Walzer

[380] Walzer. Dort steht er hoch oben der Walzerfürst Strauß, und der Bogen schwirrt über die Saiten, daß die Nerven, die seinen, zarten, springen möchten vor übermächtigem Reiz und Wollust.[380] Wer könnte da widerstehen? Der Carneval hat begonnen. Strauß und Lanner läuten ihn ein mit ihren Zaubermelodien, es ist heute die erste Tanzréunion. Da geht sie hin, die schlanke, zierliche Gestalt, mit den Rosen auf den Wangen und in den Haaren, freudestrahlend blickt ihr die liebende Mutter nach, sie gibt ja heute ihr erstes Debut auf den Bretern der Welt, die geliebte Tochter, warum sollte sie nicht damit beginnen, in Terpsichorens lachendem Tempel zu opfern? Wie sie dahin fliegt in den Armen ihres Tänzers, wie ihr das Herz schlägt, wie sich die Wangen immer höher färben, wie der Walzer immer wilder rauscht, wie die Kerzen immer heller und verworrener flammen, – bis sie endlich dahin sinkt, taumelnd vor Wonne und Müdigkeit. – Das war eine schöne Zeit, der herrliche Carneval, und sinnend am Arme der Mutter ergeht sich die Jungfrau im ersten Grün des jungen Frühlings. Warum aber den Kopf so gebeugt und die Wangen so bleich und die Augen so erloschen? Sollte vielleicht der böse Carneval mit seinen unendlichen Walzern? Ach nein, er ist ja ein deutscher Tanz der deutsche Walzer, seine Wiege stand ja in Böhmen und Oestreich, und hieß er auch sonst nur Länderer und bewegte sich im sanften Reigen und schilt ihn auch die Großmama, den Wiener, ein unartiges, ungerathenes Kind, so kann dochselbst jetzt Frankreich das graziöse, und England das steife, seinen Reizen nicht länger widerstehen, und man walzt an der Donau, der Seine und der Themse. Hören wir schlüßlich noch, wie die Gräfin von Genlis, diese königliche Hofmeisterin des jetzigen Königs von Frankreich, den Walzer definirt: Une jeune personne, légèrement drapée, se jetant dans les bras d'un jeune homme qui la presse contre son sein, et qui l'entraine avec une telle impétuosité, que bientôt elle éprouve un violent battement de coeur, et qu'é-perdue la tête lui tourne!... Voilà ce que c'est qu'une walse!

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Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 380-381.
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