-Inn

[1380] -Inn, plur. -en, eine Ableitungssylbe, welche Hauptwörtern, die eine männliche Person bezeichnen, angehänget wird, um daraus weibliche eben dieser Art zu bilden. Am häufigsten und fast ohne Ausnahme leiden diese Verwandelung die Hauptwörter auf er, wenn nur diese Endung eine männliche Person bezeichnet. Die Schweizerinn, Engländerinn, Indianerinn, Hallenserinn, Hamburgerinn, Leipzigerinn u.s.f. eine Person weiblichen Geschlechtes aus der Schweiz, aus England, Indien, Halle, Hamburg, Leipzig, von Schweizer, Engländer, Indianer u.s.f. Ferner diejenigen Wörter, welche ein männliches Amt, eine männliche Würde, Lebensart, Verhältniß u.s.f. bezeichnen, entweder eine weibliche Person von eben dieser Würde, Lebensart, oder Verhältniß, oder doch die Gattinn einer solchen männlichen Person anzudeuten. Die Kaiserinn, Bürgermeisterinn, Richterinn, Bäckerinn, Baderinn, Hofmeisterinn, Priesterinn, Schreiberinn, Künstlerinn, Dichterinn, Sünderinn, Bettlerinn, eine Funfzigerinn, eine Frau von funfzig Jahren, die Dienerinn, Gesatterinn, Sönnerinn, Wohlthäterinn, Klägerinn, Schuldnerinn, Heuchlerinn, Schmeichlerinn, Sängerinn, Kanzlerinn u.s.f. von Kaiser, Bürgermeister, Richter, Bäcker u.s.f.

Einige verändern dabey das vorher gehende a, o und u in ä, ö, und ü, wie Bäuerinn, Schwägerinn u.s.f. von Bauer und Schwager. Diejenigen, welche sich auf ein doppeltes er, oder auf erer endigen, werfen des Wohlklanges wegen das eine er vorher weg, wie Gotteslästerinn, Plauderinn, Zauberinn, Märtyrinn, Wanderinn, Wucherinn, Kämmerinn, von Gotteslästerer, Plauderer, Zauberer, Märtyrer, Wanderer, Wucherer, Kämmerer.

Indessen werden auch andere Hauptwörter, welche eine Person männlichen Geschlechtes bedeuten, auf diese Art umgebildet, weibliche Personen eben dieser Art zu bezeichnen. Die Dominicanerinn, Franciscanerinn, Lutheranerinn, Katholikinn, Christinn, Pietistinn, Calvinistinn, Papistinn, Philosophinn, Poetinn, Generalinn, Königinn, Fürstinn, Herzoginn, Diebinn, Schmiedinn, Enkelinn, Feindinn, Freundinn, Nachbarinn, u.s.f. von Dominicaner, Franciscaner, Lutheraner, Katholik u.s.f.[1380]

Einige haben auch hier den Umlaut; wie Männinn, (welches nur in einigen Fällen üblich ist,) Vögtinn, Gräfinn, Närrinn, Köchinn, Räthinn, Göttinn u.s.f. Diejenigen aber, welche ein e euphonicum am Ende haben, werfen solches vorher weg, wie Türkinn, Sachsinn, Schottinn, Pohlinn, Preußinn, Schwedinn, Däninn, Heidinn, Gefährtinn, Gattinn, Genossinn, Gespielinn u.s.f. Von Türke, Sachse, Schotte, Pohle u.s.f. und mit Veränderung des Selbstlautes, Jüdinn, Schwäbinn, Französinn, Bübinn u.s.f. Nur von Deutscher macht man, weil es eigentlich ein Beywort ist, die Deutsche.

Auf eben diese Art lassen sich auch von den Nahmen mancher Thiere Wörter bilden, das weibliche Geschlecht derselben zu bezeichnen. Die Eselinn, die Wölfinn, die Hündinn, die Löwinn, die Tiegerinn, die Bärinn, Elephantinn, Störchinn u.s.f. von Esel, Wolf, Hund, Löwe. Die Jäger, welche am häufigsten in die Nothwendigkeit gerathen, die Thiere nach ihren Geschlechtern zu unterscheiden, bilden auch die Häsinn, die Füchsinn, die Luchsinn, die Dachsinn, u.s.f. worin man ihnen ohne Bedenken nachfolgen kann. Bey andern Thieren sind zur Unterscheidung der Geschlechter eigene Nahmen vorhanden, und wo diese nicht zureichen, gebraucht man die Wörter Männchen und Weibchen.

