Hannover

[430] * Hannover – Das Schicksal dieses Churfürstenthums, welches in der letztern so merkwürdigen Periode, bei dem Kriege zwischen England und Frankreich, ein Opfer seiner Verbindung mit Ersterem ward, ist bekannt, Als Eigenthum des Königs von England wurde es von Frankreich bekriegt, und im Jahr 1803 am 28. Mai rückte der französische General Mortier in das Hannöverische ein; die Regierung legte ihren Sitz von Hannover nach Lauenburg, und am 3. Juni wurde zwischen dem Ministerium und der französischen Generalität eine Convention zu Suhlingen abgeschlossen: daß die französische Armee von allen hannöverischen Landen bis an die Elbe Besitz nehmen, alle Festungen auf dem linken Ufer der Elbe, als Hameln, Nienburg etc. nebst allen Forts, Batterien etc. ihnen überliefert werden, dagegen die Hannoveraner mit Waffen und Regimentsstücken aufs rechte Elbufer nach dem Lauenburgischen ziehen sollten u. s. w. Die Franzosen verbreiteten sich nun, nach der am 5. Juni erfolgten Occupation, immer weiter; alle großbritannischen Wappen, Inschriften, und was sonst darauf Bezug hatte, wurden abgenommen, ausgelöscht und weggeschafft, und so nach und nach die ganze Landesverwaltung von dem Feinde Englands an sich gezogen: England hingegen, von welchem Hannover unter diesen Umständen einzig seine Vertheidigung und seine Beschützung erwarten durfte, ließ dieses ganz ohne Beistand und Unterstützung. Zwar landeten in der Folge englische Truppen in Hannover, suchten die hannöverische Armee wiederherzustellen, und schickten sich an, in Verbindung mit den Russen, Hameln zu belagern; allein [430] es kam zu keiner eigentlichen Belagerung, und nichts ernstliches wurde unternommen. So ward dies bedauernswürdige Land der Sammelplatz der Truppen so vieler Mächte Europens, obgleich durch Preußens Vermittelung nachher ein Theil der französischen Truppen herausgezogen wurde, welches um so mehr Statt fand, da, bei dem erneuerten Kriege Oestreichs und Rußlands gegen Frankreich, dies letztere seine Truppen zusammenziehen mußte. Indessen waren andere Truppen in immerwährender Bewegung, wodurch dies Land fast noch mehr belastet wurde. Die Schlacht bei Austerlitz brachte eine Veränderung der Lage der Dinge herbei, und der französische Kaiser suchte nun sich wieder Hannovers zu bemächtigen. Jetzt richtete Preußen sein Hauptaugenmerk hieher, und dieses ließ endlich zu Anfange des Jahrs 1806, in Gemäßheit einer mit dem französischen Kaiser getroffenen Uebereinkunft und laut eines unterm 27. Jan. erlassenen Patents, die hannöverischen Lande besetzen, indem es zugleich dem General Grafen von der Schulenburg-Kehnert die Administration derselben bis zum allgemeinen Frieden übertrug, obgleich der großbritannische Staatsminister, Graf von Münster, gegen diese preußische Occupation feierlichst protestirte. Allein bald erfolgte unterm 1. April eine Convention, durch welche Preußen, gegen Abtretung dreier Provinzen (Anspach, Cleve und Neufchatel) an Frankreich, nun die hannöverischen Churlande förmlich in Besitz nahm (obgleich auch hierwider von dem englischen Gesandten zu Regensburg feierlichst protestirt wurde), und durch einen unterm 8. Apr. ergangenen Erlaß die völlige und definitive Auflösung der hannöverischen Regierung bekannt machte. Indessen schien dies beklagenswürdige Land einem unaufhörlichen Wechsel bestimmt zu sein. Noch in demselben Jahre (1806) wurde, wie bekannt, das gute Vernehmen zwischen Frankreich und Preußen aufs fürchterlichste zerstört, und in dem unglücklichen Kriege, welcher nun ausbrach, mußte, bald nach der merkwürdigen Schlacht bei Jena, am 21. Oct. die preußische Organisationscommission Hannover verlassen, worauf das vormalige hannöverische Ministerium wieder [431] die Landesverwaltung, jedoch nur interimistisch und nicht im Namen des Königs von Großbritannien, übernahm, und die preußischen Wappen in der folgenden Nacht abgenommen wurden. Zu Ende des Octobers kam der französische Marschall Mortier mit seinem Corps nach Hannover, und nahm durch die Proclamation vom 12. Nov. im Namen des Kaisers Napoleon das Land in Besitz, welches nicht als Feindes, sondern als Freundes und – eignes Land behandelt, und bald auch in demselben an die Stelle der preußischen Adler die kaiserlich französischen angeschlagen wurden. So stehen denn nun auch bis jetzt noch diese hannöverischen Länder unter französischer Oberaufsicht, und werden, ohne daß über ihr Loos etwas näheres bestimmt ist, durch eine Administrativcommission verwaltet, welche an die Stelle des aufgehobenen Landesdeputationscollegium und der gleichfalls aufgehobenen landschaftlichen Collegien in den Provinzen getreten ist. (Vergl. übrigens den Art. Deutschland in den Nachtr. S. 284 n. 6.)

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 430-432.
Lizenz:
Faksimiles:
430 | 431 | 432
Kategorien: