Nest, das

[470] Das Nst, des -es, plur. die -er, Diminut. das Nestchen, Oberd. Nestlein. 1. Eigentlich, ein Haufe mehrerer mit einander verbundener, bey und neben einander befindlicher Dinge; eine nur[470] noch in einigen Fällen übliche Bedeutung. So pflegen die Bergleute, welche uns überhaupt noch die erste und eigentliche Bedeutung so vieler Wörter erhalten haben, einen Haufen in der Erde bey einander befindlichen Erzes ein Nest zu nennen. Ein Erz bricht nesterweise, wenn es sich in solchen Haufen, deren Länge der Breite ungefähr gleich ist, befindet. Die Stockwerke sind eine Art solcher Nester. S. Niere, welches Wort nur von kleinen Häufchen Erzes gebraucht wird. Das Nest auf einem Frauenzimmerkopfe entstehet, wenn die geflochtenen Haare oben auf dem Kopfe um die Nest- oder Nestelnadel geschlagen werden, welche Art noch unter geringen Personen, besonders auf dem Lande, üblich ist; die Nestel, das Haarnest, Zopfnest. Im gemeinen Leben wird es, doch gemeiniglich nur im Scherze, von mehrern bey einander befindlichen Dingen gebraucht, wo es aber auch zu folgenden Bedeutung gehören kann. 2. In engerer und gewöhnlicher Bedeutung ist das Nest ein von Reisern, Stroh, Moos und andern weichen oder biegsamen Dingen bereitetes tiefes Behältniß, welches sich die Vögel und einige Arten von Insecten und vierfüßigen Thieren zu ihrem Aufenthalte verfertigen, besonders aber ihre Jungen darin auszubrüten oder zu werfen. 1) Eigentlich. Das Vogelnest, Katzennest, Wespennest, Mäusenest u.s.f. Die Vögel bauen sich Nester. Sprichw. Man kann es an dem Neste sehen, was für ein Vogel darin wohnet. Zu Neste tragen, sagt man von den Vögeln, wenn sie die Materialien zu ihrem Neste zusammen tragen. Das Nest ausnehmen, die darin befindlichen Jungen oder Eyer heraus nehmen. Das Nest eines Raubvogels wird ein Horst genannt. 2) Figürlich. (a) Die in einem solchen Neste befindlichen Eyer oder Jungen. Ein Nest Vögel, Mäuse u.s.f. Das Raupennest, die in einem gemeinschaftlichen Gespinste bey einander befindlichen Raupen. (b) Ein Haus, eine Wohnung. Ein Mann, der kein Nest hat, Sir. 36, 28. Man gebraucht es nur noch im verächtlichen Verstande, von einem schlechten elenden Hause, oder einem solchen Aufenthalte; besonders in den Zusammensetzungen Hurennest, Diebsnest, Raubnest u.s.f. In eben diesem verächtlichen Verstande pflegt man auch wohl ein festes Schloß, einen kleinen aber festen Ort, ein festes Nest zu nennen. (c) Das Bett, doch nur im vertraulichen Scherze. Zu Neste gehen, zu Bette. Er will nicht aus dem Neste, nicht aus dem Bette.

Anm. Schon bey dem Notker Nest, im Engl. Angels. und Nieders. gleichfalls Nest, im Schwed. Näste, im Wallis. Nith, im Irländ. Nead, im Griech. νεοσσια, νεοττια, im Latein. Nidus. Die Slavonischen Mundarten setzen noch den Hauch- und Gaumenlaut voran, wie das Pohln. Gniazdo, das Böhm. Hnizdo, und das Krainerische Gnesdu. Es stammet ohne Zweifel von nähen, so fern es überhaupt verbinden bedeutete, her, zumahl da im Angels. nestan, im Schwed. nästa, und im Bretagnischen nezza gleichfalls nähen bedeutet. S. Nestel, Netz und Nisten. Die Niederdeutschen lassen in diesem Worte ein scharfes geschlossenes e hören, wie das erste e in stehen ist, die Hoch- und Oberdeutschen aber ein gedehntes offenes.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 470-471.
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