Johann Friedrich Reichardt

[131] Johann Friedrich Reichardt. Dieser bekannte Tonkünstler wurde 1757 zu Königsberg in Preußen geboren. Er besuchte im Jahre 1771 als Virtuos auf dem Clavier und der Violine mehrere Höfe und Städte in Ober und Nieder-Sachsen, und erhielt 1775 die durch Graun erledigte Kapellmeister-Stelle in Berlin. Hier versetzte der junge Künstler, der wegen des zunehmenden Alters des Königs weniger beschäftigt wurde, sich selbst in eine höhere Thätigkeit, und errichtete 1783 das Concert spirituel, das er oft durch Aufführung eigener Compositionen glänzender machte. Im Jahr 1785 unternahm er eine Reise nach London, wo er den damahls angekündigten Händelschen Musiken beiwohnen und sich mit den seinigen hören lassen wollte, die hier wie am Versailler Hofe (er ging von London nach Paris) mit vielem Beifall aufgenommen wurden. Der durch diesen Beifall bei mehrern Französischen Kunstlern erregte Neid bewirkte, daß er bei seiner zweiten Reise nach Frankreich seinen Endzweck ganz verfehlte, und, ohne die für Paris besonders gesetzten Opern gegeben zu haben, wieder zurückkehrte. Bei dem Tode Friedrichs des zweiten vergroßerte er durch die Verfertigung [131] der Trauermusik seinen Ruhm, und erhielt auch vom Thronfolger die Bestätigung seiner Stelle. Den Verehrern der Tonkunst flößte er endlich durch die Composition des Singstücks Brenno, der Oper Andromeda, des ersten Theils zu Protesilao (der zweite Theil fiel durchs Loos unserm Naumann zu) neue Achtung für seine musikalischen Talente ein. Sonderbare Veranlassungen und – wenn man einer wahrscheinlich von ihm selbst geschriebenen Piece glauben darf – Verleumdungen und Cabalen entzogen ihm die Gunst seines Fürsten, der ihn mit Pension entließ, doch aber im Jahre 1797 zum Director des Salzwesens in seinen Fränkischen Besitzungen ernannte. Der jetzt regierende König sicherte ihm nicht nur den fernern Besitz dieser Directorstelle zu, sondern gab ihm auch das verlorne Amt bei der Kapelle, jedoch mit dem Befehle wieder, jeden Winter in Berlin gegenwärtig zu sein. Die Verdienste dieses würdigen Tonkünstlers können nicht geläugnet werden. Seine Opern sind, wenn auch nicht immer originell, doch größten Theils sehr schön. Seine Chöre haben viel Erhabenes, und fast immer ist die Musik dem Texte angemessen. Er hat übrigens durch die scharfen Kritiken, die er als Schriftsteller über seine Kunst ergehen ließ, vielleicht in den Augen manches Tonkünstlers von seinem Werthe als Mensch verloren. Daß er auch in andern Fächern als Schriftsteller aufgetreten ist, hat das Journal Frankreich gelehrt. Wir unternehmen es nicht, die Aussprüche der Kritik über diese Nebenarbeiten anzuführen und abzuwägen.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 131-132.
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