1759.

[412] Mit dem vierten Kriegsjahre tritt in die Strategie Friedrichs eine Änderung ein, insofern er sich jetzt entschließt, den Grundsatz der strategischen Defensive anzunehmen, so wie er ihn ursprünglich schon im Jahre 1757 ins Auge gefaßt hatte. Er will sich jetzt innerhalb seiner Grenzen (eingeschlossen Sachsen) halten und die Gegner herankommen lassen. Die beiden großen Offensiven von 1757 und 58 waren ja bei Prag und Olmütz gescheitert; die daraus folgende Defensive aber war gelungen. Er selber gibt als Grund in einer Ende 1758 aufgesetzten Denkschrift die verbesserte Verteidigungskunst der Österreicher an. Sie habe es in der Verteidigung zur Meisterschaft gebracht durch ihre Lagerkunst, ihre Marschtaktik, ihr Artilleriefeuer. Mit beiden Flügeln gut angelehnt, von unendlichen Geschützmassen umgeben und unterstützt, stehen sie regelmäßig in drei Linien: die erste mit einem sanft abfallenden Abhang vor sich, so daß das Feuer mit äußerster Rasanz wirke; die zweite auf der Höhe so verschanzt, daß hier erst der schwerste Kampf entbrennen wird; sie ist mit Kavallerie vermischt, die bei dem ersten Wanken des Angreifers alsbald vorbrechen und einhauen wird; die dritte Linie ist bestimmt, den Punkt zu verstärken, auf den der Angreifer seine Hauptkraft richtet. Die Flanken sind mit Kanonen besetzt, wie eine Zitadelle. Kavallerieangriffe, wie sie noch vor kurzem für die Einleitung der Schlacht die Regel bildeten, erscheinen angesichts solcher Stellungen und solcher Artilleriemassen ganz untunlich; die Kavallerie ist vielmehr zunächst zu refusieren und erst für die letzte Entscheidung und für die Verfolgung einzusetzen.

Seine Hoffnung war nun, daß die Österreicher sich durch ihr Bestreben, Schlesien zu erobern, endlich verlocken lassen würden, in die Ebene hinabzusteigen und ihm dort die sehnlich erwünschte Gelegenheit zum Angriff bieten. Da Daun dazu zu vorsichtig war, so hat Friedrich sich endlich von ihm abgewandt und den[412] Russen in der Neumark den Schlag beizubringen versucht. Dreimal hat er diesen Versuch wiederholt, bei Zorndorf (25. Mai 1758), bei Kay (23. Juli 1759), bei Kunersdorf (12. August 1759). Bei Zorndorf schon 1758 war der Erfolg ungenügend; bei Kay und Kunersdorf wurden im nächsten Jahr die Preußen vollständig geschlagen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 412-413.
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