4. Die judäischen Ethnarchen oder Alabarchen in Alexandria.

[631] Die Alabarchenfrage ist in den letzten Jahren vielfach ventiliert worden, aber zum befriedigenden Abschluß ist sie noch nicht gekommen. Schürer, der letzte, der sie behandelt hat in seinem Lehrbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte S. 626 fg. und in Hilgenfelds Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 1875, S. 13-4058, hat sie keineswegs erschöpft. Er hat nur die eine Seite derselben, sozusagen die etymologische, endgiltig zum Austrag gebracht, was von Vorgängern bereits angedeutet oder hingeworfen worden war. Die judäisch-historische Seite dagegen, welche Bedeutung die Alabarchenwürde oder das Alabarchenamt für die ägyptischen Judäer hatte, hat er ebensowenig klar gemacht, wie die Vorgänger. Erst wenn die historische Seite mit der etymologischen in Harmonie gesetzt sein wird, kann die Frage als gelöst angesehen werden. Versuchen wir, sie von der historischen Seite in Angriff zu nehmen.

Es ist authentisch bezeugt, daß die in Ägypten oder in Alexandrien wohnenden Judäer eine Art Oberhaupt hatten, welchem dreierlei Funktionen [631] zustanden: die administrative, richterliche und kommerziell-politische (nach Strabo, wovon weiter unten). Dieses Oberhaupt wird als Ethnarch bezeichnet. Einmal wird dieser Leiter mit dem Namen Genarch genannt. Beides bedeutet einen angesehenen Mann an der Spitze einer Volksklasse, welcher einem Souverän verantwortlich ist. Dieses Amt oder diese Würde ist aber erst für die augusteische Zeit bezeugt. Aus derselben Zeit wird aber auch das Vorhandensein eines Amts- oder Würdentitels bezeugt, welcher Alabarch lautet. Die Frage entsteht nun: sind die beiden Titel identisch oder nicht, und was bedeutet der letztere? Sieht man sich nämlich zwei Stellen, wo Josephus von Alabarchen spricht, genau an, so erhält man den Eindruck, daß es eine Art fürstlicher Würde gewesen sein muß, mit welcher der Inhaber bekleidet war. Das eine Mal (Antiq. XX, 5, 2) gebraucht er, um die Bedeutung des Alabarchen Alexander, des Vaters des Tiberius Alexander, zu bezeichnen: Ἀλεξάνδρου τοῠ ἀλαβαρχἠοαντος ἐν Ἀλεξανδρείᾳ Alabarchisieren bedeutet doch viel mehr [?] als bloß ein beschränktes Amt verwalten. An einer andern Stelle (das. 7, 3) sagt Josephus von einem Alabarchen Demetrios aus, mit dem der König Agrippa II. sich verschwägert hat, er habe die Alabarchie inne gehabt: τότε δὴ καὶ τὴν Ἀλαβαρχίαν αὐτὸς εἶχε. Josephus will an dieser Stelle eigentlich die Verbindung motivieren, wie denn der judäische König, der die eine Schwester an den König von Cilicien verheiratet hatte, die andere Schwester einem Demetrios gegeben hat: es sei keineswegs eine Mißheirat gewesen, denn dieser Demetrios gehörte durch Abstammung und Reichtum zu den Ersten, und außerdem hatte er damals die Alabarchie inne. Daraus folgt ohne weiteres [?], daß es nicht eine bloße untergeordnete Beamtenfunktion, sondern eine höhere Würde gewesen sein muß. Auch aus der Stelle, welche N. Brüll zu dieser Frage glücklich herbeigezogen hat (Geigers Zeitschrift für Wissenschaft und Leben III Ig., 1864-1865, S. 281), geht dasselbe hervor. Ein R. Josê erklärt das Wort ךרבא in der Genesis durch סיכרבל, und dieses definiert er, daß alles unter seiner Verwaltung stehe (Sifré zu Deuteronom, 1, 1): אלא ךרבא ןיאש ... תקסמרוד ןב יסוי ר רמא ותוא ןותנו רמאנש ודי תחת םיאצויו םיסנכנ לבה ויהש סיכרבל םירצמ ץרא לכ לע59. Brüll hat sehr treffend סיכרבל auf Alabarches zurückgeführt. Im zweiten Jahrhundert, in welchem dieser Josê gelebt hat, muß demnach der Alabarch noch eine hohe Stellung eingenommen haben. Offenbar hatte dieser Josê einen judäischen Würdenträger im Sinne, der noch zu seiner Zeit in Ägypten in Ansehen gestanden haben muß. Denn er vergleicht diesen סיכרבל mit Joseph in Ägypten und dessen Würde mit der des ךרבא, mit welcher Pharao Joseph benannt hat. Mag die Alabarchie im vierten Jahrhundert zum Zollamt herabgesunken sein, wovon w.u., in der vorangegangenen Zeit hatte der Titel noch einen vollen Inhalt [?], der ἀρχἠ entsprechend.

Aus Philos Darstellung ergibt sich keineswegs, daß dieses Amt in Augustus' Zeit aufgehört hatte (in Flaccum 10, ed. Mangey II, 257 ff.). Er will in der Auseinandersetzung die Leiden der alexandrinischen Judäer unter Caligula durch den Präfekten Flaccus schildern. Die Ruchlosigkeit des gegen die alexandrinischen Judäer in Haß entbrannten Flaccus will er dadurch noch mehr pointieren, daß dieser auch eine unerhörte Untat begangen habe: ἐπενόƞσεν ἔκτοπόν τινα καὶ παρƞλλαγμένƞν ἐπίϑεσιν. Er habe nämlich 38 [632] von dem judäischen Senate, den Augustus selbst nach dem Tode des (judäischen) Genarchen auf besondern Befehl an den Statthalter Magnus Maximus erwählt hatte, ergreifen, binden, schimpflich behandeln und geißeln lassen. Τῆς γὰρ ἡμετέρας γερουσίας, ἣν ὁ σωτὴρ καὶ εὐεργέτƞς Σεβαστὸς ἐπιμελƞσομένƞν τῶν Ἰουδαϊκῶν εἵλετο μετὰ τὴν τοῠ γενάρχου τελευτὴν διὰ τῶν πρὸς Μάγνον Μάξιμον ἐντολῶν ... ὄκτω καὶ τριάκοντα συλλαβὼν τοὺς εὑρεϑέντας ... δῆσαι ... κελεύει ... Ist damit gesagt, daß Augustus überhaupt das Amt des Genarchen oder Ethnarchen aufgehoben und statt dessen einen Senat zur Verwaltung der judäischen Angelegenheiten eingesetzt habe? Keineswegs [?]. Philo hebt lediglich Flaccus' Frechheit hervor, daß dieser den von Augustus' Majestät selbst eingesetzten Senat, welcher da durch eine gewisse Unverletzlichkeit beanspruchen durfte, wie ganz gemeine Verbrecher aus der niedrigsten Volksklasse habe züchtigen lassen. Genau genommen, deutet Philo damit an, daß Augustus den ihm anhänglichen alexandrinischen Judäern einen besonderen Beweis von Gnade habe geben wollen. Man muß sich erinnern, was das zu bedeuten hatte. Augustus hatte den griechischen Alexandrinern wegen ihres Hanges zu Neuerungen nicht gleich den übrigen Städten gestattet von einem Kollegium regiert zu werden (Dio Cassius 51, 17): τοῖς δὲ Ἀλεξανδρεῠοιν ἄνευ βουλευτῶν πολιτεύεσϑαι ἐκέλευσε 60. Indem Augustus den Judäern Alexandriens ein Kollegium gewährte, räumte er ihnen ein Vorrecht ein. Die von ihm gewissermaßen designierten judäischen Senatoren durften daher als eximiert gelten. Die Angabe »nach dem Tode des Genarchen,« bildet in diesem Passus lediglich ein chronologisches Moment, ebenso wie die ausführliche Angabe, daß der Befehl dazu an Magnus (Manius) Maximus ergangen sei, als dieser zum zweiten Male zum ἐπίτροπος (Prokurator) von Ägypten designiert worden war.

Das Verhältnis kann auch gar nicht anders gedacht werden. Es ist ja historisch bezeugt, daß in der augusteischen Zeit die judäischen Ethnarchen nicht aufgehört haben61. Augustus selbst hat, als ein Ethnarch gestorben war, gestattet oder nicht verhindert, daß die Ethnarchie fortbestehen soll, wie ein Edikt des Kaisers Claudius ausdrücklich hervorhebt (bei Jos. Ant. XIX. 5, 2) ἅμα καὶ καϑ᾽ ὃν καιρὸν Ἀκύλας ἦν ἐν Ἀλεξανδρείᾳ τελευτἠσαντος τοῠ τῶν Ἰουδαίων ἐϑνάρχου τὸν Σεβαστὸν μὴ κεκωλυκέναι ἐϑνάρχας γίγνεσϑαι. Dieses Edikt ist für unsere Frage von großer Wichtigkeit. Es ist zunächst nicht zu übersehen, daß der Plural in diesem Passus gebraucht wird. Augustus hat nicht verhindert, daß nach dem Tode eines Ethnarchen noch einige solche weiter bestehen sollten. Dasselbe sagt ja auch Strabos Bericht. Wenn dieser Geograph und scharfe Beobachter tradiert (bei Jos. Ant. XIV. 7, 2), und zwar im Tempus der Gegenwart: »Ein großer Teil der Stadt Alexandrien ist diesem Volke (den Judäern) zugewiesen. Es besteht auch ihr Ethnarch, welcher das Volk sowohl regiert, als auch die Rechtsstreitigkeiten [633] entscheidet, für die Handelsverträge und (kaiserlichen) Verordnungen Sorge trägt,« so gibt er offenbar die Erfahrung wieder, die er selbst an Ort und Stelle gemacht hat. Nun war Strabo in@ Jahre 24 ante in Ägypten, also zu Augustus' Zeit. Folglich ist auch von dieser Seite die Fortdauer der judäischen Ethnarchie in Alexandrien zu dieser Zeit bezeugt. Allerdings könnte Augustus nach dem I. 24 die Ethnarchie aufgehoben haben, wenn sich nachweisen ließe, daß der ägyptische Präfekt Manius Maximus nach Aquila fungiert hat. Allein die Aufeinanderfolge dieser beiden Präfekten ist eben so ungewiß, wie ihre Amtszeit. Bekannt sind nur die Präfekten Cornelius Gallus (bis 26 ante), Älius Gallus (26-22), während dessen Funktion Strabo in Ägypten war, ferner Petronius (22 bis x, vergl. hierüber Mommsen Monument. Ancyranum p. 74 ff.), dann werden noch genannt Turanius auf einer Inschrift mit unleserlichem Datum, doch etwa zwischen 13-11 ante, und Publius Octavius (um 1). Für Aquila und Maximus gibt es gar keine Anhaltspunkte für ein Datum. Hätte nun der erstere nach dem letztern fungiert, so wäre erwiesen, daß Augustus auch nach dem Tode des Maximus die Ethnarchie hat fortbestehen lassen. Aber selbst im umgekehrten Falle geht aus Claudius' angeführtem Edikt der Fortbestand derselben hervor.

