Circe (Kirke)

[415] Circe (Kirke), eine Tochter des Helios und der Perse, Schwester des Aetes, berühmt als mächtige, durch Schönheitreiz und melodische Stimme verführerische Zauberin, welche im Westende der Insel Aäa einen Feenpalast bewohnte, den zahme Löwen und Wölfe bewachten. Sie brauete Liebestränke, übte oft und gern ihre übernatürliche Macht, und besaß vorzugsweise die Gabe der Verwandlung. Den römischen König Picus, der ihre Leidenschaft nicht erwiederte, verwandelte sie in einen Specht. Die Scylla wurde von ihr aus Eifersucht in jenes berüchtigte Ungeheuer verwandelt, das die Meerenge zwischen Sicilien und Calabrien so gefahrvoll machte, und als Odysseus (Uysses) auf seiner Fahrt ihr verrufenes Gebiet betrat, verwandelte sie durch Zaubertränke und das Berühren ihrer magischen Gerte zwei und zwanzig seiner Gefährten in Schweine, die jedoch ihre Vernunft behielten. Odysseus aber widerstand nicht nur ihrem Zauber, weil ihn Hermes (Merkur) mit kräftigern Gegenmitteln versehen hatte, sondern er be-[415] drohte die unheilvolle Schönheit sehr ernstlich, wenn sie seine Gefährten nicht entzaubern wollte. Sie fügte sich, und die Verwandelten gingen schöner, als sie zuvor gewesen waren, aus ihrer thierischen Metamorphose hervor. Und der Held Odysseus besiegte nicht nur Circe's Zaubergewalt, er besiegte auch ihr Herz, und aus dem anfänglichen Kampf und Streit entsprang ein schöner, süßtraulicher Friede. Ein ganzes Jahr weilte der Held im Genusse ungestörten, einträchtigen Beisammenseins bei der reizenden Zauberin, dann rieth und rüstete sie ihn zu einem Besuch im Reiche der Unterwelt, und zeigte ihm nach seiner glücklichen Rückkehr liebevoll den Weg in sein Heimathland. Ihre beiderseitige Liebe hatte zwei Söhnen, Agrios und Latinos, das Leben gegeben.

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Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 415-416.
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