Sturz, der

[484] Der Sturz, des -es, plur. die Stürze, von dem Zeitworte stürzen. 1. Der Zustand oder die Handlung, da man stürzet; und zwar sowohl da man plötzlich und mit Heftigkeit in die Tiefe fällt. Jemanden im Sturze auffangen. Einen Sturz thun oder nehmen, besser stürzen. Daher der Umsturz. Als auch eine heftige mit Gewaltsamkeit verbundene Veränderung des Ortes. Nun brechen Einwendungen hervor wie Waldwasser; mit furchtbarem Sturze stürzen sie daher, Lavat. Alles mit einem Sturze thun, mit dem heftigsten Ungestüm. Daher Blutsturz. Ingleichen ein plötzlicher ungestümer Anfall, der auch wohl ein Sturm genannt wird, obgleich dieses Wort einen geringern Grad der Heftigkeit und Geschwindigkeit bezeichnet. Es wird noch einen heftigen Sturz setzen, ungestümen Streit, Sturm, Strauß.


Hat sich der Sturm des Meers gelegt?

Antw. Noch nicht; nur noch ein Sturz, alsdann ist es vorbey,

Weiße.


2. Ein Ort, wo man stürzen kann. So wird der jähe, senkrechte Abhang eines Berges oder Felsens in vielen Gegenden ein Sturz oder Absturz genannt. 3. Im Bergbaue ist der Sturz oder im weiblichen Geschlechte die Stürze, der Ort, wohin die Erde und das taube Gestein gestürzet, oder ausgeschüttet wird; der Stürzplatz. Der Kohlensturz, der Ort, wo die Kohlen abgestürzet werden. 4. Dasjenige, was gestürzt wird, doch nur in einigen einzelnen Fällen. (1) In den Blechhämmern ist ein Sturz, ein Paar unverzinnter mit den flachen Seiten auf einander liegender Bleche. Ein Haufen Blech bestehet aus 66 bis 68 Stürzen, d.i. Paar Bleche. (2) Der obere überhangende Theil eines Dinges heißt in vielen Fällen der Sturz, zum Unterschiede von der Sohle oder Schwelle. So wird die obere Fläche eines Fensters, einer Thür u.s.f. sie sey nun horizontal oder gewölbt, und der[484] Körper, welcher diese Fläche bildet, der Sturz genannt, zum Unterschiede von der Sohle, Schwelle u.s.f. Der Fenstersturz, Thürsturz. Bey den Schlössern heißt auch die Stange Eisen, welche einen gemauerten Sturz hält, der Sturz. Der Mantel über einem Herde wird nicht nur der Schurz, sondern auch der Sturz genannt, und zwar letzteres, weil er überhängt. Vielleicht gründet sich auf den Begriff des Überhängens auch der Nahme des Sturzes bey den Papiermachern, d.i. desjenigen küpfernen Bleches, welches auf allen vier Leisten der Form herum genagelt wird. 5. Ein abgeschnittenes Stück, ein langer Körper, von welchem etwas abgeschnitten worden, wodurch derselbe verkürzet ist; in einigen Fällen, dagegen in andern Stumpf üblich ist. Der Sturz, der Vorderarm nach abgehauener Hand, der Stümmel, Stumpf. Die Stürze gefälleter Bäume, die Stöcke, Wurzelenden, im Nieders. Stubben. Bey den Jägern wird der kurze Schwanz des Rothwildes, weil er wie abgestutzt aussiehet, der Sturz genannt. Auf den Blechhämmern sind die Stürze oder Stürzlein kurze zwiefach zusammen geschlagene Stücke Eisen, welche aus dem Deule gehauen, und hernach zu Blech geschmiedet werden; wo aber auch der Begriff des Zusammenschlagens statt findet. Dasjenige Ende des Faschienen, wo selbige abgehauen worden, heißt der Sturz oder das Stürzende, zum Unterschiede von dem Wipfelende. S. auch Stürzel. 6. Ein Gefäß, entweder so fern es dienet, etwas hinein oder heraus zu stürzen, oder auch in dem weitesten Verstande eines jeden Gefäßes; doch nur in einigen Fällen. So haben die Seifensieder ein gewisses Gefäß, welches sie den Storz oder Sturz nennen, und welches unten enge ist, sich nach oben zu aber immer erweitert.

Anm. In der ersten Bedeutung schon bey dem Notker Sturz. Dieses Hauptwort hat noch verschiedene Bedeutungen, welche sich dem ersten Anscheine nach nicht aus den heutigen Bedeutungen des Zeitwortes stürzen herleiten lassen, daher man zur Einsicht ihrer Begreiflichkeit zu dem alten Worte sturen, zurück gehen muß, von welchem stürzen nur ein Intensivum ist, und von welchem unsere steuern und stören Überbleibsel sind. Dieses bezeichnete, so wie alle ähnliche Zeitwörter der Bewegung, mehrere mit einerley, oder doch ähnlichem Laute verbundene Handlungen, unter andern auch des Verkürzens, Stutzens, wovon in zerstören noch etwas ähnliches ist, der Bewegung in die Tiefe u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 484-485.
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