Das Sachverhältnis muß indessen so gedacht werden: die Judäer Alexandriens hatten schon vor Augustus einen Stammesgenossen an der Spitze, welcher ihre administrativen, gerichtlichen und handelspolizeilichen Angelegenheiten leitete; er war Ethnarch oder Genarch, d.h. leitete den eigenen Volksstamm, daher die Benennungen ἐϑνάρχƞς und γενάρχƞς. Augustus bestimmte, daß noch dazu eine judäische Gerusia, ein Kollegium, fungieren sollte. Das war, wie gesagt, für die Judäer ein Gnadenzeichen und ein Vorrecht; denn er gewährte den Judäern ein Ratskollegium mit eigener Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Ihnen lag nämlich an der Erhaltung ihrer Gerechtsame und Privilegien und überhaupt an einer gewissen von den römischen Behörden unabhängigen Stellung außerordentlich viel, denn im judäischen Wesen war das Religiöse mit dem Juridischen und Administrativen eng verbunden. So konnte z.B. bei einer Vorladung vor Gericht eine Sabbatverletzung eintreten, worüber sich in Augustus' Zeit die kleinasiatischen und kyrenäischen Judäer beklagt haben. Hatte nun die alexandrinische Gemeinde einen eigenen Oberrichter, eben den Ethnarchen, – während die Griechen in Ägypten dem vom Kaiser ernannten juridicus Alexandriae, einem Römer, unterworfen waren62 – so konnten ihre Glieder nicht gezwungen werden, ihre Religionsgesetze zu übertreten. In der Urkunde hebt Claudius hervor, Augustus habe den Judäern Alexandriens ihre δίκαια (Privilegien) gelassen. Diese bestanden in zwei Punkten, einmal in der Gleichstellung mit den übrigen Griechen und dann in der Exemtion, einen eigenen Ethnarchen zu haben, indem Augustus, wie hinzugefügt wird, sie bei ihrem Gesetze lassen und nicht gezwungen wissen wollte, ihre Religion zu übertreten: μὴ παραβαίνειν ἀναγκαζομένους τὴν πάτριαν ϑρƞσκείαν. Diese Gerechtsame hat ihnen Julius Cäsar vorher bestätigt und, wie Josephus es als eine offenkundige Tatsache hinstellt (c. Apionem II, 4), sie zum Andenken und Nachachtung in eine Säule graben lassen; καὶ τὴν οτἠλƞν τὴν ἑστῶοαν ἐν Ἀλεξανδρείᾳ καὶ τὰ δικαιώματα περιέχουοαν, ᾃ Καῖοαρ ὁ μέγας τοῖς Ἰουδαίοις ἔδωκεν. Dieses Moment ist besonders beachtenswert [634] und für die Alabarchenfrage von entscheidender Beweiskraft. Es kann nicht genug wiederholt werden: zu den Gerechtsamen der alexandrinischen und überhaupt ägyptischen Judäer gehörte notwendig ein eigenes juridisches und halbpolitisches Oberhaupt, ein Ethnarch, dessen faktisches Vorhandensein unter Augustus durch Strabo bezeugt ist. Es ist ganz unerheblich, daß aus Tiberius' Zeit kein Zeugnis über den Fortbestand der Ethnarchen vorliegt. Indem Claudius' Edikt hervorhebt, daß Augustus die Privilegien der alexandrinischen Gemeinde unangetastet gelassen – wozu doch auch das Fortbestehen der Ethnarchie gehörte, – und daß nur Cajus Caligula, sein Vorgänger, darin Eingriffe gemacht habe, so folgt von selbst daraus, daß unter Tiberius keine Veränderung in dieser Beziehung eingetreten sein kann. Es folgt aber noch mehr aus dieser höchst interessanten und unbestritten echten Urkunde. Sie bemerkt, Augustus habe nicht verhindert, daß Ethnarchen fortbestehen sollten – und verordnet zuletzt, daß künftighin die Gerechtsame der Judäer beachtet werden sollte: βούλομαι ... φυλάσσεσϑαι δ᾽ αὐτοῖς (τῶν Ἰουδαίων ἔϑνει) καὶ τὰ πρότερον δικαιώματα. Zu diesen »früheren Privilegien« gehörte aber auch, wie die Urkunde selbst hervorhebt, die Ethnarchie. Es ist also unbestreitbar, daß jedenfalls unter Claudius Ethnarchen fortfungiert haben. Aber dieser Titel wird seit Claudius' Zeit nicht mehr gehört, sondern lediglich der Titel Alabarch. Claudius ließ den Alabarchen Alexander Lysimachos, welchen Cajus in den Kerker geworfen hatte, wieder frei63. Zu Claudius' Zeit war ferner Alabarch Demetrios, welcher Agrippas' II Schwester geheiratet hatte. Dieser wird geschildert, als πρωτεύων τῶν Ἰουδαίων. Das heißt doch wohl, daß er den ersten Rang unter den Judäern Alexandriens eingenommen hat. Da nun unter Claudius ganz unzweifelhaft Ethnarchen fungiert haben, und diese doch jedenfalls den ersten Rang eingenommen haben müssen, so kann der Alabarch Demetrios nur der πρωτεύων gewesen sein – oder die Titel Alabarch und Ethnarch müssen zusammenfallen. Diese Schlußfolgerung ist unwiderleglich [?]. Unter Claudius gab es einen Alabarchen Alexander, der ein Freund des Kaisers war. Er muß [?] also Ethnarch gewesen sein, ebenso wie Demetrios. Im Grunde bedeutet πρωτεύων του γένους Ἰουδαίων [Diese Fassung des Ausdrucks ist eben, so viel ich weiß nicht bezeugt. Bei Jos. b.j. VII, 10, 1. steht »πρωτεύοντες τῆς γερουσίας«] dasselbe wie γενάρχƞς und dieser Titel wieder was ἐϑνάρχƞς. Die Frage über Identität der beiden Titel ist damit erledigt [?] – die Alabarchen in Claudius' Zeit wenigstens müssen zugleich Ethnarchen gewesen sein.

Wir haben also festen Boden gewonnen. Die Alabarchen müssen Inhaber einer fürstlichen Stellung gewesen sein, nicht bloß unter Claudius, sondern auch noch im zweiten nachchr. Jahrhundert – ich erinnere an ודי תחת םיאצויו םיסנכנ לכהש סיכרבל, daß durch ihn alles verfügt wurde. – Die Alabarchen in der augusteischen und nachaugusteischen Zeit waren zugleich Ethnarchen – oder Genarchen. Als solche hatten sie eine Art Oberherrschaft über die Gemeinde und waren Archonten eines beinahe selbständigen Gemeinwesens (ὡς ἂν πολιτείας [635] ἄρχων αὐτοτελεῖς), hatten die Gemeindeverwaltung (διοικεῖν τὸ ἔϑνος) und das Richteramt (διαιτ' κρίσεις), hatten die Sorge für die Aufrechthaltung der Handelsverträge (ἐπιμελεῖοϑαι ουμβολαίων) und endlich die Exekution der kaiserlichen Befehle, wie Strabo bezeugt. Das war in der Römerzeit. Wie war es früher in der Zeit der Ptolemäer? Und warum wurden die Ethnarchen Alabarchen genannt? Diese beiden Fragen fallen zusammen.

Aus der Claudianischen Urkunde haben wir ersehen, daß Augustus dieses Amt oder diese Würde nicht geschaffen hat, sondern sie nur bestehen ließ. Aus dem Ausdruck: Σεβαστὸν μὴ κεκωλυκέναι ἐϑνάρχας γίνεσϑαι folgt eigentlich, daß er angegangen worden sei, dieses Institut aufzuheben. Es kann von den alexandrinischen Griechen ausgegangen sein, weil diese sich gegen die Judäer zurückgesetzt gefühlt haben müssen, indem sie dem römischen juridicus unterworfen waren, während die Judäer ihren stammgenössischen Archon πολιτ$ίας αὐτοτελοῠς, das Oberhaupt eines selbständigen Gemeinwesens, behalten durften. Hat Augustus dieses Institut nur weiter bestehen lassen, so muß es schon in der Ptolemäerzeit bestanden haben. Das folgt ebenso gewiß, wie die Identität von Ethnarchen und Alabarchen. Die Benennung Alabarch führt ja ohnehin auf griechischen Ursprung. Nun, für diese Benennung hat der verstorbene Prof. M. A. Levy schon 1867 das Richtige gefunden (Geigers Zeitschrift, Ig. V S. 214). Allerdings hat es schon der kritisch taktvolle Wesseling angedeutet. Levy bemerkt: »Gegenüber dem Vorkommen der Würdennamen von Syriarchen, Galatarchen ... Asiarchen ... Phöniciarchen, ja sogar Thebarchen ist wohl kein Zweifel, daß Arabarches auch die richtige L.-A. für Alabarches sei, und demnach dieses Wort nur griechischen Ursprungs gewesen sein kann. Die besten Handschrr. bei Cicero und Juvenal64 nebst den Inschriften haben es zur Gewißheit erhoben, daß Ἀραβάρχƞς die richtige L.-A. sei, aus welcher bei Josephus Ἀλαβάρχƞς geworden ist. Der Teil Ägyptens, wo der Würdename vorkommt, wurde in ptole mäischer und römischer Zeit schlechtweg als Arabien betrachtet: Arabiae nomos; daher auch das Scholion zu Juvenal Ἀραβάρχƞς: Arabiae princeps erklärt.« So weit Levy. Diese Erklärung ist zwar nicht neu, ist aber verdienstlich, gegenüber Lumbroso welcher in seinem lichtvollen Buche (Recherches sur l'économie politique sous les Lagides 1870, p. 250 ff.) diese Identität von Arabarch und Alabarch noch bekämpft, und gegenüber Blau, welcher noch 1871 sich skeptisch zu dieser Identifizierung verhielt (Z. d.D. M. G. 1871, S. 582). Mit Recht bemerkt Schürer, daß durch diese Identifizierung sämtliche wunderlichen Etymologien des Wortes Alabarches wegfallen, namentlich die bisher gangbare von Cujacius aufgestellte, daß der Name von ἀράβα »Dinte« herkäme, und daß der Alabarch »Dintenherrscher« gewesen wäre! Die Wandlung des Arabarchen in Alabarchen beruht auf dem Lautwechsel des ρ in λ. Man kann noch hinzufügen, daß diese Wandlung wohl nicht in Ägypten vollzogen worden ist, sondern in Palästina. In Alexandrien lautete der Würdename gewiß ἀραβάρχƞς; aber in Palästina hat die bequeme Aussprache Alabarches = סיכרבלא daraus gemacht, und Josephus gab die palästinensische Aussprache wieder. Nach dem Texte von Josephus' Altertümern änderten die Klosterkopisten, welche mit dessen Schriften vertraut waren, in Cicero und Juvenal Arabarches in Alabarches; denn die alten Handschr. haben, wie gesagt, die erste L.-A. So weit das lautliche und etymologische Verhältnis der Frage, gegen dessen Ergebnis nichts einzuwenden ist.

[636] Steht aber das Resultat fest, daß die Arabarchen die Oberleitung über den östlichen Teil von Ägypten inne hatten, welcher Arabien hieß, wozu auch Heliopolis gehörte65, so müssen notwendigerweise irgend einmal Judäer diese Oberleitung inne gehabt haben. Denn nichtjudäische Arabarchen oder Alabarchen kennen wir aus der ersten Kaiserzeit gar nicht. Diese Würde oder die Ethnarchie oder Arabarchie muß sich auf ihre Nachkommen, die Arabarchen Alexander und Demetrios, vererbt haben. Wir bemerken hier gleich, daß der Beamte der Kommunalangelegenheiten der griechischen Bevölkerung in Alexandrien, welcher den Würdenamen ἐξƞγƞτἠς führte und sich in Purpur kleiden durfte, dieses Amt und diese Würde in einer Familie vererben durfte (Strabo p. 792 vgl. Marquardt a.a.O. S. 297 nach corpus inscriptt. 4734, 4755). Das Wort stammt wahrscheinlich von den Athenern, bei denen die Exegeten aus dem Adelsgeschlechte zuerst die heiligen Gesetze auszulegen und dann auch die Aufsicht über das wichtige Amt der Totenbestattung hatten. Ebenso wie die Exegesie muß [?] auch die Ethnarchie und die Arabarchie, die, wie wir erkannt haben, zusammenfallen, in einer judäischen Familie erblich gewesen sein. Nur [?] durch eine solche Annahme wird das Rätselhafte in der Arabarchenfrage gelöst. Einer der Ptolemäer muß einmal einem angesehenen Judäer ein Amt über den arabischen Teil Ägyptens übertragen und ihn zum Ἀραβάρχƞς ernannt haben, da doch der Name auf griechischen Ursprung und also auf die Ptolemäerzeit weist.

Wir brauchen nicht lange zu raten, welcher Ptolemäer einen Judäer mit einer solchen Würde und einem solchen Amte bekleidet hat. Es kann kein anderer als Ptolemäus VI Philometor gewesen sein, von dem Josephus berichtet (contra Apionem II 15): er und seine Frau Cleopatra haben Onias und Dositheos ihr ganzes Reich anvertraut und sie zu Strategen ihrer ganzen Armee gemacht (contra Apionem II 5): Ο δὲ Φιλομἠτωρ Πτολεμαῖος καὶ ἡ γυνὴ αὐτοῠ Κλεοπάτρα τὴν βασιλείαν ὅλƞν τὴν ἑαυτῶν Ἰουδαίοις ἐπίστευοαν, καὶ στρατƞγοὶ πάσƞς τῆς δυνάμεως ἦσαν Ὀνίας καὶ Δοσίϑεος Ἰουδαῖοι. Diese Tatsache gab selbst der schmähsüchtige und judenfeindliche Apion zu, obwohl er die Stellung der Judäer in Alexandrien in Gegenwart und Vergangenheit herabzudrücken bemüht war. Auch er berichtete, daß Onias einmal gegen die Stadt (Alexandrien) ein kleines Heer geführt, während der römische Gesandte Thermus (?) anwesend war (bei Joseph. das.): Ὀνίας ἐπὶ τὴν πόλιν ἤγαγε στρατὸν ὀλίγον, ὄντος ἐκεῖ Θέρμου (?) τοῠ παρὰ Ρωμαίων πρεσβευτοῠ καὶ παρόντος (?). Die Zeit, in welcher Onias und Dositheos dem Königspaare Dienste geleistet, und in welcher der erste allein für Cleopatra auftrat, kann chronologisch näher bestimmt werden. Vom Jahre 170/169 bis 165/164 regierten beide Brüder Philometor und Physkon (Euergetes II) gemeinschaftlich. Darauf wurde der ältere Bruder von dem jüngeren verdrängt, wanderte in kläglichem Aufzuge nach Rom und wurde vom Senate wieder in sein Reich eingesetzt (Livius epitome 46): restitutus est (Ptolemaeus); κατάγουσιν οἱ Ρωμαῖοι (Porphyrius bei Eusebius). Damals haben die judäischen Feldherren nichts für Philometor geleistet. Onias war damals noch zu jung und ohne Bedeutung. Den Römern beliebte es aber damals, eine Teilung des ägyptischen Reiches zu statuieren, Physkon erhielt Kyrene als Königreich, das von Ägypten getrennt wurde. Er war aber mit dieser Teilung unzufrieden, verlangte noch dazu Cypern und bestürmte öfters den Senat mit seinen Prätensionen. Obwohl Rom, um Ägypten zu schwächen, ihm das Recht auf Cypern zusprach, so lieferte Philometor [637] diese Insel doch nicht aus. Im Jahre 154, zur Zeit, als der Konsul Quintus Opimius zum Kriege auszog, war Physkon wieder in Rom, um Klage gegen seinen Bruder zu führen, und der Senat sprach ihm wieder Cypern zu und forderte die Bundesgenossen auf, ihm beizustehen (Polybius 33, 5 vgl. Clinton, Fasti hellenici III, p. 387). Aber Philometor achtete auch diesmal die Entscheidung des Senats wenig. In dieser Zeit brach ein Krieg zwischen den Brüdern aus. Philometor hatte ein großes Heer um sich und konnte den Bruder hart bedrängen (Diodor Excerpta 31, 33, ed. Wesseling, II 588). Damals bei diesem zweiten Bruderkrieg leisteten Onias und Dositheos große Dienste. Sie waren die Feldherren des ganzen Philometorischen Heeres (στρατƞγοὶ πάσƞς δυνάμεως ἦσαν Ὀνίας καὶ Δοοίϑεος). Im Jahre 151/150 zog Philometor nach Syrien, um für Alexander Balas gegen Demetrios Partei zu ergreifen, (I Makk. 10, 57). Er muß also damals in völligem Besitz seiner Macht gewesen sein. Der Krieg zwischen Philometor und Physkon muß also diesem Unternehmen vorangegangen sein, also zwischen 154 und 150. Bis zu seinem Tode 146 genoß Philometor Ruhe von seinem Bruder. Über die Vorgänge nach dessen Tode sind die Quellen sehr dürftig und zum Teil widersprechend, und daher läßt sich nicht genau bestimmen, welchen Anteil Onias daran hatte. Justinus (35,5) stellt es so dar, als wenn nach Philometors Tode seinem Bruder Physkon durch Gesandte das Reich und die Witwe seines Bruders, eben die Königin Cleopatra, seine Schwägerin und Schwester, angetragen worden wäre. At in Aegypto mortuo rege Ptolemaeo, ei qui Cyrenis regnabat Ptolemaeo (Physconi) per legatos regnum et uxor Cleopatra regina, soror ipsius, defertur. Weiterhin deutet er an, daß Physkon von der Bevölkerung berufen worden sei: non mitior (Ptol.) in populares, qui eum vocaverant (Ptol.). Auch Porphyrius gibt an, daß Physkon aus Kyrene zur Übernahme der Regierung zurückgerufen worden sei (in Eusebius' Chronicon) μετακλƞϑεὶς ἐκ Κυρἠνƞς ὃ Εὐεργέτƞς. Diodor dagegen deutet an, daß das kyrenäische Heer Physkon nach Ägypten geführt d.h. ihm die Krone erkämpft hätte (excerpta 32 p. 595) προςέταξεν (ὁ Φύσκων) ἀποκτεῖναι τοὺς τῶν Κυρƞναίων τοὺς συγκαταγαγόντας μὲν αὐτὸν εἰς Αἴγυπτον. Physkon hat demnach nicht auf gütliche Weise das Reich erlangt. Dasselbe scheint aus Josephus hervorzugehen, daß nach dem Tode Philometors ein Bürgerkrieg in Alexandrien ausgebrochen sei, indem Physkon sich mit Gewalt Ägyptens habe bemächtigen, Cleopatra und ihre Söhne verdrängen wollen, und daß Onias gegen ihn und für Cleopatra Krieg geführt, dieselbe Treue, die er ihr und Philometor bewiesen, auch ihr bewahrt und sie nicht verlassen habe. Ο γὰρ Φύσκων ... ἀποϑανόντος αὐτῷ τοῠ ἀδελφοῠ Πτολεμαίου τοῠ Φιλομἠτορος, ὰπο Κυρἠνƞς ἐξῆλϑε Κλεοπάτραν ἐκβαλεῖν βουλόμενος τῆς βασιλείας 66 et filios regis, ut ipse regnum injuste sibimet applicaret; propter haec ergo Onias adversus eum bellum pro Cleopatra suscepit et fidem, quam habuit circa reges, nequaquam in necessitate deseruit. Demnach wäre dem Vertrage, daß Physkon die Regierung und die Königin erhalten sollte, ein Krieg vorangegangen, in dem Onias für Cleopatra gekämpft hat. Das folgt auch aus dem buchstäblich angeführten Zitat aus Apions Schrift: »μετὰ ταῠτα Ὀνίας ἐπὶ πόλιν ἤγαγε οτρατὸν ὀλίγον«, daß Onias gegen Alexandrien ein geringes Heer geführt habe. Durch die angedeutete Verbindung dieses Satzes [638] mit dem folgenden ὁ γὰρ Φύσκων ist nicht zweifelhaft, daß Josephus dieses Faktum von der feindlichen Haltung des Onias mit der Usurpation Physkons in pragmatischen Zusammenhang hat bringen wollen. Daher der Schluß propter haec ergo Onias adversus eum bellum pro Cleopatra suscepit. Onias hat also für Cleopatra Partei ergriffen, muß aber damals ohne Erfolg gekämpft haben, was auch in Apions Angabe liegt, daß das Heer gering war, also gegen die Überzahl des Gegners nicht habe standhalten können. Wenn man diese Darstellung mit denjenigen Justinus' und des Porphyrius' einerseits und mit der Diodors andrerseits ausgleichen will, müßte man sich die Sachlage so denken, daß Physkon von einem Teil der Alexandriner zum Nachfolger berufen worden wäre, daß aber eine Gegenpartei sich ihm widersetzt hätte, daß also ein Bürgerkrieg entstanden wäre, wobei die Kyrener für Physkon gekämpft hätten, daß Onias für Cleopatra Partei ergriffen hätte, und daß endlich ein Vergleich zu Stande gekommen wäre, wonach Physkon die verwitwete Schwester heiraten und zur Mitregentin haben sollte. So wäre die scheinbare Differenz beseitigt, und die Ausgleichung, welche die beiden judäischen Feldherren zustande gebracht haben sollen, (das. οὗτοι – Ὀνίας καὶ Δοοίϑεος – ουμβάσεις ἐποίƞσαν) kann sich nicht auf das Faktum von Physkons Einsetzung beziehen, sondern auf ein vorangegangenes, vielleicht noch bei Philometors Leben während seiner Abwesenheit in Syrien (150-146).

Jedenfalls geht daraus mit Entschiedenheit hervor, daß Onias eine bedeutende Rolle bei den Vorgängen in Ägypten und Alexandrien gespielt, und daß er zuerst Philometor samt seiner Gemahlin und dann ihr allein Dienste geleistet hat. – Noch ein drittes Mal deutet Josephus Onias' feindliches Verhalten gegen Physkon an, und zwar wiederum, wie sich vermuten läßt, im Interesse der Cleopatra, nämlich bei der Relation, daß Physkon gegen die gefesselten Judäer Alexandriens Elephanten habe hetzen lassen. Der Eingang dazu lautet (das.): nam Physcon Ptolemaeus cum adversum exercitum quidem Oniae pugnare praesumeret. Nach dieser Relation hätte Physkon auch noch zur Zeit, da er bereits im Besitze von Alexandrien war, ein von Onias befehligtes Heer bekämpfen wollen67. Zu welchem Zwecke hat Onias ein Heer gesammelt, [639] da doch von 146-132 ein scheinbar erträgliches Verhältnis zwischen Physkon und Cleopatra, zwischen Bruder und Schwester, Gatten und Gattin, bestanden hat? Authentisch ist diese Relation jedenfalls, wie schon Wesseling nachgewiesen, da die Buhlerin Physkons, Namens Irene, von der in dieser Relation die Rede ist, auch von Diodor erwähnt wird. Dieser Onias, welcher für Philometor und Cleopatra zusammen und für diese allein kriegerisch eintrat, war ganz ohne Zweifel jener Hohepriestersohn, Onias IV, welcher infolge des Mißgeschickes seines Vaters noch jung nach Ägypten entflohen und von Philometor mit einer Ehrenstellung bedacht worden war. Auch die Pseudokorrespondenz zwischen Onias und Philometor wegen der Errichtung des Oniastempels deutet an, daß der Onias, welcher diesen erbaut hat, auch Kriege für den König glücklich geführt hat (Jos. XIII. 3, 1): πολλὰς καὶ μεγάλας ὑμῖν χρείας τετελεκὼς ἐν τοῖς κατὰ πόλεμον ἔργοις 68. Der Hohepriestersohn Onias hatte also Philometor und seiner Gemahlin Cleopatra wesentliche Dienste geleistet. Der Tochter dieser Cleopatra standen Onias Söhne Helkias und Ananias kräftig bei gegen ihren Sohn Lathurus (Lathyros), als dieser sie vom Throne verdrängen wollte um 107 (das. XIII. 10, 4). Diese beiden Söhne waren bei dieser Königin Cleopatra ebenso beliebt, wie ihr Vater bei den Eltern, nach Strabos oder seines Gewährsmanns Zeugnis (das.) διὰ τὸ τοὺς πολίτας αὐτῶν (τῶν Ἰουδαίων) εὐδοκιμεῖν μάλιστα παρὰ τῇ βασιλίσσς, Χελκίαν καὶ Ἀνανίαν. Hier haben wir Zeugnisse in Fülle und in unzweideutigen Wendungen, daß Onias und seine Söhne bei Philometor, seiner Gemahlin und deren Tochter hoch in Gunst standen, daß sie für dieselben Kriege geführt und von ihnen zu Strategen ernannt worden sind.

Wir erfahren aber noch mehr von der Stellung Onias' unter diesem Herrscherpaar. Philometor räumte ihm den Heliopolitanischen Nomos ein, worin dieser ein Kastell und den Oniastempel erbaute (I. Kr. VII. 10, 3): $Πτολεμαῖος ... δίδωσιν αὐτῷ (τῷ Ονίᾳ) χώραν ... νόμος δ᾽ οὗτος Ηλιοπολίτƞς καλεῖται: φρούριον ἔνϑα καταοκευσάμενος Ὀνίας τὸν μὲν ναὸν ... ᾠκοδόμƞοε. Ein Kastell zu kriegerischem Zwecke zu erbauen, erlaubt ein König nur einem Untertanen, zu dem er großes Vertrauen hat, und der bei ihm in hoher Gunst steht. [Schutzbauten neben Tempeln waren in Ägypten keine Seltenheit. Vgl. die Zitate bei Kohout a.a.O. S. 796.] Zu einem φρούριον gehören ferner Krieger, die es bei einem Angriffe verteidigen können. Es geht also auch schon aus diesem Umstande hervor, daß Onias, der Erbauer des Tempels, bei dem König Philometor in hohem Ansehen gestanden haben und von ihm militärische Exemtion erhalten haben muß. In diesem Nomos wohnten Judäer und auch Priester und Leviten (Ant. XIII. 3, 3). Das ganze [640] Territorium, in welchem der Oniastempel stand, nicht bloß die Stadt, hieß Onion (j. Kr. VII. 10, 2): προσέταξε (Καῖσαρ) τῷ τόπῳ τὸν ἐν τῇ Ὀνίου καλουμένς (χώρᾳ) νεὼν καϑελεῖμ τῶν Ἰουδαίων. [Daß das Territorium »Onion« geheißen habe, steht nirgends.] Es müssen viele Judäer in diesem Territorium gewohnt haben. Das »Heer des Onias,« welches eine feindliche Haltung gegen Physkon annahm (o. S. 638), bestand schwerlich aus Griechen oder Ägyptern, sondern höchst wahrscheinlich aus Judäern. Eine kriegerische Bevölkerung in diesem Territorium bestand noch zur Zeit Julius Cäsars. Das zur Befreiung desselben in seiner bedrängten Lage in Alexandrien durch diese Gegend heranrückende Bundesgenossenheer mußte sich mit den Judäern freundlich auseinandersetzen, weil diese durch ihre Menge und ihre kriegerische Haltung dem Durchmarsch Widerstand und Hindernis entgegenzusetzen drohten (Jos. Ant. XIV. 8, 1. bell. Judaic. I. 9, 4): εἶργον ... οἱ τὴν Ὀνίου προσαγορευομένƞν χώραν κατέχοντες: ἦσαν δὲ Ἰουδαῖοι Αἰγύπτιοι. Sie wurden erst durch Antipaters Zureden mit Hinweis auf den Willen des Königs Hyrkan II für Cäsar gewonnen. Daß diese Judäer aus dem Territorium Onion kriegerisch und der Cleopatra, Philometors Tochter, treu waren, bezeugt auch die bereits angeführte Notiz bei Strabo (Jos. XIII. 10, 4). Die meisten Ägypter, welche Cleopatra, die jüngere, nach Cypern zur Bekämpfung ihres rebellischen Sohnes Lathurus gesandt hatte, gingen zu ihm über, aber treu blieben nur »die Judäer aus Onion,« weil ihre Stammes- und Glaubensgenossen Helkias und Ananias bei der Königin viel galten: μόνοι δὲ οἱ ἐκ τῆς Ὀνίου 69 λεγόμενοι Ἰουδαῖοι συνέμενον. Nebenbei sei bemerkt, daß nicht Strabo diese Tatsache berichtet, sondern ein Augenzeuge, der dabei beteiligt war οἱ τε συνελϑόντες ἡμῖν ... μετεβάλλοντο ... πρὸς τὸν Πτολεμαῖον. »die mit uns zusammen [Niese hat ἡμῖν nicht in den Text aufgenommen] (nach Cypern) gekommen waren.« Cleopatra hatte also die Judäer aus dem Territorium Onion zur Bekämpfung ihres feindlichen Sohnes nach Cypern gesandt, und diese blieben ihr treu, während die übrigen Truppen zum Feinde übergingen.

