Die beiden hospites


Die beiden hospites.

[354] GAUPP, BINDING, JAHN, KAUFMANN sind darin einig, immer einem römischen hospes einen Burgunder gegenüberzustellen, der mit jenem geteilt hat. SALEILLES hat dagegen darzutun gesucht, daß mehrere Titel der lex Gundobada, besonders Tit. 67, nicht anders verstanden werden können, als daß mehrere burgundische hospites einem Römer gegenüberstehen. Das trifft mit unserer Auffassung zusammen. Tit. 67 lautet: »Quicumque agrum aut colonicas tenent, secundum terrae modum vel possessionis suae ratum sic silvam inter se noverint dividendam. Romano tamen de silvis medietatem in exartis servata«. Binding hält den zweiten Satz für interpoliert.

Entgegenzustehen scheinen Tit. 13 und Tit. 31. Tit. 13 lautet: »Si quis tam Burgundio quam Romanus in silva communi exartum fecit aut fecerit, aliud tantum spatii de silva hospiti suo consignet et exartum, quem fecit, remota hospitis commotione (communione) possideat«. Tit. 31 lautet: »Quincumque in communi campo nullo contradicente vineam fortasse plantaverit, similem campum illi restituat, in cujus campo vineam posuit«. In beiden Titeln sind offenbar nur zwei Mitbesitzer des communis campus vorausgesetzt. Die Erklärung wird sein, daß an gemeine Burgunder, die Wälder roden oder Weinberge anlegen könnten, noch gar nicht gedacht wird. Zu dieser Höhe der Wirtschaftlichkeit verstiegen sich höchstens Vornehme. Der gemeine Geschlechtsgenosse (faramannus), der mit 20 oder 30 anderen in einem Dorfe angesiedelt war und mit diesen zusammen Anspruch auf die Hälfte der gemeinsamen Weide und des gemeinsamen Waldes hatte, hätte daraus allerdings nicht beliebig ein Stück für sich okkupieren, einen Weinberg anlegen und den römischen Mitbesitzer durch ein ebensolches Stück abfinden können und noch weniger umgekehrt der Römer die sämtlichen Burgunder.[354]

Daß sich überhaupt das Bedürfnis nach solchen Bestimmungen, die sich ähnlich bei den Westgoten finden, aufkam, wird wohl weniger von dem Wirtschaftseifer der Germanen herzuleiten sein, als von dem Bedürfnis der Römer, die sich für abgetretenes Ackerland durch Neurodungen in dem gemeinsam gebliebenen Walde zu entschädigen suchten.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 354-355.
Lizenz: