Ungeld, das

[857] Das Ungêld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, ein altes aber jetzt nur noch in einigen Provinzen übliches Wort, eine Abgabe oder Accise von dem Getränke zu bezeichnen, wo es am häufigsten von demjenigen Getränke gegeben wird, welches einzeln verkauft und verschenkt wird, obgleich an manchen Orten auch diejenige Abgabe, welche von dem Getränke in ganzen Fässern entrichtet wird, diesen Nahmen führet. In einigen Provinzen ist es auch eine Abgabe, welche von manchen, vielleicht nur nassen Waaren, nach Schiffs- und Wagenlasten entrichtet, und von dem allgemeinern Zolle noch unterschieden wird; ja es scheint, daß ehedem, wenigstens in manchen Gegenden, Ungeld, eine jede Auflage und Abgabe, besonders in den Städten bezeichnet habe, indem es in dem mittlern Lateine so oft durch tributum erkläret wird; Ungelta vel tributum.

Anm. Dieses Wort wurde ehedem und noch jetzt häufig auch Umgeld, Umbgeld, Omgelt geschrieben und gesprochen, welche letztere Schreibart Wachtern, Frischen und viele andere bewogen hat, die erste Sylbe von Ohm, Ahm abzuleiten, und dieses Wort durch eine Abgabe zu erklären, welche von dem Getränke nach der Ohme entrichtet wird, in welchem Falle man denn freylich Ohmgeld schreiben und sprechen müßte. Allein, diese Ableitung verliehret ihre Wahrscheinlichkeit, wenn man siehet, daß dieses Wort in den mittlern Zeiten, so oft und häufig von einer jeden Abgabe gebraucht, und dabey auch weit häufiger Ungeld, als Umgeld oder Ohmgeld, geschrieben wird, welche letztere Schreibart entweder ein Provinzialfehler ist, oder aus einer voraus gesetzten irrigen Ableitung entstanden seyn kann. Indessen ist die eigentliche Bedeutung der Partikel un hier so gar deutlich noch nicht. So fern dieses Wort ehedem auch die Schatzung in den Städten bedeutete, erkläret Frisch es durch Umgeld, weil eine solche Schatzung die Reihe herum, von Haus zu Hause gegeben wurde; welcher Ableitung, außer dem unnatürlichen Zwange, auch die weit ältere und häufigere[857] Schreibart Ungeld entgegen stehet. Es scheinet daher die Ableitung, welche schon Gassar in Annal. Augsb. beym Menken-Script. Saxon. Th. 1. S. 1509. davon gegeben, die wahrscheinlichste zu seyn. Tributa seu collectae, quas plebs suo idiomate Vngeltam, hoc est indebitum appelare consueuit. De singulis tam negociationum mercibus, quam de potionum frumentorumque generibus etc. Noch früher heißt es in der Synode zu Aschaffenburg von 1292 in Harzheims Concil. Th. 4. S. 15: Novas etiam exactiones, quae vulgo Ungelt dicuntur, nulla civitatum instituat. Die letzte Hälfte Geld, ist hier nicht sowohl unser heutiges Geld, pecunia, als vielmehr das alte Gelt, eine schuldige Abgabe, besonders eine Geldstrafe, von

gelten in der veralteten Bedeutung, zu thun oder zu zahlen schuldig seyn. Ungeld, oder vielleicht richtiger Ungelt, würde also eine Abgabe bezeichnen, zu welcher man nicht verpflichtet ist, kurz, eine freywillige Geldgabe. Es ist aus den mittlern Zeiten bekannt, daß, bey den ehemaligen eingeschränkten Hoheitsrechten der Landesherren, fast alle Abgaben nur bittweise gefordert, und freywillig entrichtet wurden, welche Freywilligkeit oft selbst durch die Nahmen derselben aufbehalten wurde; z.B. Bethe, Niedersächsisch, Bede, Precariae u.s.f. Ungelt bedeutet also am wahrscheinlichsten eigentlich eine jede freywillige Abgabe, und kommt darin mit Unpflicht überein, welches im ähnlichen Verstande gebraucht wurde, S. dasselbe. Im Schwed. sind Omgelder, Unkosten, welches Ihre als eine buchstäbliche Übersetzung des Lat. Impensae ansiehet, wo aber Om auch eine intensive Bedeutung haben kann, wie in unserm Unkosten, welche Bedeutung sich denn allenfalls auch auf unser Ungeld anwenden ließe. Die Niedersachsen haben dieses Ungeld auch, aber außer dem ist bey ihnen auch Ingeld, Zins, Interesse, welches aber so viel als Eingeld, Einkünfte zu bezeichnen scheinet. Im Schwed. ist omgelda, eine Geldstrafe bezahlen, welches Ihre durch undgelda, entgelten, erkläret. Übrigens ist von unserm Ungeld in einigen Oberdeutschen Gegenden, der Ungelder oder Ungelter, eine verpflichtete Person, welche das Ungeld einnimmt, und verungelden oder verungelten, das Ungeld von etwas entrichten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 857-858.
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