Ziehen wir jetzt das Fazit. In der Gegend von Onion, wo Onias IV ein Kastell und einen judäischen Tempel erbaut hatte, wohnten kriegerische Judäer zur Zeit Philometors, seiner Gemahlin Cleopatra, noch zur Zeit Cleopatras, der jüngern, und auch noch zur Zeit Cäsars. Diese Gegend wurde der heliopolitanische Nomos genannt. Dieser Nomos gehörte zum arabischen Teile Ägyptens. Die Judäer dieses Nomos hatten also einen eigenen militärischen Bezirk inne. Da dort ein Tempel stand, so verstand es sich von selbst, daß nur ein Judäer die politische und militärische Gewalt darüber hatte, weil ein Heide, Grieche oder Ägypter, jeden Augenblick Eingriffe in die innersten Angelegenheiten hätte machen können. Wer hatte zuerst die Oberleitung dieses judäischen Bezirkes? Gewiß kein anderer als Onias, der Begründer dieses judäischen Gemeinwesens. Er leistete dem Königspaare größere Dienste, als daß es Anstand genommen haben sollte, ihm die ἀρχἠ über diese Gegend zu übertragen. Überdies war er Strategos dieses Königspaars. Es ist daher ganz in der Ordnung, daß er den Titel Arabarches, Herrscher über diesen arabischen Nomos, erhalten hat. Es war kein leerer Titel sondern war mit der faktischen Herrschaft über den arabischen Nomos verbunden. Seine [641] Söhne Helkias und Ananias standen ebenfalls in Gunst bei der jüngeren Cleopatra und waren ihre Strategen. Auch sie waren ohne Zweifel Arabarchen über den heliopolitanischen oder arabischen Nomos. Zur Zeit Cäsars waren die Judäer dieses Nomos auch noch selbständig und kriegerisch. Ein Judäer muß also an ihrer Spitze gestanden haben. Dieser war ohne Zweifel damals Arabarches, was sich auch aus einer Anspielung bei Cicero ergibt. Und weil ein solcher mit der ihm gehorchenden Kriegerschaar aus dem Territorium von Onion oder dem ägyptischen Arabien ihm Dienste geleistet hatte, darum bestätigte Cäsar den alexandrinischen Judäern ihre Gerechtsame (o. S. 640). Zu den Gerechtsamen derselben gehörte es eben, ein eigenes stammesgenössisches Oberhaupt, einen Ethnarchen, zu haben. Alle diese Arabarchen oder Ethnarchen waren ohne Zweifel [?] Nachkommen Onias'. Denn die Arabarchie muß durchaus im Hause des Onias erblich gewesen sein. Zum Überflusse sei noch daran erinnert, daß der von Josephus genannte Alabarch oder Arabarch Alexander, Sohn des Lysimachos, Priester oder Ahronide war; denn sein Bruder, der Philosoph Philo, war Ahronide, wie Eusebius (hist. eccl. II, 4) bezeugt, [Hier liegt offenbar ein Irrtum vor. A. a.O. steht nichts derartiges. Hieronymus war vielmehr der erste, der von Philos ahronidischer Abstammung etwas zu melden weiß, vgl. Schürer III3, 489] und vielleicht auch aus Philos eigenen Worten (M. II, 646) folgt: εἰς τὸ πατρῷον ἱερὸν ἐστελλόμƞν εὐξόμενος καὶ ϑύσων, wenn nämlich im Aktivum ϑύειν, der Begriff: selbst die Opferhandlung begehen, liegt. Die Arabarchen, die die ersten nach dem Geschlechte waren, waren es nur deswegen, weil sie von den Ahroniden abstammten. Der judäische Hochadel gehörte in der Zeit lediglich dem ahronidischen Geschlechte an. Da die Arabarchen wegen ihrer Abstammung, ihres Ansehens und ihres Reichtums die ersten unter den Judäern waren, so verstand es sich von selbst, daß sie die Ethnarchen der alexandrinischen Gemeinde waren, da ohnehin die Identität der Alabarchen und Ethnarchen als erwiesen gelten kann (o. S. 635). Sollten sich die übrigen ägyptischen Gemeinden ihnen nicht untergeordnet haben? Ganz ohne Zweifel [?]. Bot ja der Arabarch als Hoherpriester des Oniastempels zugleich politischen Schutz und geistlichen Halt.

Betrachten wir jetzt noch die dritte Seite des Arabarchen. Josephus (contra Apionem II, 5) teilt mit, daß die ägyptischen Könige den Judäern Alexandriens wegen ihrer Treue die Bewachung des Flusses anvertraut und daß die Römer ihnen dieses Privilegium bestätigt haben Maximam vero eis fidem olim a regibus datam conservaverunt (imperatores), id est fluminis custodiam totiusque custodiae, nequaquam his rebus indignos esse judicantes. Diesen ebenfalls korrumpierten Passus hat Schürer glücklich emendiert und ihn dadurch zu einem wichtigen historischen Zeugnis gemacht (a.a.O. S. 541 [jetzt III3, 90]); fluminis custodiam, totiusque custodiae emendiert er richtig in Rückübersetzung τὴν τοῠ ποταμοῠ φυλακὴν καί τε πασƞς τῆς ϑαλάσσƞς; aus ϑαλάσσƞς wurde φυλακῖς und daraus das zweite custodiae. Es folgt also aus diesem Passus, daß den Judäern Alexandriens die Obhut oder die Aussicht über den Nil und das Meer anvertraut war, und diese Obhut wurde ihnen von den Königen eingeräumt Von welchen Königen? Nach dem Vorangegangenen können es nur Philometor und Cleopatra, die ältere und die jüngere, gewesen sein. Denn von Gunstbezeugungen der ersten fünf Ptolemäer für die Judäer liegt keinerlei Zeugnis vor. Ptolemäus VII Physkon war ein vehementer Feind der Judäer, ebenso sein Sohn Pt VIII Lathurus; die nach folgenden Ptolemäer vom Jahre 81 [642] bis zur Okkupation durch die Römer hatten mit der Altersschwäche des Reiches zu kämpfen, zerfleischten einander und hatten keinerlei Beziehung zu den Judäern. So bleibt nur Philometor, seine Frau und die jüngere Cleopatra für dieses Faktum übrig. Diese haben ihnen unstreitig diesen wichtigen Posten wegen ihrer Treue anvertraut. Aber doch nicht etwa sämtlichen Judäern Alexandriens! Wir werden hier wieder auf Onias gewiesen. Dieser und seine Söhne haben den genannten Herrschern eine außerordentliche Treue und Anhänglichkeit bewiesen. Zur Belohnung dafür hatten sie dem ersteren die Erlaubnis erteilt, einen Tempel zu erbauen, ihm ein Territorium, eine αὐτοτελὴς πολιτεία, eingeräumt und ohne Zweifel noch dazu die Aufsicht über den Nil und das Meer anvertraut. Diese custodia oder φυλακἠ war eine Zollwache. Schürer belegt diese Deutung mit dem Passus in Cäsars bellum Alexandrinum (cap. 13): erant omnibus ostiis Nili custodiae exigendi portorii causa dispositae. Es war also ein Hafenzoll für Export und Import. Wegen ihrer Treue haben die Könige, d.h. Philometor und die beiden Cleopatra, dieses wichtige und zugleich einträgliche Amt den alexandrinischen Judäern, d.h. Onias und seinen Nachkommen, anvertraut, und daher waren die Arabarchen die ersten nicht bloß an Geschlechtsadel, sondern auch an Reichtum; die Aufsicht war gewiß einträglich. Noch im vierten Jahrhundert wurde die Erhebung des Hafenzolls von den Landesteilen Aegyptus und Augustamnica, d.h. vom Delta und Nordostägypten, Pelusium, Casium, Ostracine und Rhinokorura »vectigal Arabarchiae« genannt (Codex Theodosianus IV, 12, 9). In einem Edikt Justinians von 559 wird ein Beamter, welcher neben dem Augustalis die Befugnis hatte, den kaiserlichen Fiskus in Alexandrien zu vertreten, Alabarches genannt70.

Wie kamen sie zu dieser Benennung? Was hatte der Hafenzoll vom Meer und Nil, der dem Fiskus gehörte, mit dem arabischen Teil Ägyptens zu tun? Gewiß nur aus dem Grunde, weil die judäischen Befehlshaber über den arabischen Nomos oder die »Arabarchen« zugleich Oberzollaufseher waren. Die Arabarchie umfaßte also dreierlei amtliche Momente, die politische Herrschaft über den heliopolitanischen Nomos, wo Onion lag, die magistratliche, kommunale und juridische Gewalt über die alexandrinische Gemeinde und zugleich die allerdings nur zufällig damit verbundene Hafenaufsicht. Dieselben Könige, welche Onias die ersteren Befugnisse eingeräumt hatten, haben ihm auch die letztere anvertraut. Diese Ämter müssen [?] in der Familie des Hohenpriestersohnes Onias erblich gewesen sein. Von einer Wahl des Arabarchen oder Ethnarchen ist nirgends die Rede. Ich erinnere nur an den Ausdruck in Claudius' Urkunde: Augustus hat nicht verhindert, daß Alabarchen bestehen (γίγνεσϑαι o. S. 633). Das Wort Wahl (αἵρεσϑαι) ist nicht gebraucht. Wenn eine Wahl bei der Besetzung stattgefunden haben sollte, so kann sie nur innerhalb der Oniasfamilie erfolgt sein. Die Untersuchung über die Wählbarkeit der Ethnarchie hat gar keine Berechtigung.

