Tragödie, die

[644] Die Tragȫdie, (viersylbig.) plur. die -n, aus dem Griech. und Lat. Tragoedia, ein Trauerspiel, zum Unterschiede von einer Komödie oder einem Lustspiele, S. Trauerspiel. Ingleichen figürlich, im gemeinen Leben, eine traurige Begebenheit. Das Griechische Wort ist von τράγος und ωδη, ein Gesang, zusammen gesetzt. Es ist eine alte, aber um deswillen nicht minder alberne Meinung, die erste Hälfte dieses Wortes für das Hauptwort τράγος, ein Bock, zu halten, und es bald durch einen Gesang zu erklären, welcher dem Bacchus bey dem Opfer eines Bockes gesungen wurde, bald durch ein Schauspiel, welches dem Erfinder mit einem Bocke belohnet worden; eine Ableitung, welche sich bloß darauf gründet, weil jeder wußte, das τράγος, im Griechischen einen Bock bedeutete, aber nicht, daß es auch traurig, bezeichnete, wovon das Lat. tragicus, ein deutlicher Beweis ist, welches sonst eigentlich böckisch heißen müßte. Hesychius erklärt εκτράγωδει, ausdrücklich durch άποιμωζει, άποθρητει, er weinet. Selbst im alten Oberdeutschen ist Trego, der Schmerz, im Nieders. träge, matt, traurig, und im Schwedischen träga, trauern, und Träge, Gram; welche alle mit dem Griech. τράγικος oder τράγοςverwandt sind. Tragödie bedeutet also eigentlich ein trauriges Lied, wie Komödie ein lustiges. Daß aber τράγος im Griechischen so wohl traurig, als einen Bock bedeutet hat, ist eben so zufällig, als wenn im Deutschen Ramm so wohl einen Bock, als ein Geräusch bedeutet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 644.
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