10. Das Sendschreiben der Palästinenser an die ägyptisch-judäischen Gemeinden wegen der Feier der Tempelweihe.

[673] Im Eingange zum zweiten Makkabäerbuche findet sich eine merkwürdige Pièce (1, 1-36, 2, 1-18), die den Charakter von Sendschreiben hat, Sendschreiben aus Judäa oder Jerusalem an die Judäer Ägyptens. Diese enthalten Historisches teils aus der Zeit der Makkabäerkämpfe teils retrospektiv aus noch älterer Zeit und auch manche Andeutungen, die anderweitig nicht bekannt sind. Doch diese Punkte sind von geringem Interesse, da sie nicht viel zur Aufhellung geschichtlicher Vorgänge beitragen. Interessant ist diese Pièce lediglich teils wegen der Tatsache selbst, daß die Muttergemeinde mit der alexandrinischen Tochter in Verkehr und brieflicher Verbindung stand oder gestanden haben soll, und teils wegen zweier chronologischer Data, die darin vorkommen und den brieflichen Verkehr chronologisch präzisieren. Diese Data sind nach der seleuzidischen Ära bestimmt, und einmal ist dabei die Regierung des Königs Demetrios angegeben. »Als Demetrios regierte im Jahre 169 haben wir Judäer euch geschrieben (1, 7).« Das andre Datum lautet: »Im Jahre 188« (1, 10). Diese Data wären von bedeutender Wichtigkeit, wenn die Echtheit dieser Pièce festgestellt wäre.

Allein diese wird schonungslos angefochten teils aus dem Inhalte der sendschriftlichen Mitteilungen, teils wegen der Nachbarschaft derselben mit dem zweiten Makkabäerbuche. Dieses Buch, angeblich ein Auszug aus fünf Büchern von einem Jason von Kyrene, enthält so viel sagenhaftes, so gehäufte Wundergeschichten und so viel Verstöße gegen anderweitig bekundete geschichtliche Angaben, daß die Kritik einmütig [vergl. jedoch Schürer III3, 360 f.] ihr Verdammungsurteil darüber ausgesprochen und nur Weniges darin als geschichtlich anerkannt hat (vergl. B. II b., S. 440). Der Eingang zu diesem Buche, eben[673] diese sendschriftliche Pièce, ist, weil man sie als integrierenden Bestandteil von jenem angesehen hat, in das Verdammungsurteil hineingezogen worden. Zwar ist es erkannt worden, daß der Eingang nicht zum ganzen Buche gehöre, daß er sich durch seine Stilfärbung davon wesentlich unterscheide, daß er also ein selbständiges literarisches Produkt bilde und von seiner Nachbarschaft nicht bloß losgelöst werden könne, sondern müsse. Diese Scheidung hat schon Hugo Grotius gemacht. Nichts desto weniger hat diese Pièce nach dem Urteile derer, welche die apokryphische Literatur einer kritischen Untersuchung unterzogen, das Schicksal des zweiten Makkabäerbuches teilen müssen, selbst derer, welche sie als besonderen Bestandteil behandeln.

Allein die Unechtheit dieses Einganges ist noch keineswegs über allen Zweifel erwiesen. Die Argumente, welche dafür geltend gemacht werden, sind keineswegs so durchschlagend, um ein endgültiges Resultat aufzudrängen. Eine kritische Behandlung desselben dürfte vielleicht das Gegenteil ergeben. Grimms ausführlicher Kommentar darüber entscheidet die Frage keineswegs. Beweis dafür sind die schwankenden Urteile bezüglich der Grundsprache, in welcher es ursprünglich geschrieben war, sowie bezüglich des Zusammenhanges oder der Getrenntheit der scheinbar angedeuteten zwei Partien in demselben. Die meisten Ausleger halten das Ganze, d.h. beide Teile, für griechisches Original, Berthold dagegen behauptet, beide seien ursprünglich in hebräischer oder aramäischer Sprache geschrieben gewesen. Schlünkes94 meint, nur die ersten neun Verse seien eine griechische Übersetzung aus einem hebräischen Original, Ewald dagegen umgekehrt: gerade diese verraten griechisches Original, alles Übrige dagegen sei Übersetzung aus dem Hebräischen. Für das Verständnis der Einzelheiten und besonders des historischen Wertes ist diese Frage gar nicht gleichgültig, und es wäre Sache der Kritik oder des Kommentators gewesen, sie endgültig abzuschließen.

Noch mehr tangiert wird das Urteil über die Historizität von der Schwankung bezüglich der Zusammengehörigkeit oder Getrenntheit der scheinbaren zwei Partien. Es finden sich nämlich darin, wie schon angegeben, zwei Data; das zweite Datum (V. 10): »Im Jahre 188: ἔτους ἑκατοστοῠ ὀγδοƞκοοτοῠ καὶ ὀγδόου,« ziehen einige zu den ersten 9 Versen, die andren dagegen trennen es von diesen und verbinden es mit den folgenden Versen, alle aber trennen die 54 Verse in zwei ungleiche Hälften, von denen sie die ersten 9 oder 9 1/2 (wenn das Datum in V. 10 mitgerechnet) zur. ersten Hälfte und die übrigen zur zweiten ziehen. Sie machen daraus zweierlei Sendschreiben. Nur Herzfeld (Geschichte des Volkes Israel II, 444) betrachtete beide Partien als ein einheitliches Ganzes; aber er hat diese seine Behauptung so wenig kritisch begründet, daß Grimm und Keil es nicht der Mühe wert hielten, näher darauf einzugehen und sie mit einem ungläubigen Fragezeichen abfertigten. Der letzte Bearbeiter dieser Partie, Wieseler, nimmt eben so wenig Rücksicht darauf und erklärt sich die scheinbare Inkongruenz durch eine Interpolation. Er meint: Der historische Bericht in 1, 11-17 sei ein späteres Einschiebsel, das Datum in V. 10 sei mit V. 18 und ff. zu verbinden (Theol. Studien und Kritiken, 1875, S. 625). Diese Meinungsdifferenz bezüglich eines literarischen Produktes von so wenigen Versen macht eine erneute kritische Untersuchung nicht überflüssig.

[674] Diese Untersuchung soll folgende Punkte behandeln: 1) Textkritik, 2) die Ursprache, 3) die Einheit oder Verschiedenheit der Teile, und endlich 4) das Historische und Sagenhafte in dem Stücke.

Daß der Text nicht unverdorben erhalten ist, ist so auffallend, daß es in Erstaunen setzen muß, wie die Tatsache hat übersehen werden können. V. 1, 3. καρδίᾳ μεγάλς καὶ ψυχῇ βουλομένς. »Mit großem Herzen Gottes Willen tun« ist gewiß wunderlich und weder griechisch noch hebräisch. Allein dieser Passus spiegelt offenbar die hebräische Wendung (I. Chr. 28, 9) wieder: הצפח שפנב םלש בלב, welche dort übersetzt ist durch: »καρδίᾳ τελείᾳ καὶ ψυχῇ ϑελούσς«. Offenbar hatte auch in diesem Sendschreiben ursprünglich τελείᾳ gestanden und ist in μεγάλς korrumpiert worden.

V. 1, 7. Βασιλεύοντος Δƞμƞτρίου ἔτους ρξϑ´ ἡμεῖς οἱ Ἰουδαῖοι γεγράφαμεν ὕμῖν ἐν τῇ ϑλίψει καὶ ἐν τῇ ἀκμῇ τῇ ἐπελϑούσς ἡμῖν. Um die Schwierigkeit der Konstruktion zu vertuschen, nehmen die Ausleger seit Hugo Grotius hierbei ein ἕν διὰ δυοῖν an, es sei darunter zu verstehen ἐν ἀκμῇ τῆς ϑλίψεως. Und aus diesem Notbehelf haben die Ausleger Kapital geschlagen, das Stück zu verdächtigen. Keil bemerkt darüber (Einleit. 3, S. 715). »Dieses Jahr (169) kann doch nicht als die ἀκμἠ der über die Juden gekommenen ϑλίψις bezeichnet werden, ... weil die Drangsale bereits unmittelbar nach dem Tode Juda Makkabis ihre größte Höhe erreicht hatten.« Wie aber, wenn ἀκμἠ eine Korruptel wäre, so fiele ja dieser ganze Verdachtsbeweis? Und in der Tat übersetzen LXX zu Zephania הקוצמו הרצ ϑλίψις καὶ ἀνάγκƞ. Ganz entschieden lautete hier der Text ursprünglich ebenfalls: ἐν ϑλίψει καὶ ἀνάγκς, und aus dem letzten Wort wurde ἀκμῇ. Die syrische Version reflektiert auch diese L.-A.: אנצלואבו אתקעב ןוכל ןבתכ אידוי ןנא. Auch die Vulgata hat den Parallelismus: in tribulatione et impetu, also auch nicht ἀκμῇ. Dieses Wort ist also unhaltbar und damit auch einer der Hauptbeweise für die Unechtheit.

In demselben V. ist der Passus: ἀφ᾽ οὗ ἀπέστƞ Ἰάσων καὶ οἱ μετ᾽ αὐτοῠ ἀπὸ τῆς αγίας γῆς καὶ τῆς βασιλείας: καὶ ἐνεπύρισαν τὸν πυλῶνα κ.τ.λ., außerordentlich unverständlich. »Seit Jason gewichen ist vom heiligen Lande und vom Reiche, haben sie die Pforte (oder die Pforten) verbrannt und unschuldiges Blut vergossen und ist Not und Drangsal über uns gekommen.« Das Entweichen wird auf Jasons Flucht bezogen (II. Makkab. 4, 26); aber das war doch kein besonderes Unglück. Und wenn ἀπέστƞ »abfallen« bedeuten soll, ist es noch unverständlicher. Abfallen vom heiligen Lande und vom Reiche! Endlich, wer soll die Pforte verbrannt und unschuldiges Blut vergossen haben? Doch nicht etwa Jason und seine Leute nach seiner Flucht? Aber ein anderes Subjekt findet sich beim Prädikat nicht. Man muß also von vornherein annehmen, daß dieser Vers korrumpiert ist, und die Annahme wird durch die syrische Version bestätigt, welche verdient hätte von den Ausll. mehr konsultiert zu werden, da sie überhaupt einen besseren Text erraten läßt. Sie gibt diesen Passus folgendermaßen wieder: ןוסיא רדתשאד ןמ (Plur.) ןמ המעד ןיליאו אערת דקואו אתשידק אעראל אתוכלמ. Sie hat also gelesen: ἀφ᾽ οὗ ἐφέϑƞ Ἰάσων ... καὶ οἱ μετ᾽ αὐτοῠ εἰς τὴν ἁγίαν γῆν ἀπὸ τῆς βασιλείας. Diese L.-A. ist allerdings weniger unverständlich als die vulgäre, befriedigt aber doch nicht vollständig: ἀπέστƞ ἀπὸ bedeutet wohl nichts anderes als »abfallen«; denn sonst hätte ἐκ stehen müssen, wenn es »weichen, sich entfernen« bedeuten sollte. Abfallen kann man aber nicht vom heiligen Lande, sondern vom heiligen Bunde: ἁπὸ τῆς ἁγίας διαϑἠκƞς. [675] Dieses Wort διαϑἠκƞς erscheint aber korrumpiert in γῆς, und vor τῆς βασιλείας muß ergänzt werden οἱ, also ἀφ᾽ οὗ ἀπέοτƞ Ἰάσων καὶ οἱ μετ᾽ αὐτοῠ ἀπὸ τῆς άγίας διαϑἠκƞς καὶ οἱ τῆς βαοιλείας ἐνεπύριοαν τὸν πυλῶνα (τοὺς πυλῶνας). Die Leute vom Reiche, die Leute des Antiochos Epiphanes, haben die Pforten verbrannt und unschuldiges Blut vergossen. Nur dieses ist der einzig richtige Sinn des Verses.

Überdies ist der Text nicht bloß korrumpiert, sondern auch defect. So z.B. 1, 23 b: τῶν τε λοιπῶν ἐπιφωνούντων ὡς Νεεμίου. Dieser Schluß mit dem Nomen im Genitiv gibt gar keinen Sinn. Grimm geht stillschweigend über diese Schwierigkeit hinweg. Die Vulgata zieht diesen Schluß zum folgenden Verse: ἦν δὲ ἡ προσευχἠ: Et Nehemia erat oratio hunc habens modum. Allein dabei kommt weder die Topik des Satzes, noch das voraufgehende ὡς zu seinem Rechte. Die syrische Version gibt aber an die Hand, daß hierbei ein Wort ausgefallen ist. Sie übersetzt: ... אכרשו תקלד אימחנד אולצבד ווה ןירמא. »Die Übrigen stimmten ein, daß durch Nehemias Gebet (das Feuer) angefacht wurde, sich entzündet hat.« Man muß also im griechischen Texte ergänzen: ὡς Νεεμίου προσευχῇ ἀνἠφϑƞ (τὸ πῠρ). Das darauffolgende Gebet kann ebensogut von Nehemia, wie von den Priestern gesprochen worden sein. – V. 2, 11 ist ebenfalls lückenhaft. Mose sprach: διὰ τὸ μὴ βεβρῶσϑαι τὸ περὶ τῆς ἁμαρτίας ὰνƞλώϑƞ. Worauf sich das Verbum ἀνƞλώϑƞ beziehen soll, gibt die Konstruktion nicht an. Die syrische Version ergänzt dazu »Feuer«: לע ארונ התלכא אתטחד אתרפצ לכאתא אלד. Befriedigend ist diese Übersetzung auch nicht: denn es bleibt noch immer dunkel, wen oder was hat das Feuer verzehrt. Höchst wahrscheinlich bezieht es sich auf den Tod der beiden Söhne Ahrons, welche fremdes Feuer gebracht haben. Man muß also statt des Sing. den Plur. setzen: διὰ τὸ ... ἀνƞλώϑƞσαν πυρί Sie, die Söhne Ahrons wurden vom Feuer verzehrt. Der V. Leviticus 10, 1, von dem Feuertode der Söhne Ahrons muß also auch in diesem Sendschreiben angeführt gewesen sein, und zwar, um das Thema des Sendschreibens zu belegen, daß das allererste Opfer bei der Einweihung des Altars auf wunderbare Weise verbrannt worden sein müsse. Und weil die Söhne Ahrons das nicht beachtet haben, und fremdes Feuer dabei verwenden wollten, seien sie bestraft – vom Feuer verzehrt worden. Diese Partie ist also entschieden defekt.

