Mahlschatz

[485] Mahlschatz, nannten unsere Vorfahren die eine Verlobung gleichsam besiegelnden Gaben, welche der Bräutigam seiner[485] Erkornen an diesem festlichen Tage entweder zusandte, oder brachte. Am Ende des 6. Jahrhunderts bestanden sie in einem Ringe und einem Schuh, dessen Annahme der bräutliche Kuß begleitete. Später traten Geldstücke an diese Stelle und man verwandte zum Mahlschatze eigens für diesen Zweck geprägte Münzen, Denars, auf deren Vorderseite sich zwei Lilien mit der Umschrift: Denier-Tournois (man sieht hieraus den altfranzösischen Ursprung) und auf der Rückseite ein Kreuz mit der Umschrift: Pour épouser, befanden. Noch jetzt bemerkt man in den niedern Ständen, namentlich bei den Landleuten mancher Provinzen, die gehenkelten Ducaten, oder auch Silbermünzen, als Mahlschatz-Spenden, und wenn gleich die sogenannte, seine Welt längst auch dieser alten, einfachen Sitte ent-sagte, so adoptirte sie doch dafür die beliebigen Verlobungsgeschenke, unter denen nur der Ring noch immer, wie schon in der ehemaligen abendländischen Kirche, seine frühern Rechte behielt, und noch heute bedeuten die darauf befindlichen, zusammengelegten Hände, junctio dextrae, wie es in den ersten Zeiten des Christenthums hieß, das treue Festhalten an einander in Noth und Tod, das Bräutigam und Braut sich gegenseitig geloben.

F.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 485-486.
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