Schlußfiguren

[294] Schlußfiguren (schêmata) sind die Formen von Syllogismen in bezug auf die Stellung des Mittelbegriffes. Möglich sind vier Schlußfiguren:

1) Mittelbegriff im Obersatz Subject, im Untersatz Prädicat:

M – P

S – M

S – P

2) Mittelbegriff im Obersatz und im Untersatz Prädicat:

P – M

S – M

S – P

3) Mittelbegriff im Obersatz und im Untersatz Subject:

M – P

M – S

S – P

4) Mittelbegriff im Obersatz Prädicat, im Untersatz Subject:

P – M

M – S

S – P.

Regeln für die erste Schlußfigur: 1) der Obersatz muß allgemein, 2) der Untersatz bejahend sein, 3) der Schlußsatz muß die Quantität (s. d.) des Untersatzes, die Qualität (s. d.) des Obersatzes haben. Für die zweite Schlußfigur: 1) Der Obersatz muß allgemein, 2) eine Prämisse negativ, 3) der Schlußsatz[294] verneinend sein. Für die dritte Schloßfigur: 1) der Untersatz muß bejahend, 2) der Schlußsatz particulär (s. d.) sein. Für die vierte (GALENische) Schlußfigur: 1) mit einem allgemein bejahenden Obersatze darf nicht ein besonders bejahender Untersatz verbunden werden, 2) keine Prämisse darf besonders verneinend sein.

Die ersten drei Schlußfiguren (schêmata tou syllogismou) hat ARISTOTELES aufgestellt (Anal. pr. I, 4 squ.). Die Schlußmodi (s. d.) der vierten Figur formuliert schon THEOPHRAST, die vierte Schlußfigur selbst aber wird dem GALENUS zugeschrieben (vgl. PRANTL, G. d. L. I, 570 ff.). Gegen die vierte Figur (als unnütz, künstlich) sind AVERROËS (In Anal. pr. I, 8), ZABARELLA (Opp. Log., De quarta fig. syll. 8 squ., p. 102 ff.), MENDOZA (Disp. log. X, 20), PETRUS RAMUS (Dial. inst. p. 543), CHR. WOLF, der alle Figuren auf die erste zurückführt (Philos. rational. § 343 f.), HOLLMANN (Log. § 453), PLATNER (Philos. Aphor. I, § 665) u. a. KANT (vgl. Log. § 67 f.): »Die Regel der ersten Figur ist, daß der Major ein allgemeiner, der Minor ein bejahender Satz sei. – Und da dieses die allgemeine Regel aller kategorischen Vernunftschlüsse überhaupt sein muß: so ergibt sich hieraus, daß die erste Figur die einzig gesetzmäßige sei, die allen übrigen zum Grunde liegt, und worauf alle übrigen, sofern sie Gültigkeit haben sollen, durch Umkehrung der Prämissen (metathesin praemissorum) zurückgeführt werden müssen« (l. c. § 69). »Man kann nicht in Abrede stellen, daß in allen... vier Figuren richtig geschlossen werden könne. Nun ist aber unstreitig, daß sie alle, die erste ausgenommen, nur durch einen Umschweif und eingemengte Zwischenschlüsse die Folge bestimmen, und daß eben derselbe Schlußsatz aus dem nämlichen Mittelbegriffe in der ersten Figur rein und unvermengt abfolgen würde« (Von der falsch. Spitzfind. d. vier syllog. Figur. § 5). Es ist unmöglich, »in mehr wie einer Figur einfach und unvermengt zu schließen, weil doch immer nur die erste Figur, die durch versteckte Folgerungen in einem Vernunftschlusse verborgen liegt, die Schlußkraft enthält und die veränderte Stellung der Begriffe nur einen kleineren oder größeren Umschweif verursacht, den man zu durchlaufen hat, um die Folge einzusehen« (l. c. § 6, WW. II, 63 ff.). – Für die vierte Schlußfigur sind (vor Kant) RÜDIGER (De sensu veri et falsi II, 6, § 36 ff.), LAMBERT (Neues Organ. I, § 237 ff.), (nach Kant) TWESTEN (Log. § 110). Vgl. KRUG, Handb. d. Philos. I, 193 f.: secundäre Rolle des Mittelbegriffs. Diss. de syllogismor. figur. 1808. Log. § 101 ff.

Nach SCHOPENHAUER sind die drei ersten Schlußfiguren »der Ektypos dreier wirklicher und wesentlich verschiedener Denkoperationen«. Der Mittelbegriff hat nur eine secundäre Rolle. Die vierte Figur ist »bloß die mutwillig auf den Kopf gestellte erste, keineswegs aber der Ausdruck eines wirklichen und der Vernunft natürlichen Gedankenganges« (W. a. W. u. V. II. Bd., C. 10). Gegen die vierte Schlußfigur sind HERBART, TRENDELENBURG, ROSMINI (nur eine rechtmäßige Figur, Log. § 606 ff.) u. a. Vgl. HAGEMANN, Log. u. Noët. 53. 59 ff.. ÜBERWEG, Log.. GUTBERLET, Log. u. Erk.2, S. 70 ff.. B. ERDMANN, Log. l, 495 ff.. HILLEBRAND, Die neuen Theor. d. kateg. Schl. S. 72 ff.. RABIER, Log. p. 50 ff., u. a. Vgl. Reduction.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 294-295.
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