Der Bauernkrieg

[91] Der Bauernkrieg ist derjenige traurige Zeitpunkt in der deutschen Geschichte, in welchem die Landleute in Franken und Schwaben, in der Folge auch in Sachsen und Thüringen zu den Waffen griffen, und zwar anfänglich, um sich aus ihrer traurigen Lage zu retten, nach und nach aber, um eine chimärische Freiheit zu erkämpfen. Mehrere, besonders katholische Schriftsteller pflegen diese Unruhen, deren Spuren sich schon gegen Ende des 15ten und zu Anfange des 16ten Jahrhunderts zeigten, die aber vorzüglich, welche im 3ten Jahrzehend des 16ten Jahrhunderts wütheten, blos auf Rechnung von Luthers [91] Reformation zu setzen. Allein schon der Umstand, daß sich die ersten Spuren derselben weit früher zeigten, als Luther bekannt wurde, beweiset das Gegentheil, und die Ursachen davon waren vielmehr einzig und allein die harten Bedrückungen, denen die Bauern fast unterlagen, ohngeachtet sich nicht läugnen läßt, daß Luthers mißverstandene Lehren späterhin einigen, wiewohl geringen und zufälligen Antheil an diesen Unruhen gehabt haben. Viele Bauern waren theils wirklich leibeigen, oder mußten wenigstens so viele Zinsen, Zölle, Steuern und Frohnen entrichten, daß ihnen dieselben nach und nach unerschwinglich wurden; es war daher natürlich, daß sie sich nach Befreiung sehnten. Da jedoch weder Adel noch Geistlichkeit in Ansehung dieser Forderungen etwas nachlassen wollten, und die Landesherren selbst auch nicht im Stande waren, die zum Theil auf altem Herkommen beruhenden Abentrichtungen geradezu aufzuheben; so war es nichts außerordentliches, daß sich die Bedrückten, zumal von einigen schwärmerischen Köpfen dazu veranlaßt, eigenmächtig Hülfe zu schaffen suchten. Die Unruhen brachen zuerst im Würzburgischen aus, wo ein Schwärmer, Johann Böhme, (nicht mit dem Görlitzer Jacob Böhme zu verwechseln) ein junger Mensch, der sich durch Liedersingen in den Herbergen sein Brod verdiente, als Freiheitsprediger auftrat, und, wie er sagte, auf Eingebung der Mutter Gottes bekannt machte, daß nun bald unter den Menschen gänzliche Freiheit und Gleichheit hergestellt werden, Papst, Kaiser, Fürsten und Obrigkeiten nicht mehr sein, sondern das ganze Menschengeschlecht durch gemeinschaftlichen Fleiß sein Brod, einer wie der andere, gewinnen, und Wälder, Weiden und Gewässer zu jedermanns Nutzen und Vergnügen dienen würden. Durch dergleichen schwärmerische Vorspiegelungen, denen man den Namen Predigten gab, machte er sich weit und breit bekannt, und aus ganz Franken, Schwaben, Bayern und an dem Rheine herauf strömten seine Zuhörer in so großer Menge herbei, daß einmal auf 40,000 Menschen um ihn versammlet gewesen sein sollen. Er beschied diese auf einen bestimmten Abend und gebot ihnen, [92] bewaffnet zu erscheinen, Weiber und Kinder aber zu Hause zu lassen – eine Erklärung, die über seine Absichten, einen Aufruhr zu erregen, wohl keinen Zweifel übrig ließ. Zwar ließ der Bischof von Würzburg, Rudolph, der diesen Vorfall erfuhr, den Schwärmer gefänglich einziehen; allein seine Zuhörer fanden sich zur bestimmten Zeit ein, und als sie die Gefangenschaft desselben erfuhren, rückten 46,000 Mann derselben vor das Schloß zu Würzburg. Vergebens ließ sie der Bischof durch seinen Marschall zur Ruhe verweisen; dieser mußte, um nicht gesteinigt zu werden, sich schnell entfernen. Der Bischof ließ nun Geschütz gegen die Rebellen aufführen und sie nochmals auffordern, sich zu entfernen, welches sie auch thaten. Bei ihrem Abzuge wurden ihre Rädelsführer1) ergriffen, gefänglich eingezogen und zugleich mit dem Freiheitsprediger