Die Furien

[72] Die Furien, (Mythol.) Gottheiten, die das Laster unaufhörlich verfolgen. Jedes noch uncultivirte Volk hat einen dunkeln Begriff von Strafe: da es aber das schwere Problem, wie jede unmoralische Handlung nothwendig von übeln Folgen begleitet wird, nicht auflösen kann, und gleichwohl die Wirkungen des Lasters wahrnimmt; so schreitet es zur Geisterwelt über, und erdichtet höhere Wesen, die es als Ursachen jener Folgen betrachtet. So nahmen die ältern Griechen an, daß weibliche Gottheiten die Lasterhaften unaufhörlich mit den bittersten Qualen verfolgten, und betrachteten sie nicht nur als Urheberinnen der Gewissenspein, sondern auch alles Unglücks, welches die Bosheit begleitet. Man dachte sich drei dieser Gottheiten, deren Namen Tisiphone, Alekto und Megära sind. Die Griechen nannten sie Erinnyen (von der Wuth, mit welcher sie das Verbrechen erblicken), aber auch Eumeniden, die Wohlmeinenden (weil sie zugleich die Sterblichen warnen); der Römische Name Furien entspricht der erstern Bedeutung. Die alte Kunst mahlt sie furchtbar, aber nicht gräßlich, als Jungfrauen, deren Rechte mit einer Schlangengeißel und die Linke mit einer Fackel oder einem Dolche bewaffnet ist; erst in den spätern Kunstwerken haben sie blutige Gewänder und Schrecken im Blicke.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 72.
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