Naubert, Benedicte

[373] Naubert, Benedicte, geborne Hebenstreit, eine viel gelesene Schriftstellerin, die bis kurz vor ihrem Tode ihren Namen dem Publikum verschwieg, denn ihre Bescheidenheit gefiel sich im Schatten der Verborgenheit. Ihre literarischen Arbeiten zeichnen sich durch tiefe Kenntniß des menschlichen Herzens, Gefühl für alles Schöne und Gute, genaue Bekanntschaft mit der Geschichte und einen blühenden Styl aus. Thekla von Thurn, Hermann von Unna, und Walther von Montbarry, gehören zu ihren frühesten Schriften, denen später noch viele andere folgten. Sie hat das Verdienst, nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Belehrung ihres Geschlechtes, und zur Veredlung desselben beigetragen zu haben. Ihr Charakter als Frau war eben so achtungswerth wie als Schriftstellerin. Ein einfacher, aber das Gute erkennender und mit Tüchtigkeit übender Sinn, Fleiß, der sie nicht allein bei allen weiblichen Arbeiten als Meisterin in denselben auszeichnete, sondern der auch in Sprachen und Künsten fast ohne alle Anleitung ihr ausgebreitete Kenntnisse zu erwerben wußte, und dabei ein von Milde und wahrer Religiosität tief durchdrungenes Gemüth machten sie in ihrem Kreise zu einem Gegenstande der allgemeinsten Achtung und Liebe. Sie spielte mit seltener Fertigkeit Pianoforte und Harfe, und dieß letztere Instrument gewahrte ihr in den traurigen [373] Jahren, wo der Verlust des Gesichtes sie in eine stete Nacht versenkte, einen großen Trost. Die Kunstfertigkeit im Sticken, mit der sie ganze Gegenden so wie charakteristische Scenen, die ihr vorkamen, mit der Nadel aufzufassen und geistreich darzustellen wußte, die Beschäftigung mit ihrem Haushalte, den ihre ordnungsliebende Umsicht lieber selbst verwaltete, als fremden Händen anvertraute, die Freude an der Natur, die ihren einsamen Spaziergängen einen so geheimnißvollen Zauber gab, der Genuß des Lesens, der ihrem Geiste eine unentbehrliche Nahrung gewährte, alles dieß ging mit dem Augenlichte für sie verloren, aber ihre starke Seele faßte sich in Demuth; bald hatte sie aus den Trümmern ihres einstigen Glückes sich einen Standpunkt erwählt, wie nur immer die Phantasie und der feste Wille einer armen Blinden auffinden konnte. Sie ließ sich vorlesen und dictirte die Werke, die sie nun nicht mehr selber niederschreiben konnte, Andern in die Feder, während ihre, alle Herzen gewinnende Milde, ihre Theilnahme an Wohl und Weh, und ihr klarer Verstand, der eben so sicher zu unterhalten als zu berathen und belehren fähig war, stets einen kleinen Kreis um sie her versammelte, dem es Bedürfniß schien, sich der edlen Frau zu nahen, um durch interessante Mittheilungen und Gespräche ihr Leben zu erheitern. Im Herbste 1818 verließ sie Naumburg, ihren bisherigen Wohnort, um nach Leipzig, ihrer Vaterstadt, sich zu wenden, wo sie durch eine Operation geheilt zu werden hoffte. Aber vergebens, eine Erkältung, in den letzten Tagen des Jahres 1818, ging in eine rheumatische Hals- und Brustentzündung über, die den 12. Januar 1819 ihr frommes und wirksames Leben beendigte. Sonderbar war es, daß schon in den letzten Monaten sie bei noch ungestörter Gesundheit eine leise Furcht vor dem Januar des kommenden Jahres verrieth. Dennoch war ihre ruhige Besonnenheit und Geistesgegenwart ihr treu bis zum Tode, und noch am Tage vor demselben ließ sie sich das Manuscript einer für den Frauenzimmer-Allmanach bestimmten Erzählung: Herzog Christian[374] von Eisenberg, vorlesen, um eine kleine Abänderung zu dictiren, da sie sich erinnerte, daß in diesen Tagen die Erzählung abgeliefert werden müsse. Ihre Schriften werden noch lange durch ihre einfache Natürlichkeit, die strenge Wahrheitsliebe, mit der sie geschichtliche Gegenstände behandelte, und die reine Tendenz, die sie hatten, den Unverbildeten ihres Geschlechtes eine anziehende und belehrende Unterhaltung gewähren. Sie war 1757 zu Leipzig geb., 2 Mal verheirathet und hat 55 Bände Romane und Erzählungen hinterlassen.

A.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 373-375.
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