Der Prinz von Soubise

[324] Der Prinz von Soubise, Marschall von Frankreich, dem es vorbehalten war, den Namen Roßbach in der Geschichte zu verewigen, war bei Ausbruch des siebenjährigen Krieges einer der Reichsten, wohl gar der Reichste des Französischen hohen Adels. Ohne die Talente eines Feldherrn zu haben, war er doch nach einem Commandostabe begierig, und als Günstling der Marquisin von Pompadour wurde es ihm leicht, seinen Wunsch erfüllt zu sehen. Er erhielt das Commando eines besondern Corps, das jedoch von der Französischen Hauptarmee unter dem Marschall Etrees abhängig sein sollte: eine Bedingung, gegen die sich Soubiseʼs Ehrgeitz sträubte. Als er daher im Sommer 1757, jetzt noch als Generallieutenant, sein Corps in Westphalen übernahm, trennte er es sogleich von der Hauptarmee, vereinigte sich mit den Truppen des Deutschen Reichs, und wollte nun Sachsen ganz von den Preußen befreien. Er hatte Gotha erreicht, und befand sich in der Mitte des Septembers mit seiner Generalität und 8000 Mann in dieser Stadt, um sich von den Beschwerlichkeiten des Marsches zu erholen; eben hatte man an einem Mittage auf dem herzoglichen Schlosse Zubereitungen zu einem großen Festin für ihn und seine Generalität gemacht, als der Preußische General Seydlitz mit 1500 Mann vor den Thoren von Gotha erschien. Bestürzung ergriff Soubi seʼn und [324] seine Begleiter; er eilte mit seinen Truppen aus der Stadt, wo nun Seydlitz mit seinen Offizieren die für die Französische Generalität bestimmte Mahlzeit an der herzoglichen Tafel einnahm. Schon dieser Vorfall diente nicht dazu, glänzende Siege von dem Prinzen zu erwarten. Allein, im Vertrauen auf seine zweimahl stärkere Armee, als die ihm unter Friedrichs eigner Anführung gegenüber stehende, war er des Sieges gewiß, und fürchtete nur, daß Friedrich, der bei dem Dorfe Roßbach sein Lager aufgeschlagen hatte, ihm entfliehen würde. Am 4. Novbr. fing er an, des Königs Lager einzuschließen, und setzte sich am folgenden Tage in Marsch, um ihm in Rücken zu kommen. Allein plötzlich, ehe noch die Französische Armee Zeit hatte, sich völlig in Schlachtordnung zu stellen, fiel ihr General Seydlitz mit der Preußischen Cavallerie in die Flanken, und die Niederlage der erstern war augenblicklich entschieden. Ohne eigentlich geschlagen zu sein, wurde sie gänzlich zersprengt, und ihr Rückzug – noch schimpflicher für sie, als der Verlust der Schlacht selbst – war kein Rückzug, sondern wilde Flucht. Der Verlust dieser Schlacht war nicht bloß für Frankreich, sondern für Friedrichs Feinde überhaupt, von größter Wichtigkeit; indem sie vorzüglich bewirkte, daß England die Convention von Kloster Seeven für aufgehoben erklärte, und daß überhaupt seine Alliirten wieder zu ihm zurückkehrten. Alles dieses, und selbst der in Frankreich allgemeine Spott, der Soubiseʼn wegen dieser Schlacht traf, hinderte jedoch nicht, daß er im folgenden Jahre von neuem ein Commando übernahm; indeß erhielt er den Herzog von Broglio zum Beistande. Der Eifersucht ungeachtet, die gleich Anfangs zwischen ihnen Beiden herrschte, und sie hinderte, gemeinschaftlich zu handeln, wurde dieser Feldzug (1758) doch mit Glück gegen die Hessen geführt. Auch erhielt Soubise, als Sieger bei Lutternberg (am 10. Octbr. 1758), den Marschallsstab, ungeachtet dieses Treffen, das Frankreich ohnehin keinen besondern Vortheil schaffte, eigentlich auf Broglioʼs Rechnung kam, oder vielmehr durch die mit den Franzosen vereinigten Sachsen gewonnen wurde. Man ging endlich in Frankreich nach und nach so weit, Broglioʼn dem Prinzen unterzuordnen und endlich ganz von der [325] Armee zu entfernen. Dieser Umstand zog der Französischen Armee viele Unfälle zu, denen nur der Friede im J. 1763 ein Ende machte. Soubise, der wiederholte Beweise seiner Untüchtigkeit zum Feldherrn gegeben hatte, kehrte nun mit Spottgedichten überhäuft – von denen eine ganze Sammlung unter dem Titel: Soubisiade, erschien – in sein Vaterland zurück, und starb, ohne den Ausbruch des Revolutionskrieges zu erleben, der ihm ohnehin kein Commando verschafft haben würde.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 324-326.
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