Eine Korruptel steckt auch in 1, 11. »Aus großen Gefahren von Gott gerettet, danken wir ihm sehr: ὡς ἂν πρὸς βασιλία παρατασσόμενοι Dieser Schluß gibt gar keinen Sinn. Das Partizipium mit ὡς ἄν? Man sehe die gezwungene Auslegung de Wettes und Grimms zu diesem Verse. Liest man dafür παραταοσόμενος im Sing., so gibt es einen guten Sinn ὡς mit dem Partizipium und der Partikel ἄν »als wenn, gleichsam Gott gegen den König zu Felde gezogen« wäre [Vgl. den Vorschlag Büchlers in der M. S. XLI (1897), S. 489]. Darauf wird erzählt, wie Antiochos Epiphanes auf eine unerwartete Weise von den Priestern der Nania umgebracht worden sei, und die Erzählung schließt (V. 17): »Für alles sei Gott gepriesen, der die Frevelübenden preisgegeben hat« Dieser unerwartete Untergang sei eine Veranstaltung Gottes gewesen, gleichsam als wenn Gott den grimmigen Feind bekämpft hätte. Liest man gar den Aorist ὤς ἂν ... παραταξάμενος, so ist jede Schwierigkeit gehoben. – Korrumpiert ist wohl auch 1, 3. δῴƞ ἱ μῖν καρδίαν πᾶσιν. Warum nicht lieber ἱμῖν πᾶσιν? Und überhaupt wozu die Verallgemeinerung? Man muß wohl statt πᾶσιν lesen σοφἠν oder [676] Ähnliches, für das hebräische םכח בל oder ןובנ. – Ein Kopistenfehler scheint auch in 1, 10 zu stecken. Wer ist der Judas, welcher zuletzt als Begrüßter aufgeführt wird? Juda Makkabi kann es gewiß nicht sein; denn einen solchen Anachronismus würde ein Fälscher gewiß nicht gemacht haben. Den Namen in Johannes zu emendieren (nach Luther) ist zu gewaltsam und auch unrichtig, da das Epipheton »Hoherpriester« dabei nicht fehlen dürfte. Man muß wohl Ἰούδᾳ im Dativ lesen, und es bezieht sich wohl auf den folgenden Namen Ἀριστοβούλῳ. Der judäische König Aristobul hieß hebräisch Juda, also wohl auch der hier genannte Aristobul.

Andere Korruptelen sind aber dadurch zu erklären, daß das Original hebräisch gewesen und von dem Übersetzer falsch gelesen oder falsch übersetzt sein muß. V. 1, 35: ὁ βασιλεὺς πολλὰ διάφορα ἐλάμβανε καὶ μετεδίδου? »Der König nahm und schenkte?« Das »nehmen« ist doch wahrlich überflüssig. Wenn noch das Partizip stände: λαμβάνων ... oder λαβὼν μετεδίδου. Es setzt aber eine hebräische Fassung voraus (hilleq) קלה ךלמהו ל בר ףסכ ןתנו... und zwar קלה (hilleq) im Sinne von »austeilen, verteilen, spenden.« Der Vertent las חקל und übersetzte ἐλάμβανε ... – V 1, 20 wird erzählt, wie Nehemias die Priester aussandte, das Feuer zu holen καὶ διεσάφƞσαν ἡμῖν »und sie machten uns bekannt, daß sie nicht Feuer, sondern Wasser gefunden haben.« Was soll hier das ἡμῖν, da die Briefschreiber doch eine Geschichte erzählen, die dreihundert Jahre vorher vorgefallen ist? Grimms Notbehelf, daß die Berichterstatter die Form der Autopsie gebraucht haben, ist doch gar zu absurd. Es ist nur erklärlich, wenn man annimmt, daß der Vertent statt וילא ועידוה gelesen hat ונילא. – V. 2, 14: Juda hat das durch den Krieg »διαπεπτωκότα« gesammelt. Dem Zusammenhange nach kann es nur Schriften bedeuten; aber von solchen das Verbum διαπίπτειν zu gebrauchen, ist doch gar zu auffallend. »Zerstreut werden« kann es im Leben nicht bedeuten, allenfalls »zerfallen« oder »verloren gehen«. Würde ein griechisch Schreibender, selbst wenn er nicht zu den besten Stilisten gehörte, nicht lieber διασπαρμένα oder διασκεδασμένα gebraucht haben? Nimmt man aber an, daß im Original zu lesen war רזפנ und der Übersetzer ולפנ gelesen hat, so kann er aus Verlegenheit das. Wort διαπίπτειν gewählt haben. Der Satz könnte im Hebräischen gelautet haben: ץבק הדוהי םג, ונלצא םהו ונילע האבה המחלמה ידי לע ורזפנ רשא לכ.

Vielleicht beruht das crux interpretum ἡμέραι τῆς σκƞνοπƞγίας (1, 9. 18) ebenfalls auf einem Fehler im Original. Statt הכונח ימי mag der Vertent הכס ימי gelesen haben. Der seltsame Genitivus absolutus 1, 23 καταρχομένου Ἰωνάϑου, ein Eigenname, der nicht näher bestimmt wird, und von dem bis dahin keine Rede war, beruht wohl ebenfalls auf einer korrumpierten Stelle im hebräischen Original, nämlich ןותודי statt ןתנוי. Der zweite Punkt unserer Untersuchung bezüglich der Ursprache ist damit erledigt. Sämtliche 54 Verse waren ursprünglich hebräisch.

Reflektiert das Sendschreiben oder die Sendschreiben einen hebräischen Text, so erscheint die Historizität desselben, wenn auch noch nicht gesichert, so doch wenigstens minder zweifelhaft. Denn daß die Behörden in Jerusalem griechisch geschrieben haben sollen, und noch dazu halb hebraisierend und halb in gezierten griechischen Konstruktionen, wäre doch gar zu unwahrscheinlich. Sie können auch nicht eine so vollständige Unkunde des Hebräischen bei den ägyptischen (richtiger alexandrinischen) Judäern und bei dem Ahroniden Aristobul, an den das Schreiben besonders gerichtet ist, vorausgesetzt haben, daß sie mühsam eine griechische Epistel aufgesetzt haben sollten. Denkbarer [677] ist es also, daß die Vertreter Judäas an die Tochterkolonie in Alexandrien ein Sendschreiben in hebräischem Idiome gerichtet haben. Vereinzelt steht der Fall nicht. In beiden Talmuden wird tradiert, daß Jerusalem ein Schreiben an die alexandrinische Gemeinde gerichtet hat, einen Gesetzeslehrer, welcher zur Zeit der Verfolgung der Pharisäer von Seiten Jannaï Alexanders nach Alexandrien entflohen war, ihr zurückzugeben, d.h. nicht zurückzuhalten. (Richtig in Jerus. Talmud Chagiga II, p. 74 d: Sanh. VI, p. 23 c): םילשורימ :ןיבתוכ םילשורי ינב ויהו ינאו םכלצא בשוי יסורא יתמ דע :הנטקה אירדנסכלאל הלודגה וילע המוגע תבשוי (minder richtig Babl. Sotah. p. 47 und Parallele, wo der Name anders angegeben ist und der Inhalt anders lautet).