Sehen wir uns das von Josephus angeführte kurze Zeugnis (nach Rufinus' Übersetzung) noch genauer an. Die den alexandrinischen Judäern anvertraute[643] Zollaufsicht über Nil und Meer haben ihnen die Kaiser gelassen und sie nicht unwürdig dazu befunden. Maximam vero eis (Judaeis) fidem olim ab regibus datam conservaverunt (imperatores), id est fluminis custodiam, totiusque custodiae (maris), nequaquam his rebus indignos esse judicantes. Das will doch sagen: weil die alexandrinischen Judäer den Kaisern dieselbe Treue und Anhänglichkeit bewahrt haben, haben diese ihnen den wichtigen Posten gelassen. Daß die alexandrinischen Judäer und die Arabarchen den Kaisern treu ergeben waren, geht aus mehr als einem Zeugnis hervor. Es ist bereits oben angeführt, daß die Judäer des Territoriums Onion gewonnen worden waren, für Cäsar Partei zu ergreifen, als dieser in Bedrängnis in Alexandrien war. Daß die ägyptischen Judäer Augustus Dienste geleistet haben, ist zwar nicht ausdrücklich bezeugt, folgt aber daraus, daß er die Arabarchen, welche für die religiösen Angelegenheiten der Judäer notwendig waren, bestehen ließ und ihnen sogar ein gemeindliches Kollegium gewährte. Indirekt ist es aber auch aus dem Hasse der letzten Cleopatra gegen die Judäer bezeugt, welche, nachdem Alexandrien nach der Niederlage Antonius' in der Schlacht bei Aktium eingenommen war, Partei für Augustus genommen haben müssen (contra Apionem II. 5): Novissime vero Alexandria a Caesare capta ad hoc usque perducta est (Cleopatra), ut salutem hinc sperare se judicaret, si posset ipsa manu sua Judaeos perimere. Sie haßte die Judäer mit einer solchen Wut, weil sie auf Seiten ihres Feindes Augustus gestanden haben. Noch ein anderes Zeugnis kann dafür geltend gemacht werden. Antonia, die zweite, die Mutter des Kaisers Claudius, die Nichte des Kaisers Augustus von seiner Schwester Oktavia und Antonius, und gewissermaßen die Schwiegertochter des Augustus (sie war die Gemahlin des Drusus, des Sohnes der Livia, der in der Ehe mit Augustus geboren war), die Schwägerin des Kaisers Tiberius, diese Antonia muß so viel Vertrauen in den Alabarchen Alexander gesetzt haben, daß sie ihn zum Verwalter ihres Vermögens eingesetzt hat (Jos. Altert. XIX, 5, 1). Dieses Vermögen muß in Ländereien bestanden haben, die in Ägypten lagen, sonst hätte sie doch der in Alexandria wohnende Alabarch nicht verwalten können. Diese Ländereien in Ägypten können nur zum Vermögen gehört haben, welches Augustus den Töchtern des Antonius von der Oktavia, den beiden Antonia, aus der Hinterlassenschaft des Antonius zugeteilt hatte (Dio Cassius 1, 15 Ende). Diese innige Beziehung der Alabarchenfamilie zu dem Kaiserhause ist also höchst wahrscheinlich noch zu Augustus' Lebzeiten angeknüpft worden. Denn diese Epitropie über die Ländereien der Antonia in Ägypten hat ganz ohne Zweifel [?] Augustus dem Arabarchen anvertraut, wahrscheinlich schon dem Vater des Alexander, Lysimachos; daher war der Kaiser Claudius, eben der Sohn der Antonia, ein Freund Alexanders. Alexanders Sohn, Tiberius Alexander, welcher aus dem Judentum ausgetreten und völliger Römer geworden war, zuerst vom Kaiser Claudius zum Prokurator von Judäa, später von Nero zum militärischen Präfekten von Ägypten ernannt, führte den Adoptivnamen Julius (Inschrift vom 28. Sept. 68 unter Galba): τοῠ πεμφϑέντος μοι διατάγματος ὑπὸ τοῠ κυρίου ἡγεμόνος Τιβερίου Ἰουλίου Ἀλεξάνδρου ... Τιβέριος Ἰουλίος Ἀλέξανδρος λέγει (Inscrr. Graec III. Nr. 4957. [Weitere Literatur über ihn s. bei Schürer I3, S. 568]). Er war demnach in die gens Julia, d.h. in die kaiserliche Familie aufgenommen, ebenso wie der König Agrippa I, welcher ebenfalls den Beinamen Julius führte. Tiberius Alexander muß aber schon vom Kaiser Tiberius adoptiert worden sein, da er den Vornamen Tiberius Julius führen durfte, wie[644] Renier deduziert hat71. Da er aber zur Zeit des Kaisers Tiberius noch jung war und ihm keine Dienste geleistet haben kann, um mit der Adoption beehrt zu werden, so muß wohl schon [?] sein Vater Alexander von diesem Kaiser adoptiert worden sein. Josephus' Stillschweigen darüber beweist nichts dagegen, da er dem Sohne Tiberius Alexander ebensowenig den Namen Julius gibt, und eben so wenig dem König Agrippa. Die Königsfamilie in Judäa und die Arabarchenfamilie in Ägypten waren also in die gens Julia aufgenommen. Der Kaiser Claudius war zugleich mit Agrippa und dem Arabarchen Alexander befreundet. Bleiben wir einen Augenblick bei Tiberius Julius Alexander stehen. Dieser muß auch den Titel Arabarches geführt haben, was aus einer hämischen Anspielung Juvenals folgt. In der Satire (I, 127-131) schildert er die Tagesordnung eines vornehmen Römers, der unter andern müßigen Beschäftigungen sich auch die Ehrenstatuen ansieht, welche auf dem Forum des Apollo stehen,


atque triumphales, inter quas ausus habere

nescio quis titulos Aegyptius atque Arabarches,

cujus ad effigiem non tantum mejere fas est.


Offenbar spielt er auf einen ägyptischen Arabarchen an, dessen Ehrenstatue neben anderen auf dem Forum aufgestellt war. Andreas Alciat (1517) hat richtig auf Tiberius Alexander geraten, und ihm folgten Rudorff72, Leon Renier und Lumbroso. Tib Jul. hat nämlich eine merkwürdige Karriere gemacht. Nachdem er vom Judentum abgefallen und zum römischen Kultus übergegangen war, wurde er von Claudius zum Landpfleger von Judäa (46 bis 48) ernannt. Im Jahre 63 hat er als »erlauchter römischer Ritter« den Krieg im Partherlande mitgemacht und wurde (66) von Nero zum Präfekten Ägyptens erhoben, was eine seltene Gunstbezeugung war, da nach Augustus' Anordnung kein Einheimischer an die Spitze der Prokuratur über Ägypten gestellt werden sollte. Auf seine Anregung haben (69) die ägyptischen Legionen Vespasian zum Kaiser proklamiert, wofür dieser und Titus ihm große Erkenntlichkeit erwiesen. Wie Renier nachgewiesen hat, war Tiberius Alexander be der Belagerung Jerusalems nicht als Führer einer Legion, sondern als praei fectus praetorio tätig (πάντων τῶν στρατευμάτων ἐπάρχƞς 73). Das war wieder eine große Auszeichnung. Allerdings hätte Vespasian ihn zum Senator machen können: allein ein abergläubischer Wahn der Römer verbot, einen Alexandriner in den Senat zu versetzen, weil nach einer Sage dadurch der Untergang Roms unfehlbar eintreten würde. Da nun Tiberius Alexander dem flavianischen Hause außerordentliche Dienste geleistet hat und dieses ihn doch nicht nach Verdienst belohnen konnte, so gestattete es, ihn an dem Triumphe über Judäa, zu dessen Besiegung er beigetragen hatte, teilnehmen und seine statua triumphalis aufstellen zu lassen. Es ärgerte nun den römischen Satiriker, daß ein Ägypter und ein Arabarch auf dem Forum einen Ehrenplatz haben sollte. Das ist die einzig richtige Auslegung dieser Stelle. Wie Renier [645] weiter ausführt, war es ein Sohn des Tiberius Alexander, welcher unter dem Namen Julius Alexander unter Trajan Feldherr im parthischen Kriege (117) und Consul suffectus war74. Auch ein späterer Nachkomme desselben kommt vor: Julius Julianus Alexander.

Tiberius Alexander, der Sohn des Arabarchen Alexander, war also, nach dem sicheren Ergebnis dieser Untersuchung, ebenfalls Arabarches zubenannt; möglich, daß dieser Titel auf seiner Statue angebracht war. Aber er war doch schwerlich Arabarch im eigentlichen Sinne, sei es als Beherrscher des arabischen Nomos oder als Hafenaufseher. Noch weniger kann dieser sein Titel Vorsteher der alexandrinisch-jüdi schen Gemeinde bedeutet haben. Es muß vielmehr weiter nichts als ein Titel gewesen sein. Weil er aus der Arabarchenfamilie stammte und diese Würde eine angesehene war, hat er sich ebenfalls damit geschmückt. Wenn wir also auf einen Alabarchen des Namens »Julius« stoßen sollten, so werden wir nicht anstehen können, anzunehmen, daß auch dieser derselben Familie angehört hat. Nach dem Arabarchen Alexander Lysimachos wird der Alabarch Demetrios genannt, als »den ersten Rang durch Geburt und Reichtum« einnehmend. Er heiratete die zweite Tochter Agrippas I, Mariamne; denn er war ihr ebenbürtig; auch er war, wenn nicht ein Sohn, doch jedenfalls [?] ein naher Verwandter des Arabarchen Alexander und in die julische gens adoptiert. Ein Sohn aus dieser Ehe hieß Agrippinos, von dem, sowie von andern Enkeln Agrippas, Josephus zu erzählen versprach, aber das Versprechen nicht erfüllte. Auch dieser war ohne Zweifel zur Zeit des letzten Krieges gegen die Römer Arabarch. Nach der Schließung des Oniastempels, welche einige Jahre nach dem Untergang des judäischen Staates erfolgte, horte eigentlich die Bedeutung der Arabarchie nach der einen Seite auf. Denn der Mittelpunkt des onionischen Gemeinwesens, über welches die Arabarchen die ἀρχἠ hatten, war doch der Oniastempel; war dieser geschlossen, so hörte auch das onionische Gemeinwesen und damit ἀρχὴ τῆς Ἀραβίας auf. So blieb nur noch die Ethnarchie über die alexandrinische Gemeinde und die Überwachung der Hafenzölle im Hause der ehemaligen Inhaber der Arabarchie übrig. Der Terminus »Arabarches« war ein Titel geworden. Da die Glieder des Arabarchenhauses treu zu den Römern hielten und Adoptierte des kaiserlichen Hauses waren, so ist es nicht auffallend, daß einige von ihnen ganz und gar im Römertum aufgingen und nach dem Vorgange des Tib. Alexander das Judentum verließen. Wenn wir also auf eine Person stoßen, die den Titel Arabarches führte, ohne daß damit die Zollaufsicht verbunden ist, und die sich unzweideutig als Heide geriert, so kann uns diese Erscheinung keineswegs stutzig machen. Den Titel kann recht gut ein Abkömmling aus dem judäischen Arabarchenhause geführt haben, welcher zum Heidentum übergegangen oder nach der Sprache der damaligen Zeit ein רמומ, μεταβαλὼν τὰ νόμιμα, wie es das 3. Makkab. bezeichnet, conversus, geworden war.