Dieß gilt auch von verschiedenen andern männlichen Hauptwörtern, von welchen sich keine weibliche Wörter bilden lassen, theils weil für dieselben eigene Nahmen üblich sind, wie Mutter, Tochter, Frau, Magd, Base, Muhme, Witwe u.s.f. für Vaterinn, Sohninn, Männinn oder Herrinn, Knechtinn, Vetterinn, Oheiminn, Witwerinn u.s.f. theils aber auch, weil diejenigen, welche das männliche Geschlecht bezeichnen, auch zugleich eine ähnliche Person weiblichen Geschlechtes andeuten, wie Gast, Zeuge, Beystand, Freygeist, Teufel, Flegel u.s.f. wohin auch alle Hauptwörter auf -ing und -ling gehören, welche gleichfalls von beyden Geschlechtern gebraucht werden.

Einige wenige leiden, ehe sie das inn annehmen, allerley Veränderungen. Von Vormund macht man nicht Vormündinn, sondern Vormünderinn, von Prinz nicht Prinzinn, sondern Prinzessinn, wo das Französische schon weibliche Princesse, so wie bey Baronessinn das Französ. Baronnesse, zum Grunde geleget worden, daher man an vielen Orten auch nur die Prinzesse und Baronesse sagt. Äbtissinn ist aus dem mittlern Lat. Abbatissa, zum Unterschiede von Äbtinn. Kindbetterinn und Wöchnerinn haben kein männliches Geschlecht, und sind nur zur Nachahmung gebildet.

Aus Beywörtern lassen sich dergleichen weibliche Wörter nicht bilden. Man sagt nicht richtig, eine Geliebtinn, eine Heiliginn, eine Bekanntinn, eine Verwandtinn, eine Gelehrtinn u.s.f. sondern eine Geliebte, Heilige, Bekannte, Verwandte, Gelehrte. Nur die Gemahlinn eines Gesandten oder Abgesandten pflegt man die Gesandtinn oder Abgesandtinn zu nennen.

Wohl aber nehmen es die eigenen Geschlechtsnahmen an, die Gattinn oder Tochter eines Mannes zu bezeichnen, wo zugleich keine Veränderung des vorher gehenden Selbstlautes Statt findet. Jungfer Schwarzinn, Juliana Ochsinn, Frau Wolfinn, Frau Grafinn. Obgleich auch nicht alle dergleichen Geschlechtsnahmen es verstatten, Frau Doctor, Baumgarten, Jungfer Berends, man auch ohne Tadel Jungfer Schwarz, Frau Wolf, Frau Graf, sagen kann, und oft wirklich sagt. Im gemeinen Leben gehet dieses -inn häufig in ein -en über; Frau Wolfen, Jungfer Schwarzen.[1381]

Anm. In der ältern Oberdeutschen Mundart lautet diese Ableitungssylbe beständig inne; thie kuiniginne. Die Hochdeutschen haben das e weggeworfen, das doppelte n aber behalten, welches zugleich um des Plurals willen nothwendig ist, wo das doppelte n deutlich gehöret wird, Königinnen. So wie die Endung -er an den männlichen Hauptwörtern das noch als ein Fürwort übliche er ist, so ist dieses inn unstreitig das im Deutschen veraltete Fürwort in, hin, sie, welches ehedem auch als ein Hauptwort üblich war, ein weibliches Individuum zu bezeichnen. Noch bey den Isländern ist han er, hinn derselbe, und hin sie. Siehe auch Henne. Die Niedersachsen kennen diese Sylbe eigentlich nicht, sondern gebrauchen dafür in den meisten Fällen ihr -sche oder -ske, welches aus sie, Nieders. se, Engl. she, verderbt ist. Die Köksche, Köchsche, die Köchinn, Adamsche, Frau Adam, Berendsche, Frau Berends, Betregerske, Betriegerinn, Amtmannsche, die Amtmänninn u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1380-1382.
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