Lucius Quinctius Cincinnatus

[267] Lucius Quinctius Cincinnatus, einer der vortrefflichsten Römer aus den ältern Zeiten des Freistaats, eben so unsterblich durch Heldenthaten, als durch Edelmuth, Genügsamkeit und Uneigennützigkeit, wurde im J. 460 vor der christlichen Zeitrechnung (294 nach Roms Erb.) zum Consul gewählt. Die Abgesandten, die ihm die Nachricht überbrachten, trafen ihn auf dem Felde mit dem Pflug in der Hand. Er nahm die Würde an, bedauerte aber unter Vergießung häusiger Thränen, daß nunmehr sein kleines geliebtes Landgut unbearbeitet bleiben würde; er verwaltete das Consulat uneigennützig und ruhmvoll, schlug es aber, als es ihm auf das nächste Jahr wieder angeboten wurde, aus, und erhielt nachher, um den unglücklichen Krieg gegen die benachbarten Aequer zu endigen, die Dictatur auf sechs Monate. Auch hier fanden ihn die Boten hinter dem Pflug, und erstaunten über die Frugalität des großen Mannes. Sogleich zog er dem eingeschlossenen Consul zu Hülfe, übersiel die Feinde bei Nacht, nahm ihr ganzes Heer gefangen, und theilte die Beute unter seine Soldaten aus, ohne etwas für sich zu behalten, als eine goldne Krone, die ihm sein Heer aus Dankbarkeit schenkte; er legte dann seine Stelle schon nach sechzehn Tagen nieder, und kehrte in die ländliche Ruhe zurück. Allein noch im hohen Alter erhielt er die Dictatorwürde wieder, um der Herrschsucht des unruhigen und gefährlichen Spurius Mälius ein Ziel zu setzen; er traf die wirksamsten Vorkehrungen, und zerstörte, als der Aufrührer durch einen gewissen Abala umgebracht worden war, dessen zahlreiche Anhänger mit Standhaftigkeit und Nachdruck. So wurde dieser erhabene Mann zweimal Retter seines Volks, von dem er als Vater verehrt wurde.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 267.
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