Die Lausitz

[366] Die Lausitz besteht aus den Markgrafthümern Ober- und Niederlausitz, und gränzt gegen Morgen an Schlesien, wovon ein Strich sich tief zwischen dieselbe hineinzieht, gegen Mittag an Böhmen, [366] gegen Abend an Meißen, und gegen Mitternacht an Brandenburg, welches in der Niederlausitz ansehnliche Besitzungen hat. Beide Markgrafthümer wurden im 14. Jahrhundert der Krone Böhmen einverleibt, aber im Jahr 1620 von dem Kaiser Ferdinand II. an Johann Georg I. Churfürst von Sachsen (welcher den Kaiser im Hussitenkriege mit einem Aufwand von mehr denn 72 Tonnen Goldes unterstützt hatte) verpfändet, endlich aber durch den Prager Receß von 1635 förmlich abgetreten, welche Abtretung auch in dem Westphälischen Frieden bestätigt wurde. Weder das erbliche Eigenthum noch die Landeshoheit des Churfürsten von Sachsen ist bei dieser Abtretung im geringsten eingeschränkt worden: beide Markgrafthümer müssen daher gegenwärtig zum Deutschen Reiche gerechnet werden; allein sie gehören weder zum Obersächsischen noch zu irgend einem andern Kreise, sondern bestehen für sich als eigne Landeskörper, welche mit dem Deutschen Reiche zwar verbunden sind, deren Landesherr aber demselben weder mit Lehns- noch mit Unterthanspflicht verwandt, sondern, ungeachtet der Lehnsverbindung mit Böhmen, ein souverainer Reichsfürst ist. Auch hat die Lausitz eine eigne, von den übrigen Sächsischen Ländern abweichende Verfassung, die jedoch in beiden Markgrafthümern selbst verschieden ist. Merkwürdig ist die Leibeigenschaft, die daselbst, wie überhaupt in den ehemahligen Wendischen Ländern, worunter auch die Lausitz gehört, härter als in andern Deutschen Ländern ist; jedoch ist dieselbe in der Niederlausitz drückender als in der Oberlausitz. – Die Oberlausitz enthält im Flächeninhalt 95 Quadratmeilen und eine ungemein starke Bevölkerung von 290,000 Menschen. Der südliche Theil derselben enthält einige sehr hohe Gebirge und überaus romantische Gegenden. Die Tafelfichte, ein Theil des Riesengebirges, das sich aus Schlesien bis in diese Gegend herüberzieht, ist einer der höchsten Punkte in Sachsen, und gewährt einen überaus weiten, viele Gegenden umfassenden Anblick. Nicht minder reitzend sind die Ueberreste des alten Schlosses Oybin unweit Zittau. Die Viehzucht ist in der Oberlausitz sehr ansehnlich, desgleichen der Flachsbau; der Ackerbau hingegen ist für die ungemein [367] starke Bevölkerung nicht hinreichend. Diese Bevölkerung ist eine Folge der überaus blühenden Manufacturen, unter denen die wichtigsten die Leinewand-Manufacturen sind, in welchen Leinwand von allen Gattungen und die besten Arten von ungemeiner Feinheit und Kunst im Gewebe gemacht werden. Außer diesen sind die Tuch- und Wollmanufacturen (welche jedoch in ältern Zeiten beträchtlicher waren), wie auch die Baumwoll-Manufacturen ansehnlich. Bautzen, Görlitz und Zittau sind die ansehnlichsten Städte in der Oberlausitz. – Die Niederlausitz, wo Brandenburg in der Mitte derselben viele Besitzungen hat, hat an Flächeninhalt 85 Quadrat-Meilen und 112,000 Einwohner. Das größten Theils ebene Land hat nur mittelmäßige Fruchtbarkeit, und lohnt den großen Fleiß seiner Einwohner nicht verhältnißmäßig; auch ist die Industrie hier nicht so beträchtlich als in der Oberlausitz, daher es auch die Bevölkerung nicht sein kann. Auch hier sind die Leinewand-Manufacturen die wichtigsten. Lübben ist die angesehenste Stadt in der Niederlausitz, in welcher jedoch kein einziger so wohlhabender Ort als in der Oberlausitz anzutreffen ist. – Sollte übrigens einmahl der Fall eintreten, daß die Albertinische Linie (gegenwärtig die Churlinie) des Hauses Sachsen ausstürbe, so würde die Lausitz nicht auf die Art, wie die Chur- und übrigen Lande des Churfürsten zu Sachsen, vererbt werden, sondern sie würde an die von den Töchtern Johann Georgs I. abstammenden Landgrafen von Hessen-Darmstadt und Herzoge von Holstein-Gottorp, und erst nach deren Aussterben, als ein eröffnetes Böhmisches Lehen, an das Königreich Böhmen zurückfallen.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 366-368.
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