Minos

[138] Minos, (Geschichte und Mythol.) 1) ein berühmter König auf der Insel Kreta (jetzt Candia), [138] der ungefähr vierzehn hundert Jahr vor der christlichen Zeitrechnung lebte, und mit dem zweiten dieses Namens, seinem Enkel, nicht verwechselt werden darf. Er wird als ein weiser Gesetzgeber und als ein Mann von strenger Gerechtigkeitsliebe gepriesen. Aber freilich waren seine Gesetze nur einem rohen und ungebildeten Volke angemessen. Sein Zweck war hauptsächlich dahin gerichtet, die Kretenser durch Einigkeit und kriegerische Gesinnungen mächtig und furchtbar zu machen; zu dem Ende mußten sie öfters gemeinschaftliche Mahlzeiten halten und sich anhaltend in den Waffen üben. Um seinen Gesetzen Eingang zu verschaffen, gab er vor, daß er sie vom Jupiter erhalte; daher begab er sich auch alle 9 Jahr in eine Höhle am Berge Ida, wo er sich eine Zeit lang aufhielt und dann immer mit neuen Gesetzen zurückkam. – Die Fabel hat die Geschichte dieses Königs mit mancherlei Zusätzen bereichert; nach ihr war er ein Sohn Jupiters und der Europa. Nach seinem Tode wurde Minos – zugleich mit Aeakus und Rhadamanthus – Richter über die Unterwelt. Aeakus sprach das Urtheil über die Ankömmlinge aus Europa, Rhadamanthus über die aus Asien und Afrika; über beide war Minos gesetzt, welcher die Endurtheile fällte. Alle drei saßen unweit des Eingangs des Schattenreichs am Throne des Pluto, unter dem die ganze Unterwelt stand; und zur Ausübung ihrer Urtheile brauchten sie gewöhnlich die Furien. – 2) Minos, des vorigen Enkel. Seine Gemahlin, welche Pasiphae hieß, kränkte ihn durch Untreue, und gebar – als Folge eines verbotenen Umgangs – das Ungeheuer Minotaur, welches Minos in das bekannte Labyrinth einsperren ließ. Da Minos durch die Ermordung seines Sohns, Androgens, von den Atheniensern beleidigt worden war, so nöthigte er sie, jährlich 7 edle Jünglinge und eben so viele Jungfrauen nach Kreta zu schikken, wo sie von dem Minotaur getödtet wurden. Unter diesen Atheniensischen Jünglingen befand sich auch einmahl Theseus, welcher der schönen Tochter des Minos, Ariadne, gefiel und mir Hülfe derselben das Ungeheuer erlegte.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 138-139.
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