Pistolen


Pistolen.

[56] Schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sind auch Schußwaffen für Reiter konstruiert worden76, und Ende des 15. Jahrhunderts bildete Camillo Vitelli ein Korps berittener Schützen77. Aber sie gingen wieder ein, und noch im Jahre 1535, als Kaiser Karl V. Jovius seinen Feldzug in Tunis erzählte, fügte er hinzu, daß er beabsichtige, wieder Armbrustschützen zu Pferde[56] einzurichten. Eine hinreichend brauchbare Feuerwaffe für den Reiter scheint dem Kaiser also damals noch nicht vorgeführt worden zu sein. Wenige Jahre später erfahren wir wieder von Jovius, daß die Reiter des Kaiserlichen Heeres im Besitz von Radschloßpistolen waren. Als nämlich Stuhlweißenburg vor dem Sultan Soliman im September 1543 kapitulieren mußte, wurde der Besatzung freier Abzug mit ihrem Eigentum bewilligt, und die Kapitulation wurde von den Türken auch gehalten mit der einen Ausnahme, daß sie den Abziehenden ihre Radschloßpistolen abnahmen, deren wunderbare Konstruktion ihre Neugier und ihre Begierde erregte. Im nächsten Jahre, 1544, werden sie von Landsknechten zu Fuß in der Schlacht bei Ceresole verwandt78 und Karl V. selbst erzählt uns in seinen Memoiren, wie die pistolets oder petites arquebuses der deutschen Reiter den Franzosen in einem Gefecht bei Châlons übel mitgespielt hätten79. Schmalkaldischen Kriege erwähnt sie der spanische Historiker Avila noch mit der Umschreibung »zwei Spannen lange Arkebusen« oder »kleine Arkebusen«. Der Name Pistolen hat sich also noch nicht durchgesetzt80.

1547 hörten wir aus Frankreich, daß die berittenen Schützen, statt der Bogen, die sie getragen, ehe »diese Teufelei von Pistolen erfunden wurde«, jetzt mit diesen bewaffnet seien81.

Das Radschloß, welches die Pistole für den Reiter brauchbar machte, beruhte darauf, daß ein scharfgezahntes Rad, von einer aufgezogenen Feder in Bewegung gesetzt, einem Schwefelkies Funken entlockte, die das Pulver auf der Pfanne entzündeten. Diese Art Schloß hatte jedoch in der Praxis so große Mängel, daß für den Fußgänger das Luntenschloß vorteilhafter blieb82.[57]

Zum Schluß sei noch die folgende Stelle aus des Züricher Hauptmanns, LAVATER, Kriegs-Büchlein (1644) hieran angeführt (S. 65).

»Wann aber ein Soldat ein eysen, zinne, in speck gegossen, gekäuwete, gehauwene oder gevierte Kugel schisset, so solt du ihme kein Quartier halten. Alle die gezogene Rohr und Frantzösische Füse führen, haben das Quartier verwürckt. Item, alle diejenigen, die von eysen geschrote, viereckige, und andere geschröt, und Stahel schiessen, oder geflammete Dägen haben, solt du todt schlagen.«


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 56-58.
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