Sämtliche Inkongruenzen, welche bisher die Arabarchenfrage so sehr verdunkelt haben, können als beseitigt angesehen werden, wenn man von den berechtigten Voraussetzungen ausgeht und daraus die sich von selbst ergebenden Folgerungen zieht. Diese Voraussetzungen sind: daß Alabarches nichts anderes als Arabarches ist, und daß die Arabarchie eine gewisse Herrschaft über den arabischen Teil Ägyptens oder näher über den heliopolitanischen Nomos bedeutet, in welchem nur Judäer wohnten. Sie ergeben sofort folgende sichere Resultate:

[646] 1. Arabarchen gab es nur in Ägypten. Wenn daher eine Inschrift gefunden wurde, welche lautet:


(Π)οσ(ει)δῶνι εὐχὴ Μαυσόλου ἀλαβάρχου


(corp. inscrr. Graecc. III, N. 4267) »Gelübde des Alabarchen Mausolos für den Poseidon,« so sind wir ebenso berechtigt anzunehmen, daß dieser Mausolos aus Ägypten stammte, wie daß Alabarches nur eine verdorbene und mundartliche Aussprache für Arabarches sei.

2. Arabarchen waren ursprünglich und eigentlich nur die faktischen Beherrscher des im heliopolitanischen Nomos gelegenen judäischen Gemeinwesens – πολιτεία αὐτοτέλƞς – Onion, das zum Mittelpunkt einen von ägyptischen Judäern besuchten Tempel hatte.

3. Arabarchen waren die Oniaden, d.h. Abkömmlige des Hohenpriestersohnes Onias IV, welcher diesen Tempel erbaut, dieses Gemeinwesen geschaffen und dieses als militärischen Bezirk mit einem Kastell eingerichtet hat.

4. Selbstverständlich waren die Arabarchen Judäer, und diejenigen, welche als Heiden vorkommen, können lediglich als Abkömmlinge der Oniaden angesehen werden, welche zum Heidentum übergegangen sein müssen.

5. Die Oniaden oder Arabarchen hatten zugleich von einigen Ptolemäern das Aufsichtsrecht über den Hafen von Alexandrien und die Nilmündungen erhalten, und die Kaiser haben es ihnen bestätigt. Daher wird der Hafenzoll bis zur späteren Kaiserzeit herab »Arabarchenzoll«, vectigal Arabarchiarum, genannt.

6. Die Arabarchen waren zugleich die ersten und angesehensten der alexandrinischen Gemeinde und leiteten zugleich deren Angelegenheiten nach mehreren Seiten hin, oder sie waren deren Archonten, Ethnarchen oder Genarchen. Ethnarchie und Arabarchie bedeuten zwar nicht dasselbe, waren vielmehr verschiedene Funktionen und Würden, aber da sie beide in den Personen aus dem Hause Onias vereinigt waren, so werden sie als gleichbedeutend gebraucht.

7. Da die Arabarchen oder alexandrinischen Ethnarchen zugleich Oberaufseher über den Hafenzoll waren, so waren sie in der Lage, große Reichtümer zu erwerben und galten als die begütertesten der alexandrinischen Judenheit.

8. Infolge ihres Reichtums und ihrer wichtigen Ämter genossen sie auch nach außen hin ein hohes Ansehen. Die Kaiser haben Glieder derselben in ihre Familie adoptiert, und das judäische Königshaus hat sich mit ihnen verschwägert.

9. Mit dem Untergange des Oniastempels und des onionischen Gemeinwesens (um 73) hörte die Bedeutung der Arabarchie auf. Wenn aber der Name noch später genannt wird, so war er entweder ein bloßer Titel oder bezeichnete lediglich den Inhaber des Amtes über das Hafenzollwesen. Dieses Amt wurde wahrscheinlich den spätern Nachkommen des Onias von den Kaisern gelassen, weil ihre Treue gegen die Römer bewährt war, und weil sie gewissermaßen eine ererbte Geschäftskenntnis und Umsicht für dieses Amt besaßen, wodurch sie die Einnahme ergiebig machen konnten.

Durch diese von selbst folgenden Ergebnisse aus der begründeten Prämisse stimmen sämtliche Zeugnisse über Arabarchen, Ethnarchen (Genarchen) und Personen, welche diese Würde inne hatten, vollkommen überein, es bleibt keine Dunkelheit oder Schwierigkeit zurück.

Werfen wir nun einen Überblick über die Arabarchen und Ethnarchen in chronologischer Reihenfolge. Der Begründer der Arabarchie und Ethnarchie [647] war ohne Zweifel Onias IV, der Hohepriestersohn, der jung nach Ägypten gekommen ist, um 154 Philometor und Cleopatra Dienste geleistet hat, von ihnen zum Strategen ernannt wurde und den Oniastempel und das Gemeinwesen Onion gegründet hat; diese Institute bildeten die Grundbasis für die Arabarchie. Nach 146 war er noch militärisch für Cleopatra tätig.

Die Inhaber der von ihrem Vater erworbenen Ämter und Würden waren seine Söhne Anania und Chelkija, welche um 107 eben so für Cleopatra, die Tochter Philometors und der Cleopatra, tätig waren, wie ihr Vater für deren Eltern.

Von dieser Zeit an bis zum Jahre 59, also zwei Menschenalter, erfahren wir nichts über Ethnarchie und Arabarchie. Daß die letztere aber fortbestand, folgt aus dem Bestande des Gemeinwesens Onion in kriegerischer Tüchtigkeit. Im Jahre 59 spielte Cicero auf die Arabarchie an. Er machte sich in einem Briefe an seinen Busenfreund Attikus über Pompejus Luft, der sein Feind geworden war (Epistolae ad Atticum II, 17 a.u.c. 695 = 59) und nennt ihn zweimal Sampsiceramus (Sampsigeramus), mit Anspielung auf einen winzigen König von Emesa. Einmal nennt er Pompejus Arabarches; velim e Theophane expiscere, quonam in me animo sit Arabarches75. Es wird allgemein angenommen, daß diese Benennung ein Spitzname ist, den Cicero seinem damaligen Gegner beigelegt hat. Der Grund für diese Benennung liegt in den damaligen Vorgängen. Gerade in diesem Jahre hatten Julius Cäsar und Pompejus es durchgesetzt, daß der illegitime Sohn des Lathurus, genannt Ptolemäus Dionysios oder Auletes, vom Senate als König anerkannt wurde, und zwar für 6000 Talente (Sueton Caesar 54): ut qui (Caesar) uni Ptolemaeo prope sex millia talentorum suo Pompeiique nomine attulerit. (Über das Datum, Clinton fasti hell. III. ad. an. 60 und p. 393). Pompejus hatte sich demnach durch Ägypten bereichert. Deswegen gab ihm Cicero den Spitznamen Arabarches. Es bestand also im Jahre 59 ein Arabarch in Ägypten, der als reich galt, vielleicht auch im Geruche stand, sein Amt zur Bereicherung mißbraucht zu haben.

Der unwürdige König Dionysios oder Auletes konnte nur durch Rom gehalten werden. Nach seinem Tode 51 erhielt die letzte, berüchtigte Cleopatra die Regierung, und sie weihte sie durch Ermordung eines ihrer beiden Brüder und einer Schwester ein. Sie war eine Erzfeindin der Judäer (o. S. 642), und sie hat schwerlich dem zu ihrer Zeit lebenden Arabarchen Machtbefugnis und Ansehen gelassen. Allerdings, solange Julius Cäsar Herr war (48-44), konnte sie ihm nichts anhaben, weil gerade die Judäer von Onion ihm Dienste geleistet hatten (o. S. 639). Ein judäischer Militärbezirk setzt einen judäischen Führer voraus. Es muß auch zu Cleopatras Zeit einen Arabarchen gegeben haben. Aber nach Cäsars Ermordung, und während Antonius in ihren Zauberbanden verstrickt war (41-31), hat sie ohne Zweifel die Machtbefugnis desselben, wenn nicht ganz aufgehoben, so doch vermindert.

Mit dem Siege Oktavians über Antonius stieg wieder das Ansehen der judäischen Arabarchen. Er ließ ihnen die Hafenzollaufsicht (o. S. 641), ließ dem Ethnarchen von Alexandrien seine hohe Stellung über die alexandrinische [648] Gemeinde und gab ihm aus Bevorzugung der Judäer vor den alexandrinischen Griechen eine Gerusia an die Seite (o. S. 631). Während Augustus' langer Regierung starben mindestens zwei Ethnarchen (o. S. 632), von denen der Name des einen sich noch ermitteln läßt. Im Jahre 24 lebte noch ein solcher, den Strabo noch angetroffen hat. Dieser muß den Namen Nikanor gehabt haben. Die talmudischen Quellen berichten nämlich, daß zum Bau des herodianischen Tempels ein Mann aus Alexandrien zwei Flügeltüren aus korinthischem Erz geweiht und sie aus Alexandrien nach Jerusalem gebracht habe. Diese Türen von Goldglanz sollen ebensoviel wert gewesen sein wie Gold. Die Pforte, welche in den ersten Vorhof (Weibervorhof) ins Innere des Tempels führte, wurde nach dem Spender genannt: Nikanorpforte (רונקינ רעש). Es knüpfen sich Sagen an diese Türen, wie sie wunderbarerweise aus dem Schiffbruch gerettet wurden und nach Jerusalem gebracht werden konnten76. Das Faktum ist demnach unzweifelhaft, daß ein Mann namens Nikanor diese wertvollen Türen für den Tempel geweiht hat. Dieser muß außerordentlich reich gewesen sein, eben so reich wie der Arabarch Alexander Lysimachos, welcher später die Pforten desselben Tempels mit Silber und Gold belegen ließ. Aber nur [?] die Arabarchen konnten über einen solchen Reichtum verfügen. Es ist demnach konstatiert, daß zur Zeit des Baues des herodianischen Tempels ein Arabarch Nikanor gelebt hat. Der Tempelbau begann im Jahre 20, in Herodes' 18. Jahre. Damals lebte also Nikanor und wahrscheinlich auch vier Jahre vorher, von dem eben Strabo berichtet hat, daß er eine fürstliche Würde und eine gewisse Machtbefugnis besessen habe. Er starb wohl während Augustus' Regierung, nämlich als einer von den zweien, welche in dieser Zeit starben, und nach deren Tod Augustus Verfügungen für die alexandrinische Judenheit erlassen hat (o. S. 633). Der zweite derselben könnte Lysimachos gewesen sein, der Vater des Alexander. Dieser Alexander war wohl Arabarch in Tiberius' Zeit und muß jedenfalls in dieser Zeit ein Vierziger gewesen sein. Er verwaltete die Güter der jüngeren Antonia. Sein jüngerer Sohn Tiberius Alexander war von 46-48 Prokurator von Judäa noch mindestens als Dreißiger. Sein älterer Sohn Markus wurde noch von Agrippa I mit dessen Tochter verlobt, also noch vor 44, dem Todesjahr dieses Königs, und Markus muß doch wenigstens damals 20 Jahre alt gewesen sein. Ihn und nicht bloß seinen zweiten Sohn Tiberius, muß der Kaiser Tiberius in die gens Julia aufgenommen haben, (o. S. 645).

