Scipio

[197] Scipio. Unter mehrern berühmten Römern von diesem Namen haben sich ganz vorzüglich zwei ausgezeichnet. 1) Publius Cornelius Scipio, mit dem Zunamen der Afrikaner, und zwar der ältere. Dieser außerordentliche Mann, der Ueberwinder Hannibals im zweiten Punischen Kriege, verband mit den hervorstechendsten Feldherrn-Talenten einen durch Wissenschaften gebildeten Geist. Wenn er sich durch Tapferkeit und List seinen Feinden furchtbar machte, so wußte er sich auf der andern Seite durch seine Mäßigung die Liebe der Ueberwundenen zu erwerben. Er verstand die große Kunst, die verschiedenartigsten Menschen und Völker zu seinen Zwecken zu gebrauchen, und sich durch Gelindigkeit und weise Strenge des Gehorsams seiner Untergebenen zu versichern. Schon in seinem 24. Jahre erhielt er die Oberbefehlshaber-Stelle in Spanien, da es, bei dem Waffenglück der Carthager, Niemand wagte, dieselbe zu übernehmen. Durch sein Genie gelang es ihm, die Carthager zu schlagen und Spanien in weniger denn vier Jahren den Römern wieder zu unterwerfen. Als Consul ging er darauf nach Sicilien, und von da nach Afrika, wo er seine Feinde durch verstellte Friedensunterhandlungen täuschte und überwand. Da Hannibal unterdessen von dem Carthagischen Volke aus Italien zurückberufen worden war, und wider seinen Willen zu einer Schlacht genöthigt wurde, so schlug ihn Scipio bei Zama auf das Haupt, und wurde dadurch in den Stand gesetzt, den Frieden nach Belieben zu dictiren. Diese Thaten erwarben ihm den Beinamen des Afrikaners. Neue Lorbern erntete er auch nachher in dem Kriege mit dem Syrischen König Antiochus, den er im Jahr 189 vor Christi Geburt völlig schlug, ein, und beschloß, nachdem er über die elenden Beschuldigungen triumphirt hatte, die man selbst diesem großen Manne bei seiner Zurückkunst nach Rom aus Neid machte, seine letzten Tage in philosophischer Ruhe (im J. 180 vor Chr. Geb.). 2) Publius Cornelius Scipio, der jüngere Afrikaner. Dieser seiner großen Vorfahren würdige Römer war ein Sohn des Aemilius Paulus und ein adoptirter Enkel des ältern Afrikaners. Er war ein Mann von erhabenem Geiste und dem edelsten Herzen, [197] gleich groß als Feldherr und als Mensch. Sein liebenswürdiger Charakter und seine sanften Sitten erwarben ihm die allgemeine Liebe seiner Mitbürger. In seiner militairischen Laufbahn erlangte er einen größern Ruhm als einer von seinen Vorfahren. Noch vor dem gehörigen Alter zum Consul erwählt, endigte er durch die Zerstörung Carthagoʼs den dritten Punischen Krieg; aber er selbst beweinte den Fall dieser Stadt, indem er das Schicksal seines Vaterlandes voraussah, das, von seinem größten Nebenbuhler befreit, sich bald seinem Verderben nähern würde. Einige Jahre darauf erhielt er – zum zweiten Mahle Consul – das Commando in dem Kriege gegen Numanz, eine Stadt in Spanien; und nachdem er die verfallene Kriegszucht unter den Truppen wieder hergestellt hatte, endigte er auch diesen Krieg durch die Eroberung von Numanz. Auf diese Weise hat er Rom von seinen beiden damahls gefährlichsten Feinden befreit. Er starb schon in seinem 56. Jahre auf eine schändliche Art – man fand ihn in seinem Bette erwürgt. Aus Furcht, dem rechten Thäter, wofür man den Cajus Gracchus hielt, auf die Spur zu kommen, unterdrückte man die Untersuchung. – Sein Tod wurde von allen echten Römern tief betrauert.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 197-198.
Lizenz:
Faksimiles:
197 | 198
Kategorien: