Quellen

[890] Quêllen, verb. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit irregulärer Abwandlung, ich quelle, du quillst, er quillt, Imperf. ich quoll, Conj. ich quölle; Mittelw. gequollen; Imperat. quill. Es erfordert das Hülfswort seyn, wenn aber ein thätiger adverbischer Beysatz gegenwärtig ist, das Hülfswort haben. Es kommt in einer doppelten Hauptbedeutung vor. 1. In Gestalt einer Quelle hervor kommen, von flüssigen Körpern, mit einer wallenden oder wellenförmigen Bewegung aus einem Orte entspringen. 1) Eigentlich. Das Wasser quillt aus der Erde. Das Wasser ist aus der Erde gequollen. Ist ein adverbischer Beysatz da, so stehet haben. Das Wasser hat den ganzen Tag gequollen. Mit Wasser quellen, wie Sprichw. 8, 24: Da die Brunnen noch nicht mit Wasser quollen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich, obgleich auch Haller figürlich sagt:


Ganz Deutschland quillt mit nüchtern Schreyern.


In weiterer Bedeutung gebraucht man es in der dichterischen Schreibart auch von den Thränen, dem Blute u.s.f. Es quollen ihm Thränen aus den Augen. Dem Knaben quollen Thränen die Wangen herunter, Geßn.


In deinem Auge quillt die sanfte Zähre,

Schleg.


Sieh, wie sein Leben jetzt

Aus dieser Wunde quillt,

Weiße.


2) Figürlich, seinen Grund in einem andern Dinge haben, aus einem andern Dinge als seinem Grunde herkommen, mit dem Nebenbegriffe des Reichthumes, der Fülle; wie fließen. Aus Gott[890] quillt Licht und Leben. Zevs sprach das Wort der Schöpfung, da quoll Leben in den Staub, Less. Ein reitzendes Vergnügen quillt aus dem Umgange unserer Mitgeschöpfe, Zimmerm. 2. Von der Feuchtigkeit ausgedehnet werden. Das Brot quillet in der Suppe. Die Erbsen, der Stockfisch u.s.f. quellen im Wasser. Das Holz ist gequollen, hat sich von der Feuchtigkeit ausgedehnet. S. auch Verquellen.


Und wie ein Teig uns muß von wenig Hefen quellen,

Opitz.


II. Als ein Activum, wo es billig die regelmäßige Conjugation erfordert, ich quelle, du quellst, er quellt; ich quellete; gequellet. 1) * Einen flüssigen Körper in Gestalt einer Quelle von sich geben; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Denn gleichwie ein Born sein Wasser quillt (quellt,) also quillet auch ihre Bosheit, Jerem. 6, 8. 2) Quellen machen, durch Feuchtigkeit ausdehnen. Die Erbsen, den Stockfisch quellen, sie im Wasser aufquellen lassen. Die Köchinn hat den Stockfisch gequellet. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch für brühen. Den Kohl quellen lassen, vielleicht ihn aufwallen lassen. In einigen Gegenden bedeutet das Wasser quellen, quallen oder verquellen, auch dasselbe durch Hemmung des Abflusses ausschwellen lassen, es schützen, oder stauen; wovon Frisch einige Beyspiele anführet.

Anm. Dieses Wort ist mit wallen Eines Geschlechtes, welches den Laut des aus einer Öffnung mit wellenförmiger Bewegung hervor kommenden, ingleichen des durch die Feuertheilchen in Bewegung gesetzten flüssigen Körpers nachahmet. Siehe Quall, Wall und Wallen. Die Bedeutung der Ausdehnung ist, allem Ansehen nach, eine Figur davon, indem dergleichen Ausdehnung in manchen Fällen mit einem ähnlichen Laute verbunden ist, ja das Quellen und Wallen eines flüssigen Körpers selbst nichts anders als eine Art dieser Ausdehnung ist. Mit einem andern Vorschlage ist für quellen auch schwellen üblich. Im Niederd. lautet dieses Wort quillen, Imperf. quull, gequullen, und daher scheinet das i in unserm Präsenti zu seyn, du quillst, er quillt. In einigen Mundarten hat das Imperf. ich quall.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 890-891.
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