Tinte

[607] Tinte (v. ital. Tinta, welches aus lat. Tinctura abgekürzt ist), 1) im Allgemeinen jeder zum Schreiben angewendete flüssige Farbestoff; a) Schwarze T., ist gewöhnlich eine Auflösung von gerbsaurem Eisenoxyduloxyd, in welcher ein Niederschlag von gerbsaurem Eisenoxyd höchst fein vertheilt suspendirt ist. Man bereitet die Schwarze T. meist durch Vermischen einer Abkochung von Galläpfeln mit einer Auflösung von Eisenvitriol u. Zusatz von Gummi. Nach folgenden Vorschriften erhält man eine gute Schwarze T.: 9 Thle. gepulverte Galläpfel werden mit 48 Thln. Wasser (Regen- od. Flußwasser) abgekocht, die durchgeseihte Flüssigkeit mit einer Auflösung von 3 Thin. Eisenvitriol vermischt u. mit 1 Thl. Arabischem Gummi verdickt; oder: 12 Thle. Galläpfel werden mit 90 Thin. Wasser 3 Stunden lang gekocht u. währenddem das verdampfende Wasser durch neues ersetzt, das Decoct durchgeseiht u. mit einer Auflösung von 5 Thln. Senegalgummi in wenig heißem Wasser versetzt; dann fügt man eine Auflösung von 5 Thln. Eisenvitriol in 30 Thin. Wasser zu; oder: man kocht 3 Thle. gepulverte Galläpfel u. 1 Thl. Blauholz mit 36 Thln. Wasser ab u. setzt zu der heiß filtrirten Flüssigkeit 1 Thl. Eisenvitriol u. 1–2 Thle. Arabisches Gummi; oder: 4 Unzen concentrirtes Campecheholzdecoct werden mit 48 Gran Eisenvitriol versetzt, dann 8 Scrupel krystallisirtes kohlensaures Natron u. 1 Drachme Oxalsäure, zuletzt nach völligem Absetzen 4–6 Scrupel Gummi zugegeben; oder: man kocht 8 Thle. gröblich gepulverte Galläpfel u. 4 Thle. Blauholz mit 180 Thin. Wasser zur Hälfte ein u. setzt der filtrirten Flüssigkeit 4 Thle. Eisenvitriol, 1 Thl. Kupfervitriol, 3 Thle. Arabisches Gummi u. 1 Thl. Candiszucker zu; oder: man kocht 3 Loth geschnittene Granatschalen, 3 Loth Kochsalz u. 1/2 Pfd. Eisenvitriol in 2 Pfd. Essig u. 12 Pfd. Regenwasser eine Stunde lang, löst vor dem Erkalten 3/8 Pfd. Arabisches Gummi in der T. u. filtrirt nach vollständiger Abkühlung; oder: man kocht 1 Pfd. gröblich zerstoßene Galläpfel u. 2 Loth gemahlenes Blauholz mit 20 Pfd. Regen- od. Flußwasser zur Hälfte ein u. setzt der Flüssigkeit eine Lösung von 9 Loth Eisenvitriol in 1 Pfd. Wasser u. eine Lösung von 41/2 Loth Arabischem Gummi u. 11/2 Loth weißem Zucker in 1/2 Pfd. Wasser zu. Die von Leonhardi in Dresden erfundene Alizarintinte zeichnet sich vor der gewöhnlichen T. dadurch aus, daß sie eine ganz dünnflüssige klare Flüssigkeit ist, also leicht aus der Feder fließt; die Schrift ist anfangs grünlichblau, geht aber bald in ein tiefes glänzendes Schwarz über; man fertigt sie, indem man 42 Thle. Galläpfel u. 3 Thle. Krapp mit so viel lauwarmem Wasser auszieht, daß 120 Thle. Flüssigkeit entstehen, welche dann mit 51/5 Thln. Eisenvitriol, 11 Thl. schwefelsaurer Indigolösung u. 2 Thin. holzessigsaurem Eisen versetzt werden. Eine andere Alizarintinte wird auf folgende Art bereitet: 100 Thle. gepulverte Galläpfel werden mit 1200 Thin. rohem Holzessig einige Tage in gelinder Wärme digerirt, filtrirt u. der Rückstand so lange mit rohem Holzessig nachgewaschen, bis das Filtrat