Die schwedische Ordonannz.

[209] Über die schwedische Infanterie-Taktik sind wir anscheinend sehr gut unterrichtet. Außer den Nachrichten im Theatrum Europäum und bei Chemnitz haben wir die beiden Spezialschriften »Arma Suecica« von Arlanibaeus (1631) und »Kriegskunst nach Königlicher Schwedischer Manier« von Traupitz245 (1633), und 20 Zeichnungen seiner Schlacht-Aufstellungen 1630 bis 1632 von der Hand des Königs selbst, publiziert im Archiv für schwedische Kriegsgeschichte Bd. I (1854). Aber es ist keine Harmonie zwischen diesen Quellen.

Nach Rüstows Berechnung gehören zu einer Brigade 576 Pikeniere und 432 Musketiere. Traupitz aber sagt, daß die Schweden 2/3 Schützen und 1/3 Pikeniere hätten, und polemisiert, obgleich er auch für diesen Fall seine Vorschriften gibt, eingehend gegen ein Bestreben, beiden Waffen die gleiche Stärke zu geben.

Man könnte diesen Widerspruch zwischen der Rüstowschen Darstellung und dem Traupitzschen Zeugnis noch dadurch ausgleichen, daß bei der Brigade-Aufstellung ein Teil der Musketiere nicht zur Verwendung kommt. Auch Rüstow selber nimmt das an. Immerhin ist die Differenz für diesen Ausgleich doch wohl zu groß.

Des weiteren stimmen aber auch die Zeichnungen nicht. Auf den Zeichnungen des Königs selbst sind vor die Hauptfront der Brigaden zwei Haufen hintereinander vorgeschoben. Dieselbe Gestalt zeigen die Jornschen Brigaden in ihrer ursprünglichen Stellung auf dem Schlachtplan von Breitenfeld im Theatrum Europäum. Was diese Haufen zu bedeuten haben, ob es Pikeniere oder Musketiere sein sollen, darüber bin ich noch zu keinem sicheren Ergebnis gekommen.[209]

Traupitz teilt die Kompanie (mit Offizieren 156 Köpfe) in drei Squadronen, jede zu 48 Mann, 6 Mann tief und 8 Mann breit, in der Mitte die Squadron der Pikeniere, rechts und links eine Squadron Musketiere. Zwischen den Squadronen sind Intervalle, die zwar nur auf »3 oder 4 langer Elen« Breite angegeben werden, in die aber auf der Höhe des letzten Gliedes je zwei Geschütze gestellt werden sollen, was räumlich kaum angängig erscheint. Diese Geschütze selber aber sind sehr wichtig.

Gegen Kavallerie schiebt sich die Pikenier-Squadron vor, aber die Musketiere decken sich nicht hinter ihr, sondern stehen nur ein Stück weiter zurück.

Alle die Haufen, sowohl die einzelnen wie die dreifach gegliederten, sind im Text des Theatrum Europäum immer als »4 Fahnen zu Fuß« bezeichnet. Der Unterschied zwischen der Zeichnung Gustav Adolfs und der im Theatrum Europäum ist, daß die vorgeschobenen Haufen im letzterem frontal weit kürzer sind.

Beim ersten Treffen ist deutlich zu sehen, daß die Haufen alle gleichmäßig aus Pikenieren mit Schützen an beiden Flanken entlang bestehen. Da die Haufen sehr tief gezeichnet sind, so sehen die Schützen wie Umkleidung aus.

Auf den Zeichnungen des Königs sind meist nur geringe Intervalle zwischen den einzelnen Truppenteilen, manchmal auch große.

Die erste Aufstellung für ein Gefecht bei Stettin hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Aufstellung der Böhmen auf dem weißen Berge. Allem Anschein nach liegt ein gemeinsames Muster zugrunde. Bei Gustav Adolf aber ist nicht die Kavallerie zwischen die Infanterie verteilt, sondern steht auf den Flügeln.

Traupitz (S. 28-45) beschreibt und zeichnet 5, eigentlich 6 Schlachtordnungen, die die Kompagnie aus der Normalstellung heraus bilden können soll. Jede ist auf einen besonderen taktischen Fall berechnet; der Capitän soll nur zu kommandieren brauchen: »Stellet euch, der Feind präsentiert sich mit seiner Infanterie, Kavallerie, seiner ganzen Macht u.s.w.« Dann sollen sofort die Unterführer die geeigneten Kommandos geben, um die für den bezeichneten Fall eingeübte Aufstellung einzunehmen.

Mit Genauigkeit werden die einzelnen Evolutionen präzisiert. Nicht bloß die einzelnen Korporalschaften, sondern sogar die halben Korporalschaften werden einzeln verschoben.

Aus der Schilderung der schwedischen Taktik Arma Suecica (Arlanibaeus) 1631 ist nichts weiter zu entnehmen, als daß alle Waffen sich gegenseitig unterstützten, daß die Schützen flach standen, und daß die Schützen sowohl durch Pikeniere wie durch Kavallerie gedeckt wurden.

Als der Vorzug einer solchen Schlachtordnung wird nicht ihre Offensivkraft, sondern ihre Unangreifbarkeit gerühmt.[210]

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 209-211.
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