Tinte, die

[604] Die Tinte, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -n. 1) Ein gefärbter flüssiger Körper, damit zu schreiben. Rothe, grüne, gelbe, blaue Tinte. Schwarze Tinte, welche gemeiniglich verstanden wird, wenn man Tinte schlechthin nennet.[604] Unsichtbare, sympathetische Tinte. Du wirst in die Tinte kommen, im gemeinen Leben, du wirst übel ankommen, wo Tinte für Brühe, Farbebrühe zu stehen scheinet, welches Wort in diesem Falle gleichfalls gebräuchlich ist. In der Tinte sitzen, sich in Verlegenheit, in einem übeln Handel befinden. 2) In der Mahlerey wird von einigen jede künstliche oder zusammen gesetzte Farbe nach dem Ital. Tinto, und Franz. Teinte, die Tinte genannt. Die ganze Kunst des Colorits bestehet in der Wissenschaft der Tinten und halben Tinten. Diese Bedeutung ist aus dem Italiänischen entlehnet; könnte auch gar füglich entbehret werden, weil dieses Wort nichts mehr sagt, als Farbe.

Anm. Bey vielen Dinte, welches doch so wohl der Hochdeutschen Aussprache als der Abstammung zuwider ist. Luthers mehrmahliges mit Dinten, für mit Dinte oder Tinte, ist eine Oberdeutsche Form, nach welcher daselbst mehrere weibliche Wörter auf e decliniret werden. Ich weiß nicht, mit was für Grunde von vielen behauptet werden können, Tinte sey ein altes Gothisches und Deutsches Wort, welches von den Deutschen nach Italien und Spanien gebracht worden, wo es Tinto und Tinta lautet. In den Monseeischen Glossen lautet dieses Wort ausdrücklich noch Tincta, und da auch einige Oberdeutsche Gegenden für Tinte noch Tinke sprechen, so ist wohl erweislich genug, daß es von dem mittlern Latein. Tincta, d.i. Tinctura, ein gefärbter flüssiger Körper, gebildet worden, wovon auch das Ital. Tinto, das Span. Tinta, und das Franz. Teinte, ein Farbenkörper, eine Farbe abstammen. Überdieß ist unsere heutige Art zu schreiben keine Deutsche, sondern ausländische Erfindung, welches denn die Beybehaltung eines fremden Wortes bey einer fremden Sache noch wahrscheinlicher macht. Die Niederdeutschen kennen dieses Wort nicht, sondern gebrauchen dafür Black, welches eigentlich schwarz bedeutet, aber auch von rother, grüner Tinte u.s.f. gebraucht wird. Auch die mit dem Niederdeutschen verwandten nordischen Sprachen haben nur dieses Black.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 604-605.
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