War die Diktion ursprünglich hebräisch, dann lassen sich die ungefügen Konstruktionen leicht mildern und die Mißverständnisse beseitigen. Ganz besonders wird die anstößigste Stelle (V. 1, 7-9) leicht faßlich werden. »Als Demetrios regierte im Jahre 169, haben wir Judäer euch geschrieben: ἐν τῇ ϑλίψει καὶ ἀνάγκς (statt ἀκμῇ). ... καὶ ἐνεπύρισαν ... καὶ ἐξέχεαν ... καὶ ἐδεἠϑἠμεν ..., καὶ εἰσƞκούσϑƞμεν, καὶ ἐξἠψαμεν ... Es ist offenbar eine zusammenhängende Konstruktion: »Wir waren in Not und Drangsal, als sie die Pforten verbrannten und unschuldiges Blut vergossen, und wir beteten, wurden erhört, brachten Opfer, zündeten die Leuchter an und setzten die Brote vor.« Die ganze Geschichte der Makkabäer, die Drangsale, die darauffolgende Errettung und die Tempelweihe, wird in diesen zwei Versen zusammengedrängt erzählt. Ähnlich ist die gedrängte Mitteilung in einem angeblichen Sendschreiben an die Spartaner (Makkab. I. 12, 13 fg.). Man muß also den Passus: ἐν ϑλίψει καὶ ἀνάγκς ebenfalls als Vergangenes ansehen und dazu ergänzen ὡς ἦμεν oder es in Gedanken supplieren. Im Hebräischen würde die Konstruktion lauten: הקוצו הרצב יכ םכל ונבתכ ... תנשב סוירטימיד ךלמב (לכיהה) ירעש תאו ןוסאי רס תעמ הלאה םינש ונילע הרבע רשא החנמו חבז ברקנו ונלוק עמשיו 'ה לאל לפתנו ... שאב ופרש 'וכו תורנה תא קלדנ. Die Jerusalemer haben dieses alles mitgeteilt während der Regierung des Demetrius im Jahre 169 als bereits alle diese Vorfälle der Vergangenheit angehört haben. Es ist also eine irrige Auffassung, daß dieses Sendschreiben in der Höhe der Drangsale, etwa ἐν ἀκμῇ, geschrieben sei. Nein, diese Partie ist geschrieben oder will geschrieben sein im Vollgefühle der erlangten Freiheit. Warum die Jerusalemer gerade damals den Alexandrinern diese Mitteilung gemacht haben, ist zwar nicht angegeben, aber erraten läßt es sich. Es geschah im Jahre 169 der Seleuziden unter Demetrios. »Im Jahre 170 wurde das Joch der Völker von Israel genommen und das Volk begann in den Urkunden und Verschreibungen vom ersten Jahre Simons zu schreiben« (Makkab. I. 13, 41 fg.). Das Volk bediente sich also mit dem Beginne des Jahres 170 einer eigenen Aera. Aber die Selbständigkeit begann bereits im Verlaufe des vorhergehenden Jahres, als der König Demetrius II. Nikator sie in einer Urkunde anerkannte, die Steuern erließ, Amnestie erteilte und einen Friedensschluß vereinbarte. (Das. 12, 36 fg.) Das Aufhören der Kronengelder setzt das Megillat Taanit in den Monat Ijar (וליטנתיא יאלילכ) d.h. Frühjahr, wenn dieses sich auf die Zeit des Demetrios bezieht. (o. S. 566) Die Konzession kann jedenfalls im Jahre 169 Sel. = 143 gemacht worden sein. Aber selbst wenn sie ebenfalls dem Jahre 170 angehört, so können doch die Jerusalemer es als 169tes gezählt haben. Denn das Sendschreiben enthält die Aufforderung, die Tempelweihe zu feiern (vgl. weiter unten). Da diese im Monat Kislew begangen wurde, so muß die Einladung [678] dazu früher ergangen sein, jedenfalls zwischen Oktober und Dezember. Die Syrer zählten mit dem Oktober den Jahresbeginn 170; für die Judäer dagegen, bei welchen das bürgerliche Jahr mit dem Nissan begann (wie aus Stellen im I. Makkab. [vgl. Schürer a.a.O. I3, S. 32 ff.] erhellt) galt dasselbe Jahr das ganze Wintertrimester hindurch noch als das 169te. Die Jerusalemer konnten also schreiben, daß sie im Jahre 169 Sel. die Freiheit erlangt haben. Dieses Jahr der Befreiung vom Joche galt so sehr als epochemachend, daß ein alexandrinisch-jüdischer Schriftsteller, Eupolemos, es als Abschluß einer chronologischen Verechnung aufstellte, und auch ein anderer Schriftsteller aus Alexandrien, Demetrios, scheint dasselbe Jahr als Abschluß berechnet zu haben (o. S. 602. 605).

Es ist nicht zu verkennen, daß die Jerusalemer in der freudigen Aufwallung über diese Errungenschaft, welche die lange Reihe der Kämpfe und Drangsale seit Antiochos Epiphanes' Eingriffen oder seit Jasons Abfall, seit mehr als 30 Jahren, zum Abschluß brachte, daß in diesem Gefühl der Befriedigung die Jerusalemer an die Alexandriner geschrieben haben. Möglich daß in diesem Schreiben noch ein mehreres enthalten war, was jene früher zu einem gewissen Zwecke für mitteilenswert gehalten haben mögen. Diejenigen, welche dieses Schreiben später auszüglich zitieren wollten, haben nur dasjenige daraus mitteilen wollen, was ihnen für ihren gegenwärtigen Zweck dienlich schien.

Wir kommen damit zu dem dritten Punkt, nämlich zur Untersuchung der Frage, ob hier zwei Sendschreiben oder nur ein einziges vorliegen. Nun, die Vertreter der Zweiheit sind mit ihrer Behauptung so sehr in Verlegenheit, daß sie nicht mit Bestimmtheit angeben können, ob das zweite Sendschreiben mit dem Anfang eines Verses oder mit der Mitte beginnt. Damit ist aber auch diese Annahme gerichtet. Denn man müßte die enggefugte Konstruktion entzwei reißen, wenn man zwei verschiedene Sendschreiben daraus machen will. »Als Demetrios regierte, haben wir euch geschrieben ... und nun, damit ihr die Tage des Monats Kislev begehen möget, schreiben wir euch.« Ständen die Worte in dieser Konstruktion so deutlich, so würde niemand an der Zusammengehörigkeit der 54 Verse zweifeln. Allerdings fehlt der Eingang zum folgenden Passus: γράφομεν oder ἐγράψαμεν. Aber liegt die Einleitung nicht in der Konstruktion? γεγάφαμεν ὺμῖν, ... καὶ νῠν ἵνα ἄγƞτε ... οἱ ἐν Ιεροοολύμοις ... Ἀριστοβούλῳ ... χαίρειν. Die Konstruktion läßt la das Gegensätzliche nicht verkennen. Der mit καὶ νῠν (Vers 9) beginnende Satz verbindet den vorhergehenden Satz γεγράφαμεν (V. 7) durchaus zu einem ganzen. »Unter Demetrios im Jahre 169 haben wir euch geschrieben und jetzt, damit ihr begehen möget ... im Jahr 188 ... die in Jerusalem dem Aristobul ... und denen in Ägypten Heil.« Der Nachsatz »schreiben wir« wäre ja ganz überflüssig, da schon in der Grußformel diese Verbindung liegt. Angedeutet ist doch auch der Nachsatz in V. 18: δέον ἡγƞσάμεϑα διασαφῆσαι ὑμῖν ... Gibt man zu, wie es Grimm tut, daß V. 1, 9 »damit ihr die Tage begehen möget« mit dem voraufgehenden zusammenhängt, so muß man notwendigerweise auch zugeben, daß auch das folgende dazu gehört, da die Aufforderung, die Chanukafeier zu begehen, noch zweimal wiederholt wird (I, 18; II, 16), und das zweite mal ebenso wie das erste mal mit der Aufforderung: ἵνα καὶ αὐτοὶ ἄγƞτε. Reißt man das erste Stück mit dem zweiten Datum davon ab, so ist ja das zweite unmotiviert. Warum sollen denn die ägyptischen Judäer die Feier mitbegehen? Es wäre ja nicht einmal angedeutet. [679] daß die in Jerusalem sie begehen? Der Ausdruck der Feier liegt in ξ$ἠψαμεν τοὺς λύχνους; denn die Chanukafeier bestand nicht bloß nach den talmudischen Angaben, sondern auch nach Josephus in τὰ φῶτα = תקלדה תורנה, Anzünden der Lampen. Folglich bezieht sich die Aufforderung in der zweiten Hälfte notwendigerweise auf die Relation in der ersten Hälfte. Das ganze bildet also unstreitig ein einziges Sendschreiben, welches die Erinnerung einflicht, daß sie, die Schreiber, bereits 17 Jahre früher mit den Adressaten in briefliche Verbindung getreten waren und ihnen von den frühern Leiden und der erfahrenen Errettung Mitteilung gemacht hatten.

