Friedrich und Torstensson.

[384] Vergleichen wir die letztskizzierten Feldzüge Friedrichs mit einigen Feldzügen TORSTENSSONS428.

Torstensson brach, nachdem er das Kommando der schwedischen Armee in der Altmark übernommen, plötzlich von da auf (1642), zog durch Schlesien bis nach Mähren, eroberte Glogau und Olmütz, belegte diese Festungen mit Garnisonen, wich dann wieder zurück und schlug ein kaiserliches Heer bei Leipzig (2. November 1642). Im nächsten Jahr zog er abermals nach Mähren, ging zurück, ohne daß er es zu einer Schlacht bringen konnte, und folgte einem Befehl seiner Regierung, Dänemark niederzuwerfen. Die Kaiserlichen unter Gallas folgten ihm bis nach Holstein. Torstensson manövrierte sie wieder zurück und brach in Böhmen ein, mit der Absicht, »eine post an der Donau zu fassen« und sich dann wieder zu seiner Basis (seiner »Correspondenz-Linie«) »zurück zu arbeiten«. Die Kaiserlichen rafften ihre Truppen zusammen; auch Sachsen und Bayern, diese unter Johann von Werth, stießen zu ihnen und es kam zur Schlacht bei Jankau (6. März 1645). Die Kräfte sind auf beiden Seiten etwa gleich; die Kaiserlichen unter Hatzfeld 5000 Mann Infanterie, 10000 Mann Kavallerie, 26 Geschütze; die[384] Schweden 6000 Mann Infanterie, 9000 Mann Infanterie, 60 Geschütze. Auf beiden Seiten wurde mit der höchsten Bravour gefochten. Die Schweden gewannen den Sieg durch die überlegene, sichere Führung, weil die Kaiserlichen die Schlacht angenommen hatten auf einem Gelände, das der Waffe, in der sie überlegen waren, der Kavallerie ungünstig war, und einige Generale auf eigene Faust den Intentionen des Feldherrn entgegenhandelten429.

Torstensson kam bis vor die Tore Wiens, nahm den Brückenkopf, die Wolfsschlange und die beiden festen Plätze Kornneuburg und Krems an der Donau. Aber für die Einnahme von Wien selbst blieb er mit seinen kaum 15000 Mann zu schwach und auch eine vier Monate lange Belagerung von Brünn führte nicht zum Ziel. Krems ist mehrere Monate, Kornneuburg anderthalb Jahre, Olmütz aber bis zum Ende des Krieges in der Hand der Schweden geblieben. Torstensson hat also keinen Grund, »dem Kaiser recht ins Hertze zu greifen«, erreicht ihn aber direkt zum Frieden zu zwingen, dazu reichte es doch nicht. Torstensson, ganz ebenso wie Friedrich, hat das Bewußtsein, der bessere Fechter zu sein und strebt nach der Schlachtentscheidung, aber er so wenig wie Friedrich ist imstande, die Schlachtentscheidung zu steigern zur Entscheidung des Krieges. Beide können nur nach den Grundsätzen der Ermattungsstrategie handeln; Torstensson kommt dabei weiter als Friedrich, dieser aber gelangt doch schneller zum Ziel. Wie ist das zu erklären?

Wir haben schon gesehn, daß Torstenssons Armee viel beweglicher war als diejenige Friedrichs, sowohl wegen ihrer Kleinheit wie wegen ihrer Zusammensetzung, des Überwiegens der Kavallerie. Es gab aber noch einen besonderen Grund, weshalb Torstensson noch kühner operieren und vorgehen konnte als Friedrich. Dieser hatte das Bewußtsein, daß, wenn sein Heer vernichtet würde, auch sein Staat verloren wäre. Deshalb hat er 1741 dem in fester Stellung verharrenden Gegner die Schlacht nicht aufgenötigt, 1742 nur in der Verteidigung geschlagen, 1744 sich nur bis Budweis vorgewagt und Böhmen ohne Schlacht wieder geräumt, 1745 trotz des Sieges von Hohenfriedberg nach drei Tagesmärschen schon wieder Halt gemacht. Torstensson wagte[385] die Schlacht mitten in Böhmen und stieß vor bis an die Donau, weil er im äußersten Falle wohl sein Heer riskierte, aber nicht den Staat. So erwog schon der schwedische Senat, als Gustav Adolf übers Meer ging, daß eine in Deutschland verlorene Armee Schweden in seiner Verteidigung nicht wesentlich schwächen würde, weil dasselbe noch 30 große Schiffe und die Landmiliz übrig behalte430 und dieselbe Erwägung berichtet Chemnitz aus dem Kriegsrat vor der Schlacht bei Breitenfeld431: »die Monarchie sei so weit, dazu über Meer gelegen, daß sie seinen großen Hasard ihres stats laufe oder etwas Widriges hauptsächlich zu befahren habe«. Friedrichs schneller Erfolg ist deshalb nicht allein durch seine militärischen Erfolge, sondern politisch zu erklären. Maria Theresia ließ sich bereit finden, ihm nach 11/2jährigen Kampf eine große reiche Provinz abzutreten, um sich ihrer anderen, stärkeren Gegner erwehren zu können. An dieser Stelle, in der Vereinigung von Strategie und Politik ist es, wo der Friedrich der beiden ersten Schlesischen Kriege gesucht werden muß. Wenn man gemeint hat, Friedrichs Politik und Kriegführung in dieser Zeit sei charakterisiert durch die Tendenz: kein langer Krieg, kurze und kräftige Schläge und dann sobald wie möglich ein vorteilhafter Friede, so gibt dieser Satz doch mehr einen frommen Wunsch des Königs wieder, als daß er sein wirkliches Handeln bezeichnete. Wo sind die kurzen und kräftigen Schläge, die er geführt haben soll? Bei Mollwitz mußte er schlagen, weil er abgeschnitten war; bei Chotusitz wurde er selber angegriffen; 1744 schlug er überhaupt keine Schlacht; bei Soor ist er ebenfalls der Angegriffene; die kurzen und kräftigen Schläge, sind allein Hohenfriedberg und Kesselsdorf. Der Friede aber, der 1745 folgte, war keineswegs vorteilhaft, sondern bestätigte nur den Besitzstand. Auch für Friedrichs richtige Würdigung als Strategien ist es unerläßlich, im Auge zu behalten, daß der entscheidende Gedanke, mit dem er seine große Laufbahn eröffnet, der politische ist, dem die zugleich kühne und vorsichtige Strategie als Hilfsmittel dient.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 384-386.
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