Tragödie

[459] Tragödie, Von Dem, was unter Tragödie als einer Gattung des recitirenden Schauspiels zu verstehen ist, war schon im Art. Schauspiel (s.d.) die Rede. Der Name rührt aus dem Griechischen her, und man erklärt ihn dahin, daß bei den großen Bacchusfesten von einem Chor in Satyr- oder Bocksmasken Preisgesänge zu Ehren des Gottes aufgeführt, oder auch während derselben ein Bock geopfert worden sei, oder weil bei derselben Veranlassung ein dichterischer Wettstreit stattgefunden, in welchem der Sieger einen Bock als Preis erhielt, sodaß nach der einen oder andern Annahme Tragödie wörtlich mit Bocksgesang übersetzt wird. Der für tragisches Drama oder Tragödie gewöhnliche deutsche Name Trauerspiel bezeichnet den Begriff desselben nur mangelhaft; denn pflegt auch die gewöhnliche Entwickelung der Tragödie eine traurige zu sein, so ist doch ihr Zweck ein viel höherer und umfänglicher, als blos Mitleid, Grauen und Trauer zu erregen, denn sie soll die menschliche Kraft und Größe im Wettkampfe wider allerlei Schranken und Hindernisse so zur poetischen Anschauung bringen, daß unser Gemüth nicht blos davon gerührt, sondern auch von erhebenden Gefühlen beseelt und über jenes Loos des Menschlichen beruhigt wird, worin auch die Bedeutung des Tragischen liegt. Tragisch wird außerdem noch Alles genannt, was zur Tragödie gehört, sich darauf bezieht oder ihr angemessen ist, und man spricht z.B. von tragischen Rollen, tragischen Schauspielern, die man auch Tragöden nennt, von tragischen Dichtern (oder Tragikern, deren die berühmtesten des Alterthums wie der neuern Zeit bei den Literaturübersichten der verschiedenen Völker und Länder angeführt, auch in besondern Artikeln behandelt worden sind) und tragischen Ereignissen. Unter den sogenannten Schicksalstragödien werden die mislungenen Versuche mancher neuern Dichter, z.B. Müllner's (s.d.), verstanden, das in den Tragödien der Alten herrschende, ewig unabänderliche Schicksal (s. Fatum), welches selbst noch über den Göttern stehend, die beleidigten Götter aber an den Menschen rächt, wieder in die Tragödie einzuführen. – Tragikomisch wird eine solche Verbindung oder Verschmelzung des Tragischen mit dem Komischen genannt, daß jenes gleichsam in diesem aufgeht, und findet das in einem dramatischen Werke statt, so ist das eine Tragikomödie, ein Trauerspiel mit fröhlichem Ende.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 459.
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