Großen Reichtum besaß dieser Arabarch Alexander noch unter Tiberius. Denn als Agrippa I. noch ein Privatmann und Abenteurer war und ein Jahr vor Tiberius' Tode tief verschuldet nach Rom reiste (36), machte ihm Alexander bedeutende Vorschüsse, damit er dort als Prinz auftreten könne77. Josephus berichtet gelegentlich von ihm, er habe die Pforten des Tempels mit Gold und Silber reich verzieren lassen (o. S. 319), was ebenfalls seinen Reichtum bekundet, wie es seine Anhänglichkeit an den Tempel in Jerusalem bezeugt. Wie (o. S. 645) nachgewiesen ist, muß Alexander diese Verzierung bereits in den ersten Jahren von Tiberius' Regierung angebracht haben. Ja, er kann [649] schon in Augustus' Zeit arabarchisiert haben. Denn nehmen wir an, daß er bis etwa um das Jahr 50 post gelebt hat (das Jahr, in welchem wohl Demetrios Arabarch war), so könnte er, wenn er auch nur 60 Jahre alt geworden, um 10 ante geboren sein und noch vor Augustus Tode (14 post) als Zwanzigjähriger zum Arabarchen eingesetzt worden sein. Wir hätten also in Augustus' Zeit zu verzeichnen:

Nikanor um 24 bis x ante und

Lysimachos von x ante bis etwa 10-13 post.

Josephus nennt noch einen Arabarchen Demetrios, welcher Agrippas I. zweite Tochter, Mariamne geheiratet hat (o. S. 354). Da diese Mariamne beim Tode ihres Vaters (44) zehn Jahre alt (also 34 geb.) war, und sie den ihr von dem Vater zugedachten Bräutigam, Archelaus, Sohn Chelkias', refüsiert hatte, ehe sie sich mit Demetrios verlobte, so muß sie doch bei dieser Äußerung ihrer Selbständigkeit mindestens 15 Jahre alt gewesen sein. Ihre Verheiratung mit dem Arabarchen Demetrios fand also um 50 statt, Josephus setzt sie auch vor Claudius' Tode an, vor 54 (Ant. XX. 7, 3). Demetrios kann also recht gut Alexanders unmittelbarer Nachfolger gewesen sein Er gibt zwar nicht die Verwandtschaft des erstern mit dem letztern an, aber da er beide gleich als solche bezeichnet, welche durch Abstammung und Reichtum den ersten Rang unter den Judäern Alexandriens eingenommen haben, so muß [?] auch Demetrios von den frühern Arabarchen abstammen und auch zur priesterlichen Familie der Oniaden gehört haben.

Aus Neros Zeit und während der Katastrophe des judäisch-römischen Krieges gibt es keine Andeutung von der Fortdauer der Arabarchie. Bei dem Aufstand der alexandrinischen Judäer gegen die Griechen und dem Blutbade, das ihr Stammesgenosse Tiberius Julius Alexander, damals Präfekt von Ägypten, unter den erstern angerichtet hat (Josephus j. Kr. II. 18, 8), wird nichts von der Anwesenheit und dem Eingreifen eines Arabarchen erwähnt. In der Erzählung von den Vorgängen nach der Zerstörung Jerusalems, daß die nach Ägypten entflohenen Zeloten dort den Krieg gegen die Römer fortsetzten, referiert Josephus, daß die Vornehmsten der judäisch-alexandrinischen Gerusia (das. VII. 10, 1): »πρωτεύοντες τῆς γερουσίας« geraten haben, zur eigenen Sicherheit die Zeloten zu bekämpfen. Unter diesen könnten allerdings der Arabarch oder Ethnarch und seine Verwandten verstanden sein; aber es ist nicht zwingend. Indessen während des hadrianischen Krieges wird der Name eines judäischen Leiters genannt, welcher-auf einen Abkömmling von dem Arabarchen Alexander raten läßt. Eine echte Tradition, anknüpfend an den Vers (Levitic. 26, 19): »ich werde den Stolz eurer Macht brechen,« wendet ihn auf zwei Fürsten, auf Pappus und Julianus Alexander (oder einen Alexandriner) und seine Genossen an, welche die Größen und der Stolz Israels gewesen und gebrochen worden waren (Sifra zum Abschnitt Bechukkotai IV): ולא (םכזע ןואג יתרבשו) םירמוא םירחא סוניילולו (הדוהי ןב) סופפ ןוגכ לארשי לש םנואג םהש םיאגה ויריבחו ירדנסכלא. Julianus Alexander erinnert doch augenscheinlich an den Arabarchen Alexander und an Julius Alexander, den Unterfeldherrn in Trajans Heer, welcher mit Erucius Clarus Seleucia niederbrennen ließ zur Zeit des Aufstandes der Parther und Judäer im Rücken des Kaisers. Dieser Julius Alexander stammte von dem Apostaten Tiberius Julius Alexander ab, und einer seiner Nachkommen hieß Julius Julianus Alexander nach Reniers Annahme (o. S. 644 f). Wie Julius Alexander von der Arabarchenfamilie abstammte, so wohl auch Julianus Alexander. Daher wird dieser Julianus Alexander ein Großer und Angesehener, der Stolz Israels genannt. [650] Mithin muß er zu den πρωτεύοντες gehört haben. Es ist also so gut wie gewiß [?], daß er zur Arabarchenfamilie gehört hat. Dieser Julianus kommt noch einmal mit Pappus vor, wenn auch ohne den Familiennamen Alexander, in einer authentischen Erzählung von dem Unternehmen der Judäer, in der Zeit Josua ben Chananjas', den Tempel zu erbauen. Diese beiden stellten Wechseltische von Akko bis Antiochien auf, um Gelder für den Tempelbau zu sammeln. Genesis Rabba I. 64: ובישוה איכוטנא דעו וכעמ ןייפרט סונאילולו סופפ. Dieses geschah im Anfang von Hadrians Regierung, als dieser den Judäern Konzessionen gemacht hatte. Auch sonst ist bezeugt, daß Pappus und Julianus, die immer zusammen genannt werden, (einige Mal in umgekehrter Reihenfolge, Julianus und Pappus) in der Trajanischen und Hadrianischen Zeit gelebt haben. Daß in diesem Jahrhundert noch ein Arabarch, סיכרבל, in Ägypten existiert hat, der, wie übertreibend angegeben ist, alles geleitet habe, folgt doch auch aus der interessanten Notiz, die bereits besprochen ist (o. S. 630). Diese Notiz stammt aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts und spricht von dem Arabarchen im Tempus der Gegenwart. Also in dieser Zeit war noch immer ein judäischer Arabarch, ohne Zweifel ein Verwandter des Julianus Alexander, vorhanden. Ein anderer Zweig dieser Familie war aber bereits vom Judentum abgefallen und im Römertum aufgegangen. Zu diesem gehörten Julius Alexander unter Trajan, sein Nachkomme Julius Julianus Alexander, ferner Ptolemaios, sein Sohn Apollonios und sein Enkel Julius Ptolemaios, welche auf einer Inschrift aufgeführt werden, deren Zeitalter sich aber nicht bestimmen läßt. Sie mögen Nachkommen des Tiberius Julius Alexander gewesen sein. Es gab also bei den Nachkommen der Arabarchen oder Oniaden mindestens bis ins zweite Jahrhundert eine heidnische und eine judäische Linie. Daraus ergibt sich die interessante Tatsache, daß während ein heidnischer Abkömmling der Arabarchenfamilie unter Trajan die Judäer in Verbindung mit den Parthern bekämpfte, ein anderer Abkömmling derselben, Julianus Alexander, für seine Stammes- und Glaubensgenossen unter Trajan und Hadrian eingetreten ist.

Wenn Schürer die Hoffnung aussprach, daß die Untersuchung über die Alabarchen nichts mit der Theologie zu tun haben dürfte, in so fern das Resultat seiner Abhandlung darüber richtig [ich möchte es dafür halten] ist, so dürfte es sich aus gegenwärtiger Abhandlung herausgestellt haben, daß sie aufs innigste, wenn auch nicht mit der Theologie, so doch mit der judäischen Geschichte verknüpft ist. Die Arabarchen gingen aus der eigentümlichen Stellung der ägyptischen Judäer zum König Ptolemäus Philometor hervor, oder richtiger aus dem Antagonismus des ptolemäischen Königshauses gegen das seleucidische. Antiochos Epiphanes hat den Hohenpriester Onias III. seiner Würde entsetzt, vielleicht ihn auch umbringen lassen und dafür Unwürdige zu Hohenpriestern ernannt. Dieser Onias war ein Gegner der Seleuciden und ein Parteigänger der Ptolemäer. Darum hat Philometor seinen Sohn Onias IV. begünstigt und ihn zum Arabarchen ernannt.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 631-651.
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