Man darf sich nicht an der doppelten Begrüßungsformel V 1 und V. 10 stoßen und daraus die Annahme zweier Sendschreiben rechtfertigen. Die erste: Τοῖς ἀδελφοῖς χαίρειν kann als bloße Überschrift angesehen werden, die Fortsetzung οἱ ἀδελφοὶ ... εἰρἠνƞν ἀγαϑἠν ..., will sagen, daß die Formel hier ernstlich gemeint sei. Die zweite Formel gibt genau an, an wen das Schreiben gerichtet ist, an Aristobul ganz besonders, von dem vorausgesetzt wird, daß er den Wunsch, den die Jerusalemer aussprechen, die Feier des Weihefestes in Ägypten heimisch zu machen, zu erfüllen imstande sein werde95. Mit der Erkenntnis der Einheitlichkeit des Stückes als eines Sendschreibens des hohen Rates in Jerusalem an die angesehenste Persönlichkeit der alexandrinischen Gemeinde tritt der historische Charakter desselben immer mehr heraus. Doch davon später. Noch müssen die Vorurteile gegen dasselbe gebannt werden.

War dieses Sendschreiben in hebräischem Stile geschrieben, wie wohl nicht mehr bezweifelt werden kann, so darf man manche Ausdrücke nicht urgieren, um etwas, was nicht im Zusammenhange liegt, zu folgern, denn sie gehören nicht dem Originale, sondern der nicht ganz geschickten Übersetzung an. So die Wörter ἀπογραφαί (2, 1) ἀναγραφαί und ὑπομνƞματισμοί. Das erste gibt gar keinen Sinn; denn ἀπογραφἠ bedeutet eine Katasterliste und allenfalls eine Abschrift; es ist wahrscheinlich dafür zu lesen ἀναγραφαί. Dieses Wort in Verbindung mit dem gezierten ύπομνƞματιομοί [v. 13] ist wohl einfach eine Übersetzung von ןורכז רפס oder תונורכזה רפס. Wenn es in V. 2, 4 heißt ἦν δὲ ἐν τῇ γραφῇ, so darf man keineswegs mit Grimm das Wort so auffassen, als wenn eine kanonische Schrift oder mindestens ein Apokryphon darunter zu verstehen wäre, sondern das Wort bezieht sich auf das vorgehende ἀπογραφἠ oder ἀναγραφἠ, wie es die syrische Version richtig wiedergibt אנד אבתכב: In derselben Schrift oder Gedenkschrift, in welcher erzählt gewesen sein soll, daß Jeremia die nachfolgenden Geschlechter96 ermahnt habe, von dem verborgenen Feuer zu nehmen und dem Gesetze treu zu bleiben [680] (2, 1-3), sei auch erzählt gewesen, daß dieser Prophet die Stiftshütte, die Bundeslade und den Räucheraltar verborgen habe. Es war nicht ein irgendwie für heilig gehaltenes Buch, sondern eine Denkschrift. Es ist nun ganz gleichgültig, ob man liest (2, 1) Εὑρίοκεται δὲ ἐν ταῖς ἀπογραφαῖς Ιερεμίας ὁ προφἠτƞς ὅτι ἐκέλευοε oder ἐν ταῖς ἀπογρ. Ιερεμίου τοῠ προφἠτου, wie einige Codd., der Syrer und Vulgata haben. Es war jedenfalls eine Denkschrift, die man Jeremia zugeschrieben hat. – Die letzte L.-A. empfiehlt sich wegen ihrer Korrektheit besser. – Es mag eine solche Schrift zirkuliert haben und später untergegangen sein. In einer andern Denkschrift, die auf Nehemia zurückgeführt wurde, war erzählt, daß Nehemia, so wie Salomo die Einweihung des Tempels acht Tage begangen habe. Denn nur so ist V. 2, 13 zu verstehen: ἐξƞγοῠντο δὲ καὶ ἐν ταῖς ἀναγραφαῖς καὶ ἐν τοῖς υπομνƞατιομοῖς τοῖς κατὰ τὸν Νεεμίαν τὰ αὐτὰ, d.h. dasselbe, was vorangehend erzählt wird, daß Salomo eine achttägige Feier begangen habe, geschah auch unter Nehemia. So übersetzt es richtig die syrische Version: ןיד ווד ןינתמ אוה דבע אנכה אימחנד ... אבתכב. Grimm hat diesen wie andere Verse mißverstanden.

Hat Nehemia auch tatsächlich acht Einweihungstage gefeiert? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir einen Haupteinwand gegen die Historizität dieses Sendschreibens in Betracht ziehen: Es könne ja nicht historisch sein, da es den Tempel von Nehemia erbaut und eingeweiht sein läßt, und überhaupt das, was Zerubabel geleistet hat, Nehemia zuschreibt. So lautet einstimmig das Verdammungsurteil sämtlicher kritischer Ausleger, und Keil schließt sich ihnen an.

