Muß (2), das

[327] 2. Das Mūß, des -es, plur. von mehrern Arten, die Muße, bey einigen die Müßer, Diminut. das Mußchen, Oberd. Mūßlein. 1) * Speise überhaupt, und die Einnehmung derselben, die Mahlzeit; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher der Plural bey Oberdeutschen ältern Schriftstellern Muser, Müser, Mosser lautet. Bey dem Kero und Ottfried in diesem Verstande schon Muas. Vuirdig ist der uuurtho sines muoses, Tat. der Arbeiter ist seiner Speise, seines Unterhaltes werth. Habet ir uuas muoses? ebend. habt ihr etwas Speise? Bey dem Ottfried ist Dagamuase die Mittagsmahlzeit, und Abendmuase die Abendmahlzeit. In engerer Bedeutung pflegte man ehedem die Speisen aus dem Gewächsreiche und die eßbaren Pflanzen selbst nur Muß zu nennen, wofür wir jetzt Gemüse und Zugemüse sagen. Daher war der Mußgarten der Küchengarten, Krautgarten, der Mußmengeler der mit Küchengewächsen handelt, Mußwerk Gemüse u.s.f. S. auch Mußtheil. 2) Eine zu einem Breye gekochte Speise, und in weiterer Bedeutung, eine jede zu einem Breye gekochte Masse, der Brey, im gemeinen Leben, besonders der Niedersachsen, auch die Pappe; wo der Plural nur zuweilen von mehrern Arten vorkommt. Das Äpfelmuß, Pflaumenmuß, Brotmuß, Wassermuß, von Mehl und Wasser, Biermuß, von Bier und Brot, Mandelmuß, von Mandeln, Milch, Eyerdottern u.s.f. Das Fleisch zu Muß kochen.

Anm. In der ersten Bedeutung gehöret es zu einem sehr alten und zahlreichen Geschlechte solcher Wörter, welche essen, Speise u.s.f. bedeuten, da denn oft der Zischlaut in das verwandte t übergehet. Im Schwed. ist Mös gleichfalls eine jede Speise, bey[327] dem Ulphilas Mat, Mats, Angels. Maete, eine Speise, Gericht, Engl. Meat, Franz. Met. Man hatte auch das Zeitwort müsen, essen, speisen, bey dem Kero muasen, womit das Lat. comissari, das Griech. μασσασθαι, essen, und unser schmausen verwandt sind, und wovon mästen das Factitivum ist. In Ulm müssen die Ehebrecher zur Strafe noch jetzt Haferbrey mit einander essen, welche Strafe daselbst das Musen genannt wird. S. Gemüse, Mästen, Mettwurst und Muskel. In der zweyten Bedeutung, wo es auch schon bey dem Kero Muaz, und im Nieders. Moos lautet, gehöret es zunächst zu Moos und andern Wörtern dieser Art, in welchen der Begriff der weichen Beschaffenheit, des Zerreibens und Zermalmens, der herrschende ist, welcher Begriff doch mit dem vorigen des Essens genau zusammen hängt. Es erhellet solches unter andern auch aus dem Ital. wo ein solches Muß Minuto heißt. Da das s in diesem Worte nach dem gedehnten u unläugbar eben so geschärft lautet, als in Muße, Fuß, Buße, süß u.s.f. so schreibt man es auch am richtigsten mit einem ß, obgleich das abgeleitete Gemüse wegen des gelinden Lautes des s mit diesem zufrieden seyn muß.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 327-328.
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