Das Pantheon

[356] Das Pantheon war ein großes Prachtgebäude in Rom, das Agrippa in dem Zeitalter Augusts entweder selbst anlegte, oder doch durchaus verschönern ließ; es war ein dem Jupiter und andern Göttern geweihter Tempel. Papst Bonifaz IV. weihte ihn im Jahre 607 zu einer Kirche für alle Heilige, und jetzt führt er den Namen der Maria rotonda. – Nach Art dieses Gebäudes, dessen Kuppel vorzüglich merkwürdig ist, haben die Pariser bald nach dem Anfang der Revolution das Pantheon erbaut, das zur Aufbewahrung der irdischen Hülle der edelsten Männer der Französischen Nation dienen soll. Es ist die ehemahlige Genovefe-Kirche, deren Bau der Architect Süfflors vor 41 Jahren anfing. Ueber dem Haupteingang steht die einfache Aufschrift: das dankbare Vaterland großen Männern. Vier riesenmäßige Statuen stehen an der Thüre, und sind Symbole des öffentlichen [356] Unterrichts, der Rechte des Menschen, des Gesetzes und des Todes fürs Vaterland. Im Innern sieht man zwei eben so große Statuen, die Statuen der Freiheit und Gleichheit; die innre Kuppel des Gebäudes ist prachtvoll und überraschend. Ueberhaupt hatte die ganze Unternehmung viel anziehendes, zumahl für den Französischen Nationalcharakter; aber der Eifer in der Ausführung erkaltete bald. Man eilte, um das Ganze nur vorläufig in Stand zu setzen; und daher sind die colossalischen Statuen sämtlich bloß von Gyps: überall stößt man auf Spuren der Eilfertigkeit, und wird beim Anschauen mehr an Vergänglichkeit und Hinfälligkeit als an Dauer und Verewigung erinnert. Uebrigens ist auch die Lage des Gebäudes nicht die beste; es steht in den finstern Gegenden der ehemahligen Sorboune, und fällt deßwegen nicht vollkommen ins Arge. Gegenwärtig befinden sich bloß die Leichname von Rousseau und Voltaire in schwarzen Sarkophagen darin. Mirabeauʼs Leichnam entfernten die Jacobiner daraus, und die Reste des schändlichen Marats die gesunde Vernunft. Den Gebeinen des berühmten Descartes machte Mercier die Ehre im Pantheon beigesetzt zu werden streitig; und seitdem ist nicht mehr die Rede von einer ähnlichen Unternehmung gewesen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 356-357.
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