Dieser Einwand ist aber keinesweges so schwerwiegend. Wenn als Milderungsgrund angeführt werden kann, daß das Sendschreiben oder der Verf. mit diesem Irrtume nicht allein steht, sondern ihn, wie sollen wir sagen, mit dem Talmud, oder wenigstens mit einigen Autoritäten des Talmud teilt, dann mußte man mit dem strengen Urteile zurückhalten. Und in der Tat wird im Talmud aufgestellt, daß Zerubabel und Nehemia identisch seien, daß der erste Name nur allegorischer Natur sei, »in Babel geboren«, Nehemia aber sei der echte Name desselben gewesen (Sanhedrin p. 28 b): הילכח ןב הימחנ ומש המו לבבב ערזנש לבבורז ומש. Veranlassung zu dieser irrtümlichen Identifizierung gab der Name אתשרתה, womit meistens Nehemia bezeichnet wird, der aber in dem Verzeichnis der rückkehrenden Exulanten (Esra c. 2 und Neh. c. 7), auch Zerubabel beigelegt zu sein scheint. Der chronologische Hiatus zwischen dem einen und dem andern störte diese Identifizierung nicht, da den Talmudisten die zweihundertjährige persische Dynastie in 34 Jahre zusammenschrumpfte, indem ihnen die Bedeutung der Könige Achaschwerosch und Artachschaschta nicht bekannt war und noch weniger die Regierungsjahre der persischen Könige (vergl. Seder Olam c. 22-30). Die chronologische Konfusion verrät auch das Buch Daniel, welches von Cyrus bis zum letzten Darius nur vier Könige voraussetzt (11, 1). Aus dieser Unkenntnis der persischen Geschichte und Chronologie konnte der Irrtum entstehen, daß Zerubabel, welcher zu Cyrus' Zeit die Exulanten zurückgeführt hat, identisch sei mit Nehemia, welcher unter Artachschaschta nach Jerusalem gekommen war. Existiert ja eine Sage, daß Zerubabel unter Darius nach Babylonien zurückgekehrt sei (Esra Apokryphus 4, 13 fg., Josephus Altert. XI, 3, 1). Man konnte also in chronologischer Konfusion annehmen, daß der in Jerusalem eingewanderte Nehemia identisch sei mit Zerubabel, welcher unter Cyrus der zurückkehrenden Kolonie der Exulanten vorgestanden und den Tempel erbaut [681] und eingeweiht hat, und zwar sei er dann wieder nach Persien gewandert, Mundschenk des Königs Artachschaschta geworden und habe endlich, zum zweiten male nach Jerusalem zurückgekehrt, die Mauern wiederhergestellt. Man kann also nur den Briefschreibern oder der jerusalemischen Gerusia – vielleicht damals das Synhedrialpaar Josua b. Perachia und Nitthaï aus Arbela – zur Last legen, daß sie in den geschichtlichen Fakten, welche drei oder vier Jahrhunderte vor ihnen vorgefallen waren, sehr schlecht orientiert waren und darum Zerubabel mit Nehemia für identisch gehalten und dem letztern den Bau und die Einweihung des Tempels zugeschrieben haben. In der Drangsalszeit vom Beginn der hellenistischen Wirren und während der Makkabäerkämpfe ist eine solche Unwissenheit verzeihlich.

Steckten die Briefschreiber einmal in dem Irrtum, daß Zerubabel und Nehemia eine und dieselbe historische Persönlichkeit sei, und daß diese den Tempel erbaut und eingeweiht habe, so konnten sie mit Recht geltend machen, daß die Einweihungszeit acht Tage gedauert habe. In der Tat muß das Tempelweihfest unter Zerubabel achttägig begangen worden sein. Im kanonischen Esra (6, 15) ist die Zeit nicht angegeben, aber in Esra Apokryphus (7, 5-6) ist sie angedeutet. Es heißt da, der Tempel ist am 23. Adar vollendet worden, (abweichend vom kanonischen) und darauf sei die Einweihung erfolgt: ἀκολούϑως τοῖς ἐν τῇ Μωυσέως βίβλῳ »übereinstimmend mit der im Buche Mose erwähnten Einweihung« (zu τοῖς ist wohl zu ergänzen ἐγκαινισμοῖς). Worin bestand die Übereinstimmung? In Exodus 40, 17 ist angedeutet, daß der erste Nissan bei der Einweihung der Stiftshütte eine Rolle gespielt hat, und in Leviticus 8, 33; 9, 1 ist angegeben, daß die Einweihung derselben acht Tage gedauert hat. Folglich war der Anfang der 23. Adar. Dieser Auffassung folgen die ersten mischnaitischen Autoritäten (vgl. darüber Ibn Esra zu Exodus Ende). Nach der Angabe des Esra-Apokr. hätten die zurückkehrenden Exulanten bei der Einweihung des Tempels die im Pentateuch angegebene Zeit der Einweihung der Stiftshütte zum Muster genommen, d.h. sie hätten die Einweihung ebenfalls am 23. Adar begonnen und am 1. Nissan vollendet. Das ist der Sinn des Verses im Esra-Apokr. Die Einweihung des Tempels unter Zerubabel hat demnach acht Tage gedauert. Die Sendschreiber konnten also mit Recht angeben (1, 2, 12): »Ebenso hat Salomo acht Tage (der Einweihung) begangen. Und es wird auch in den Denkschriften Nehemias dasselbe erzählt« (oder wie die syrische Version hat), daß Nehemia (d.h. Zerubabel) dasselbe getan hat.« Unter ἀναγραφαὶ καὶ ὑπομνƞματισμοί wäre demnach zunächst das Buch Esra zu verstehen. Von diesem Buche in Verbindung mit Nehemia und Chronik gilt wohl, was in diesem Sendschreiben weiter erzählt wird, daß Nehemia eine Büchersammlung angelegt habe. »Die Geschichte der Könige und Phropheten und (besonders) die Geschichte Davids und die Briefe der Könige in betreff der Weihgeschenke« (an den Tempel). Das letztere ἐπιστολαὶ βασιλέων περὶ ἀναϑεμάτων bezieht sich unstreitig, wie Bretschneider, Hengstenberg und andere es aufgefaßt haben, auf die Gnadenbriefe der persischen Könige: Esra 1, 1 ff.; 6, 3 ff.; 7, 12 fg. Dazu ist noch zu rechnen ein Brief Darius', daß die Einkünfte von Samaria für den Bedarf des Tempels in Jerusalem verwendet werden sollen, der sich zwar nur bei Josephus findet (Altert. IX, 4, 9), aber ohne Zweifel aus dem Esra-Apokryphon stammt, das Josephus benutzt hat. Diese Rezension des Esra kann wohl den Briefschreibern vorgelegen haben, und darum konnten sie mit Recht sagen, daß Nehemia (oder Zerubabel oder Esra) diese Schenkungsbriefe [682] gesammelt hat. »Das die Könige und Propheten und David Betreffende« bezieht sich auf die Chronik, in welcher die Geschichte Davids einen großen Raum einnimmt. Es würde daraus folgen, daß das Dreibuch Esra-Nehemia-Chronik zu dieser Zeit, als das Sendschreiben erlassen wurde – wenn es historisch ist – noch nicht kanonisches Ansehen hatte. Denn während es das, was im Pentateuch von Mose und Ahron und im Buche der Könige von Salomon erzählt wird, als allgemein bekannt voraussetzt, gibt es die Quelle an, in welcher von der Einweihung des zweiten Tempels unter Nehemia (Zerubabel) erzählt wird.