wieder 1200 Thle. beträgt; in dieser Flüssigkeit werden 12 Thle. Eisenvitriol u. 50 Thle. Arabisches Gummi aufgelöst, dieses einige Tage unter öfterem Umrühren stehen gelassen, u. dann so viel Indigolösung zugesetzt, daß das Ganze 1500 Thle. wiegt. Die Alizarintinte kann zur Trockne verdampft, in Tafeln geformt u. dann wieder in weichem Wasser aufgelöst werden. Durch Übergießen von Tintenpulver mit Wasser läßt sich leicht eine brauchbare T. bereiten. Ein solches Tintenpulver kann man zusammensetzen aus: 18 Loth Galläpfel, 7 Loth Arabisches Gummi u. 7 Loth Eisenvitriol; diese werden gröblich zerstoßen u. mit einander gemengt; das Pulver wird dann mit 3 Pfd. Wasser übergossen u. öfters umgerührt; nach acht Tagen kann man die T. gebrauchen; ist ein Theil derselben verbraucht, so fügt man noch 1 Pfd. Wasser zu u. rührt den Bodensatz wieder auf. b) Rothe T. (Purpurtinte, Bluttinte), 4 Loth beste Cochenille werden gröblich gepulvert, in 1 Pfd. Wasser geschüttet, worin 4 Loth krystallisirtes kohlensaures Natron aufgelöst ist, eine Stunde umgerührt, filtrirt u. nach u. nach ein Gemeng von 4 Loth Alaun u. 4 Loth Weinstein zugesetzt, dann mit einer Auflösung von 3 Loth Gummi in Wasser verdickt u. etwas Nelkenöl zugegeben. Länger hält sich die T., wenn statt des kohlensauren Natrons kohlensaures Ammoniak angewendet wird, u. zwar soviel, daß ein Überschuß davon vorhanden ist. Oder man behandelt 6 Drachmen gutes Cochenillpulver, 11/2 Unze gereinigtes kohlensaures Kali mit 16 Unzen destillirtem Wasser zwei Tage lang, dann setzt man 41/2 Unzen Weinstein u. 3 Drachmen Alaun zu, erhitzt die Flüssigkeit bis alle Kohlensäure entwichen ist, filtrirt u. wäscht den Rückstand mit 11/2 Unzen destillirtem Wasser nach; man verdickt die fertige T. mit Gummi u. setzt etwas Alkohol zu. Oder man läßt geraspeltes Brasilienholz mit Essig 3–4 Tage lang stehen, kocht eine Stunde lang, filtrirt den Auszug u. setzt etwas Alaun zu, bis die rothe Farbe sich vollständig entwickelt hat; zuletzt verdickt man die T. mit Gummi. Oder man löst Karmin in Ammoniakflüssigkeit auf u. setzt Gummi zu; die T. muß in verschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden. c) Blaue T. Man mischt 16 Thle. völlig reines Berlinerblau (durch Waschen des käuflichen mit verdünnter Schwefelsäure u. Wasser erhalten) mit 1 Thl. Oxalsäure in einer Reibschale zusammen, setzt 32 Thle. Wasser zu, filtrirt u. verdickt mit Zucker. Diese T. ist zum Schreiben mit Stahlfedern unbrauchbar, da sie sich während des Schreibens in der Feder zersetzt. Eine von Oxalsäure freie u. daher zum Schreiben mit Stahlfedern geeignete blaue T. erhält man aus dem durch Fällen[607] von Eisenchlorid mit überschüssigem gelben Blutlaugensalz entstehenden Niederschlag; dieser ist nämlich in salzhaltigen Flüssigkeiten unlöslich, in reinem Wasser aber leicht löslich; man verdünnt 4 Scrupel Eisenchlorid (Liqu. ferri sesquichlorati) mit 8 Unzen destillirtem Wasser, dann löst man 4 Drachmen Blutlaugensalz in 8 Unzen Wasser auf u. vermischt beide Flüssigkeiten unter beständigem Umrühren; den