Böhme zu Würzburg hingerichtet. Aber nicht blos in Würzburg, sondern auch in Speier traten 1502 (mithin lange vor Luther) ein paar ähnliche Aufrührer unter den Bauern gegen den Bischof und die Geistlichen auf. Indeß kamen die Unruhen erst im Jahr 1525 zum völligen Ausbruch. Hier schickten die Bauern ihre in 12 Artikeln abgefaßten Beschwerden schriftlich nach Würzburg, und baten um schleunige Abstellung derselben, indem sie sich, in Ansehung der Rechtmäßigkeit ihrer Forderung, besonders auf die Bibel gründeten. Vorzüglich wollten sie 1) ihre Pfarrherren selbst wählen, 2) der Zehend sollte nur zu Unterhaltung der Pfarrer eingesammlet, 3) Leibeigenschaft aufgehoben werden, 4) Jagd und Fischerei keine ausschließende Gerechtsame des Fürsten und Adels sein, 5) die Frohndienste billiger bestimmt werden und ein Lehnsherr von seinem Lehnsmanne nicht willkührliche Dienste fordern u. s. w. – Der Bischof versprach, diese Forderungen zu erfüllen; allein die Bauern, die dies nur halb glaubten, ergriffen [93] die Waffen, und selbst die Bürger, die er zu Hülfe rufte, traten auf die Seite der Bauern. Vergebens schrieb der Bischof einen Landtag aus, um die Unruhen zu stillen, vergebens ließ er einen der Anführer hinrichten; die Bauern fingen nach Ostern 1525 an, mit Waffen gegen Würzburg zu ziehen, so daß der Bischof sich genöthiget sah, nach Heidelberg zu fliehen. Nun durchzogen die Aufrührer ganz Franken, und in den Klöstern, Rittergütern und den Orten, wo man ihnen Widerstand leistete, wurde alles ausgeplündert, zerschlagen, gemißhandelt und die Orte selbst in Brand gesteckt. Auch die Stadt Würzburg ergab sich ihnen, doch suchten sie vergebens die Festung derselben, Marienberg, zu erobern, ohngeachtet sie solche mit schwerem Geschütz beschossen. Sie zogen daher von hier weg, wurden aber von den gegen sie ausgesendeten Truppen bei Königshofen und ein anderer Haufen derselben gleich darauf bei Sulzdorf geschlagen. Beide Schlachten kosteten ihnen 9000 Mann, und weil man ihnen Schuld gab, daß sie geschworen hätten, keinem Gefangenen Pardon zu geben, wurden ihre Gefangenen ebenfalls niedergehauen. Würzburg mußte sich wieder an die Sieger ergeben; am 8ten Juni 1525 zog der Bischof wieder hier ein, und stellte in kurzem die Ruhe ganz wieder her, indem er noch mehrere Aufrührer hinrichten ließ. Der Krieg war nun zwar hier geendiget; allein 189 Schlösser und Burgen waren theils zerstört, theils verbrannt, 26 Klöster vernichtet und gegen 12,000 Menschen hatten ihr Leben verloren. In Lothringen, am Ober-Rhein und im Breisgau hatten ebenfalls die Bauern die Waffen ergriffen; allein in den beiden erstern Landen wurden sie ebenfalls in mehrern Treffen geschlagen, und im Breisgau legten sie bald selbst die Waffen nieder. So war dieser Bauernkrieg in Franken und Schwaben gestillet, nachdem er wenigstens an 50,000 Bauern das Leben gekostet hatte, ohne daß sie ihren Zweck, Verminderung ihrer Lasten, erreichten, die sich vielmehr jetzt hier und und da vergrößerten. Auf diese Unruhen in Franken und Schwaben folgte aber der Bauernkrieg in Sachsen und Thüringen, den besonders [94] Thomas Münzer (s. dies. Art.) veranlaßte.


Fußnoten

1 Diese Benennung soll ihren Ursprung dem Bauernkriege zu danken haben, indem die Bauern in ihren Fahnen und Siegeln weiter nichts als ein Pflugrad, als das Symbol ihres Gewerbes, führten, und einander zugeschworen hatten, ungetrennt zu bleiben, gleichsam wie die Speichen eines Rades .

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 91-95.
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