Mit der Annahme, daß das ganze Stück ein einheitliches Ganzes, ein einziges Sendschreiben bildet, daß es in hebräischer Sprache abgefaßt war, daß die Voraussetzung von Nehemias Tempeleinweihung auf einem verzeihlichen Irrtume beruht, und endlich nach Eliminierung der Kopisten- und Übersetzungsfehler, gibt es keinen Umstand in demselben, welcher die Historizität verdächtigen könnte. Die Relation von dem wunderbaren Feuer bei der Tempelweihe und von Jeremias Veranstaltung, die wichtigsten Tempelgeräte zu verbergen, waren wohl ältere Sagen, welche die Briefschreiber geglaubt haben. Was sonst noch gegen die Historizität desselben eingewendet wird, ist von keinem Gewicht. Mögen sie auch wundergläubig gewesen sein, darum können sie doch ein Sendschreiben an die Alexandriner im Jahre 188 Seleucidarum gerichtet haben. Der Einwurf von der ungeschichtlichen Voraussetzung, daß die Chanukafeier erst nach Antiochos' Tode angesetzt worden sei, beruht auf der Annahme von zwei Sendschreiben und auf der andern, daß das zweite mit V. 1, 10, getrennt vom vorhergehenden Datum, beginne, und daß dieses von Juda Makkabi mit unterzeichnet sei. Das sind aber falsche oder doch jedenfalls unerwiesene Voraussetzungen. Der Einwand, warum die Palästinenser so lange gezögert haben, die Alexandriner zur Mitfeier des Chanu kafestes aufzufordern, kann ja in einem uns unbekannten Umstande und in dem Verhältnis der Muttergemeinde zur Tochtergemeinde gelegen haben. Es kann z.B. daran gelegen haben, daß Onias, der nach Ägypten entflohene Hohepriestersohn, noch immer die Hoffnung gehegt haben mag, die erbliche Würde seines Vaters einzunehmen, und darum die Rangerhöhung der Hasmonäer nicht anerkannt sehen mochte. Das hasmonäische Hohepriestertum hing aber aufs engste mit der Tempelweihe zusammen. Das Verdienst, Tempel und Kultus in ihrer Reinheit wiederhergestellt zu haben, beschwichtigte in Judäa das Bedenken, von der Erblichkeit der Hohenpriesterwürde abzugehen. Die alexandrinische Gemeinde auffordern, sich an der Chanukafeier zu beteiligen, war gleichbedeutend mit dem Wunsche, die in Judäa bestehenden Veränderungen, also auch die Übertragung des Hohenpriestertums auf eine andere Familie anzuerkennen. Das hätte gewiß den in Ägypten in hohem Ansehen stehenden Onias verletzt. Aus diesem Grunde mögen die Palästinenser mit der Aufforderung gezögert haben, so lange noch Onias lebte. Im Jahre 188 Sel. = 124 war er wohl nicht mehr am Leben, da seine Söhne um 107 bereits als Feldherren der ägyptischen Königin Cleopatra ihr militärische Dienste geleistet haben (o. S. 638). Es ist also möglich, daß die Jerusalemer die Zeit nach dem Tode Onias' für gelegener hielten, den Alexandrinern die Anerkennung der Tempelweihe vielleicht mit Allem, was sich daran knüpfte, nahe zu legen. Damit wäre auch ein anderer Einwand beseitigt, den man machen könnte, warum denn der im Jahre 188 fungierende Hohepriester, Johann Hyrkan, die angesehenste Persönlichkeit im Staate, nicht in der Aufschrift aufgeführt [683] wird. Es wäre aber wie Eigennutz erschienen, wenn die Aufforderung auch von ihm ausgegangen wäre; die Alexandriner und besonders die Söhne Onias' hätten darin die Absicht erblicken können, seine Hohepriesterwürde anzuerkennen, und mit diesen mochte man es nicht verderben; sie bildeten am alexandrinischen Hofe eine Stütze auch für Johann Hyrkan.

Der Einwurf, welcher noch gegen die Historizität der chronologischen Angabe in diesem Sendschreiben gemacht wird, als wenn Demetrios im Jahre 169 = 143 in Judäa anerkannt gewesen wäre, während »die Judäer in diesem Jahre von Demetrios abfielen und die Partei Tryphons ergriffen hätten,« dieser Einwurf ist urkundlich falsch. Im Jahre 169 = 143 hat Tryphon Jonathan zum Gefangenen gemacht und ihn getötet. Darum fielen die Judäer von ihm ab und wendeten sich Demetrios II. zu; Simon, Jonathans Nachfolger, wandte sich an diesen, dem judäischen Gemeinwesen Konzessionen zu machen, und er ging darauf ein (I. Makkab. 13, 34 fg.).

So läßt sich diesem Sendschreiben von keiner Seite mit anfechtenden historischen Tatsachen beikommen. Nichts spricht gegen dessen Historizität, als daß die Briesschreiber einige Sagen über Tatsachen, die mehrere Jahrhunderte vorher vorgefallen waren, als historisch angenommen haben. Für die Geschichtlichkeit des Sendschreibens spricht aber entschieden der Umstand, daß es Antiochos Epiphanes' Tod nüchtern erzählt und keine Sage daran knüpft. Das erste Makkabb. berichtet, dieser König habe in seiner Krankheit seine Freveltat an den Judäern bereut, das zweite übertreibt noch diese Sage, er habe sich vorgenommen, zum Judentum überzugehen (9, 17). Von diesen Sagen weiß dieses Schreiben nichts. Es muß also vor der Abfassung dieser beiden Schriften geschrieben sein. Unerheblich ist es, daß es Antiochos Epiphanes ebenso enden läßt, wie sein Vater umgekommen war, durch einen Angriff der Priester auf ihn wegen Tempelschändung. Wenn es eine Verwechslung ist, so berührt sie nicht den Hauptinhalt des Briefes [Vgl. hierzu jedoch Büchlers Ausführungen a.a.O., S. 482-495].

Je schärfer man den Inhalt des Sendschreibens ins Auge faßt, desto mehr tritt die Geschichtlichkeit desselben ans Licht. Sein Zweck war, die Judäer in Ägypten dafür zu gewinnen, daß auch sie die Chanukafeier begehen mögen. Diese Aufforderung wird dreimal wiederholt (1, 9, 18; 2, 16). Zweimal ist angegeben, daß die Jerusalemer diese Aufforderung zur Zeit ergehen lassen, als sie im Begriff sind, die Feier zu begehen: μέλλοντες νῠν ἄγειν. Bei dem ersten mal ist angegeben, daß sie es im Jahre 188 Sel. tun. Um die Wichtigkeit dieser Feier zu begründen, werden zwei Umstände angeführt; der eine, daß Gott selbst die Errettung herbeigeführt habe, indem Antiochos Epiphanes auf eine ungewöhnliche Weise umgekommen sei, als wenn Gott selbst gegen ihn Krieg geführt hätte: ὡς ᾃν πρὸς βασιλέα παρατασσόμενος (o. S. 676). Dafür sei Gott zu preisen, welcher die Frevler preisgegeben hat (1, 17). Als zweiter Grund wird angegeben, daß diese Feier noch an ein anderes wunderbares Faktum erinnere, an das außergewöhnliche Feuer für den Altar bei der Einweihung des Tempels unter Nehemia (Zerubabel). Die L.-A. (1, 18): ἵνα αὐτοὶ ἄγƞτε (ἡμέραν) τῆς σκƞνοπƞγίας καὶ τοῠ πυρός ist gegen die verschlimmbessernde L.-A. durch die lat. Übersetzung: ut et vos quoque agatis diem scenopegiae et diem ignis, qui datus est quando Nehemias etc. gesichert. Man muß demnach ergänzen τοῠ πυρὸς, ὅ ἐδόϑƞ, ὅτε Νεεμίας κτλ. Damit will ausgedrückt sein, daß der 25. Kislew, der Tag für die Feier der Tempelreinigung, auch für das wunderbare Feuer eingesetzt sei. Es [684] ist also ein argumentum ad hominem. Wenn die Alexandriner etwa Bedenken tragen sollten, sich an der Chanukafeier zu beteiligen, so mögen sie in Erwägung ziehen, daß dieser Tag auch an einen andern wunderbaren Vorgang erinnert. Zu diesem Zweck wird die Geschichte von dem als dichtes Wasser verborgenen Feuer vom Serubabelschen Tempel erzählt (1, 19-36). Zur Bestätigung dessen wird hinzugefügt, daß dieses noch bis auf die Gegenwart genannt werde Nephtar (oder תפניג-? Syrer), dieses bedeute Reinigung (καϑαρισμός), die Menge spreche aber das Wort entstellt aus Nephthaei. So rätselhaft dieses Wort auch ist, so will doch das Sendschreiben offenbar damit beweisen, daß eine Erinnerung an die Tempelweihe durch nasses Feuer noch in der Gegenwart geblieben sei. Es fügt noch weiter hinzu: In einer Schrift Jeremias sei erzählt, daß dieser Prophet für die nachfolgenden Geschlechter (o. S. 680 N) angeordnet habe, mit dem von ihm verborgenen Feuer so zu verfahren; er habe auch eingeschärft, das Gesetz nicht zu vergessen, und habe Stiftshütte, Bundeslade und Räucheraltar auf dem Berge, von dem aus Mose das Land übersehen, verbergen lassen. Diese würden erst wieder bekannt werden, wenn die Zerstreuten Israels gesammelt werden würden (2, 1-8a). Alle diese Angaben sollen für die ägyptischen Judäer die hohe Bedeutung des wunderbaren Feuers und des dafür eingesetzten Gedenktages hervorheben, damit sie gewonnen werden, auch ihrerseits den 25. Kislew zu feiern.