Niederschlag wäscht man aus, u. wenn er sich zu lösen anfängt, durchstößt man das Filter u. löst den Niederschlag in soviel destillirtem Wasser auf, daß die ganze Flüssigkeit 24 Unzen beträgt. Die in Frankreich unter dem Namen Encre bleue rouennaise gebräuchliche blaue T. wird aus 750 Grammen Campecheholz, 35 Grammen römischem Alaun, 31 Grammen Arabischem Gummi, 15 Grammen Candiszucker u. 6 Kilogrammen Wasser bereitet. d) Grüne T. Man löst 2 Thle. Grünspan u. 1 Thl. Weinstein in 8 Thln. kochenden Wassers u. läßt es bis zur Hälfte verdunsten. Durch Vermischen von blauer T. mit Gummigutt od. einer Lösung von Pikrinsäure mit Indigcarmin u. Gummi erhält man schöne grüne Tinten. e) Unvertilgbare T. zur Ausfertigung von Documenten u. wichtigen, der Gefahr einer Fälschung unterworfenen Schriften bereitet man aus 1 Thl. Honig, 14 Thln. Wasser u. 2 Thln. Englischer Schwefelsäure; man mischt diese Substanzen u. setzt soviel schwefelsaure Indiglösung zu, daß die Flüssigkeit hinlänglich gefärbt ist; die Schrift (ohne Stahlfeder) wird erwärmt u., um die zerstörende Wirkung der Säure auf das Papier aufzuheben, mit Ammoniak benetzt od. das Document in einem verschlossenen Raum den Dämpfen von kohlensaurem Ammoniak ausgesetzt. f) Zeichentinte zum Zeichnen der Wäsche; man löst 22 Thle. kohlensaures Natron in 85 Thln. destillirtem Wasser u. gibt dazu 20 Thle. Arabisches Gummi, dann löst man 11 Thle. salpetersaures Silberoxyd in 20 Thin. Ätzammoniak, vermischt beide Flüssigkeiten u. erhitzt es bis zum Sieden; oder man mischt 11 Thle. salpetersaures Silberoxyd, 22 Thle. Ätzammoniak, 22 Thle krystallisirtes kohlensaures Natron, 50 Thle. Arabisches Gummi, 2 Thle. Saftgrün u. 13 Thle. destillirtes Wasser; die Schrift wird dann mit einem heißen Plätteisen erhitzt. g) Sympathetische T., s.d.; h) Chemische T., s.u. Steindruck. – Die gewöhnliche T. der Alten war schwarz (Atramentum), u. man brauchte nicht, wie Einige glauben, Sepia dazu, sondern ein Gemisch aus Wasser, Ruß u. Gummi, wozu noch Wermuth gethan wurde, um das Papier zu erhalten. Im Mittelalter bediente man sich des Gummiwassers u. Rußes. Rothe T. bereiteten die Griechen u. Römer aus Mennige, Röthel, Saft der Scharlachbeere (Coccus), Zinnober; mit der aus der Purpurschnecke gemachten (Purpurtinte) unterschrieben später nur die Kaiser ihre Mandate u. Edicte (s. Encaustum 1). So lange die Kaiser noch unmündig waren, unterzeichneten sie mit grüner T. (Batracheion Chroma). Leo verbot sogar den Privaten den Gebrauch der Rothen T.; über den Gebrauch der Rothen T. im Mittelalter s. Rubrica 3). Die Gold- u. Silbertinte, eine Erfindung des frühesten Mittelalters, wurde auch zu ganzen Büchern angewendet (vgl. Codex argenteus), ihre Zubereitung ist bis jetzt noch nicht genau bekannt. Vgl. Caneparius, De atramentis cujuscumque generis, Vened. 1619 u. ö.; 2) jede künstliche od. zusammengesetzte Farbe, bes. von den verschiedenen Schattirungen derselben Farbe gebraucht.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 607-608.
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