Sohn, der

[127] Der Sohn, des -es, plur. die -söhne, Diminut. das Söhnchen, Oberd. Söhnlein, eine Person männlichen Geschlechtes, so fern sie ihr Wesen durch mittelbare Mittheilung von einer andern empfangen hat, dem Ursprunge, der Erhaltung und dem Eigenthume nach in derselben gegründet ist; so wie Tochter, eine solche Person weiblichen Geschlechtes bedeutet.

1. Im engsten Verstande, in Beziehung auf die unmittelbaren Ältern d.i. sowohl auf den Vater als auf die Mutter. Jemandes Sohn seyn. Von einem Söhnchen entbunden werden. Der erstgebohrne Sohn. Ein nachgebohrner, angenommener, ehelicher, natürlicher Sohn. Der Schwester Sohn, oder Schwestersohn, des Bruders Sohn, oder Bruderssohn.

2. In weiterer Bedeutung. (1) In Beziehung auf die entfernten Stammältern; eine nur in der biblischen und höhern Schreibart übliche Bedeutung. Christus war der Sohn Davids. Die Söhne Adams, alle von ihm abstammende Menschen männlichen Geschlechtes. (2) Oft ist es auch eine Person männlichen Geschlechtes, zwischen welcher und einer andern nur eine Ähnlichkeit des Verhältnisses, in Ansehung der Erhaltung, der Erziehung, des Unterrichtes u.s.f. statt findet. Ein Pflegesohn, Stiefsohn, Schwiegersohn, Beichtsohn. Daher in noch weiterm Verstande ältere Personen jüngere Personen männlichen Geschlechtes, welche den Jahren nach unmittelbar von ihnen abstammen könnten, in der vertraulichen Sprechart mit mein Sohn anzureden pflegen. (3) In der biblischen Schreibart werden alle vernünftige Geschöpfe männlichen Geschlechtes, so fern sie alle in Gott gegründet sind, Söhne Gottes genannt, unter welcher Benennung auch zuweilen die Engel vorkommen. In noch weiterm Verstande ist nach einer morgenländischen Figur in der Deutschen Bibel der Sohn eine männliche Person, deren nähere Beschaffenheit durch ein beygefügtes Hauptwort ausgedruckt wird. Söhne der Bosheit, boshafte Leute männlichen Geschlechtes. Söhne des Unglaubens u.s.f. welche sonst im Deutschen ungewöhnliche Figur auch wohl in der höhern Schreibart nachgeahmet wird. Söhne der Natur, im Stande der Natur lebende Personen männlichen Geschlechtes. Du Sohn der Freyheit u.s.f.

Anm. In dem Isidor Sunu, bey dem Kero, Ottfried u.s.f. Sun, im Nieders. Söne, bey dem Ulphilas Sunus, im Angels. Sune, in den Slavonischen Mundarten Syn. Es ist sehr wahrscheinlich,[127] daß der Begriff der Verwandtschaft, der Verbindung in diesem Worte der herrschende ist, da es denn zu Zunft, dem alten Allemannischen Sune, Herde, Familie, zu Gesinde und vielleicht auch zu dem Zeitworte söhnen gehören würde. Da der Griechische Hauch in andern Sprachen häufig in ein s übergehet, das n aber ein bloßer Endlaut ist, so muß auch das Griech. ὑιος, als ein Verwandter angesehen werden. Das Fämininum die Sohnin oder Söhnin ist längst veraltet, indem dafür Tochter eingeführet worden. Indessen wird doch in einigen Oberdeutschen Gegenden eine Schnur oder Schwiegertochter noch Söhninn, Söhnerinn oder Sühnerinn genannt.

Ehe die eigentlichen Geschlechtsnahmen üblich wurden, und noch jede Person ihren eigenen Nahmen führete, war es sehr gebräuchlich, diesem Nahmen noch den Nahmen des Vaters mit dem Beysatze Sohn beyzufügen, und sich dadurch von andern gleiches Nahmens zu unterscheiden. Diese noch unter den heutigen Juden, Russen und Morgenländern übliche Gewohnheit ist sehr alt, und findet sich schon in den ersten Altern der Welt. Sie war ehedem auch in dem nördlichen Europa bis in Friesland gangbar. Jacob Anders Sohn, Jacob Andreä Sohn. Paul Dirks (Dietrichs) Sohn. Mit der Zeit ward dieses Sohn in sen und gar nur in s verkürzt, und dem Nahmen des Vaters angehänget, der denn nachmahls in dieser Gestalt gar zu einem Geschlechtsnahmen wurde. Jacob Andersen oder Anders, Paul Dirksen oder Dirks, daher denn die noch jetzt in Deutschland, besonders in dessen nördlichem Theile gangbaren Geschlechtsnahmen Lüders, Petersen oder Peters, Claussen, Jacobs, Martens, Elers u.s.f. entstanden sind. Im Lateinischen druckt man dergleichen Nahmen durch den Genitiv aus, so daß filius darunter verstanden wird: Iacob Andreae, Paulus Dictorici u.s.f. welche Form denn gleichfalls sehr oft zu einem gangbaren Geschlechtsnahmen geworden ist, wohin die Nahmen Andreä, Pauli, Christiani, Friedrici, Martini und so ferner gehören.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 127-128.
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