harte niht verzaget, einer der Schwäbischen Dichter. Harto bistu herti, Ottfr. du bist sehr hart. Fürwittig erschrack des gar hart, Theuerd. Kap. 15. Und sie drungen hart auf den Mann Lot, 1 Mos. 19, 10. Seit dem hat er das Volk noch härter geplagt, 2 Mos. 5, 23. Und schlug sie hart, Richt. 15, 8. Wer die Nasen hart schneutzet, zwinget Blut heraus, Sprichw. 30, 33. Deß erschrack Belsazar noch härter, Dan. 5, 9. Und so in andern Stellen mehr. Doch sagt man auch im Hochdeutschen, jemanden hart zusetzen, hart in ihn dringen. Auf ähnliche Art stammet das Lat. valde von validus ab. Das Schwed. harla bedeutet gleichfalls sehr.

Anm. Bey dem Ulphilas hardus, bey dem Kero und Ottfried harto, im Nieders. hard und harde, im Angels. heard, im Engl. hard, im Isländ. hardur, im Dän. haard, im Schwed. hårdt. Ehedem bedeutete es auch groß, fest, stark, tapfer u.s.f. Das Span. harto ist noch für viel üblich, und das Franz. hardi, kühn, stammet gleichfalls davon ab. Das Griech. καρτερος, stark, tapfer, καρτα, sehr, kommen genau damit überein, so wie das Lat. arduus selbst einige figürliche Bedeutungen beybehalten hat. S. auch Harren, Harsch und Herb. Wenn man auf den sehr gewöhnlichen Übergang des r in l und dieses in jenes siehet, so wird man auch die Verwandtschaft zwischen hart und halten und dem Lat. validus, im Nieders. wählig, nicht verkennen[982] können. Sagt man doch im Oberdeutschen noch jetzt erhalten, für erhärten, beweisen, im Braunschweigischen heren, für halten, erfüllen, und im Nieders. heerden, beheerden, für halten. S. auch Held. Übrigens ist für hart in der eigentlichen Bedeutung im Bergbaue auch gällig, klammgällig, klemmig, im Nieders. rog, (Lat. rigidus,) üblich; so wie man manche besondere Arten der Härte im Hochdeutschen durch harsch, spröde, zähe u.s.f. ausdruckt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 980-983.
Lizenz:
Faksimiles:
980 | 981 | 982 | 983
Kategorien:

Buchempfehlung

Suttner, Bertha von

Memoiren

Memoiren

»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.

530 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon