5. Zu Vegez.

[245] Völlig abgesehen für die Geschichte des römischen Heerwesens im 4. Jahrhundert habe ich von der Schilderung, die Vegez im 20. Kap. des ersten Buches gibt. RÜSTOW in der Geschichte der Infanterie. Bd. 1, S. 52 hat sie, wie viele andere, verwertet. Sieht man aber seine eigene Darstellung genauer an, so muß man schon aus ihr den Schluß ziehen, daß die ganze angebliche Erscheinung eine Unmöglichkeit ist. Vegez behauptet, daß das römische Fußvolk bis auf die Zeit Gratians mit Harnischen und Helmen ausgerüstet gewesen sei, diese Schutzwaffen jedoch seitdem, weil sie[245] den zuchtlosen Soldaten zu schwer gewesen seien, abgelegt habe. Wie soll dieses römische Fußvolk ohne Schutzwaffen ausgesehen haben? Wurden die Römer etwa nur noch als leichte Truppen verwandt? Das ist unmöglich; denn zur Ausbildung eines brauchbaren Bogners, Schleuderers oder Peltasten gehört noch mehr, als zu der eines Hopliten. Hopliten aber ohne Schutzwaffen gibt es nicht. Ich halte diese ganze Schilderung nur für einen weiteren Beweis dafür, daß Vegez ein weltfremder Literat war, der nur nach gelehrten Quellen und Hörensagen sein Werk schrieb; das einzige, was man aus dieser Schilderung schließen könnte, ist, daß es damalige eigentliche römische Soldaten überhaupt nicht mehr gegeben hat, sondern daß der Staat nur noch Barbaren im Dienste hatte. Was Vegez berichtet, ist irgend ein leeres Gerede, das ihm zu Ohren gekommen ist. Auch die einzelnen Wendungen seiner Schilderung bestätigen das. Mit Zorn und Trauer berichtet er, wie die ungeschützten Römer den Gothen unterlegen seien. Aber nicht etwa dem Ansturm der Goten mit Spießen, Schwertern oder Beilen, sondern ihrem Pfeilhagel. Wiederum den Mangel der Rüstung bezieht er nicht auf die römischen Hopliten, sondern auf Bogenschützen, die, da sie einen Schild nicht tragen könnten, notwendig Helm und Harnisch haben müßten. Man sieht, hier fließen alle Begriffe und Tatsachen durcheinander. Die ganze Schilderung ist daher als wertlos zu verwerfen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 245-246.
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