Zum Schlusse folgen Beispiele, um 2 Punkte zu konstatieren, einmal daß die Einweihung des Heiligtums durch wunderbares Feuer sanktioniert worden sei, und stets dadurch sanktioniert werden müsse, und dann, daß die Einweihung acht Tage gedauert habe. Die dafür angeführten Beispiele sind: die Einweihung der Stiftshütte durch Mose und die des Tempels durch Salomo. Daran schließt sich die Einweihung des zweiten Tempels unter Nehemia (Zerubabel). Diese Vergleichung beginnt mit V. 2, 8 b und wird ausgedrückt durch ὡς καὶ ... καϑὼς καὶ ... ώςαύτως καὶ. »So wie Salomo wünschte, daß der Ort geheiligt werde ... und Einweihungsopfer darbrachte, so wie Mose betete und Feuer vom Himmel kam und das Opfer verzehrte«, so betete auch Salomo, und Feuer verzehrte das Opfer. So ist der Zusammenhang von V. 8 b mit 9-10 zu erklären. Das ist der eine Beleg, wodurch bestätigt werden soll, daß bei der Einweihung des zweiten Tempels auch Gebet um himmlisches Feuer und Gewährung desselben notwendig gewesen sei. Diese Folgerung wird aber nicht weiter ausgeführt, weil schon früher von dem Feuer unter Nehemia weitläufig erzählt war. Mehr lag den Sendschreibern an dem Umstande, daß die Einweihung jedesmal acht Tage gedauert habe. Für die Zeit Moses wird V. 11 angeführt, der aber jedenfalls defekt ist (vgl. o. S. 676). Daran reiht sich V. 11: ὡσαύτως καὶ Σολωμὼν τὰς ὀκτὼ ἡμέρας ἤγαγεν. »So wie auch Salomo eine achttägige Einweihungsfeier beging.« V. 13 beweist, daß dasselbe, τὰ α$τά, nämlich die achttägige Feier, auch unter Nehemia (Zerubabel) stattgefunden habe (vgl. o. S. 681). Nun hätte die Nutzanwendung gemacht werden müssen, daß der Katharismos unter dem Makkabäer Juda ebenfalls acht Tage gedauert habe, es sei also nach vollgültigen Mustern verfahren worden, und die Feier vom 25. Kislew wäre also nachahmenswert und religiös geboten. Diese Nutzanwendung wird aber nicht gemacht, sondern es wird ein anderes Vergleichungsmoment herangezogen. So wie Nehemia Schriften gesammelt habe, so habe auch Juda die durch den Krieg zerstreuten (Schriften) gesammelt (13 b–14). Unter diesem Juda ist ohne Zweifel Makkabi zu verstehen, sonst[685] hätte der V. keinen Sinn [vgl. Büchler a.a.O. S. 549]. Auffallend genug ist es, daß eine andersartige Vergleichung gemacht wird. Entweder ist die Stelle defekt, oder die Schreiber haben die Vorgänge unter Juda Makkabi nicht scharf betonen wollen. Das Ganze schließt mit der Wiederholung der Aufforderung: »Da wir im Begriffe sind, die Tage der Reinigung zu begehen (nämlich im Jahre 188), schreiben wir euch; ihr würdet recht tun, die Tage (ebenfalls) zu begehen«. So ist der Zusammenhang klar und abgerundet. Selbst die Schlußbetrachtung (2, 17-18) ist situationsgemäß: »Gott wird, wie er verheißen, sämtliche Söhne seines Volkes bald ins heilige Land sammeln, das er doch aus großen Übeln befreit und die Stätte gereinigt hat«. Es ist eine Andeutung, daß die in Ägypten wohnenden Judäer, so behaglich sie sich auch dort fühlen mögen, doch nicht dorthin gehören, sondern zum heiligen Lande und zum heiligen Tempel, der doch in letzter Zeit, nach erfolgter Reinigung von der Entweihung, neuerdings der göttlichen Gnade gewürdigt worden sei. Diese sollen sich also nicht als eine gesonderte Gemeinschaft betrachten, sondern ihrer Zusammengehörigkeit mit den Bewohnern des heiligen Landes eingedenk sein und also mit ihnen gemeinsam die in Jerusalem eingesetzte Feier begehen. Vielleicht liegt auch darin ein leiser Protest gegen den Oniastempel.

Ist also der Inhalt des Briefes mit Ausnahme der Sagen und der Identifizierung Nehemias mit Zerubabel – welche die Schreiber bona fide gegeben haben, – historisch und nicht das Machwerk eines Falsarius, so gewährt er uns einen Einblick in das Verhältnis der Muttergemeinde zur ägyptischen Kolonie. Diese nahm keineswegs lebendigen Anteil an den Vorgängen in Judäa während der Makkabäerkämpfe, auch nicht an der Tempelweihe. Die Chanukafeier zu begehen, mußte sie erst aufgefordert werden. Wenn also das II. Mäkkabb. angibt, daß in Jerusalem bestimmt worden sei, daß das ganze judäische Volk diese Feier begehen sollte (10, 8): παντὶ τῷ τῶν Ἰουδαίων ἔϑνει κατ᾽ ἐνιαυτὸν ἄγειν τάσδε τὰς ἡμέρας, so ist das der Erfahrung einer späteren Zeit entnommen. Es geht aber auch aus dem Sendschreiben hervor, daß in Judäa ein hoher Wert darauf gelegt wurde, die ägyptischen Judäer zur Lebensgemeinschaft heranzuziehen. Zweimal ist von Jerusalem aus an diese ein Sendschreiben gerichtet worden, unter Simon im Beginne seiner Verwaltung 169 Sel. = 143 und unter Hyrkan I 188 Sel. = 124. Wir erfahren auch daraus, daß es damals eine Gerusia gegeben hat, was übrigens aus dem I. Makkabb. bekannt ist. Interessant ist auch in dem Sendschreiben das Kompliment, welches dem Aristobul gemacht wird, daß er vom Geschlechte der gesalbten Priester, d.h. der Hohenpriester, sei und zum König Ptolemäus in naher Beziehung stehe, dessen Lehrer sei. Es ist offenbar eine captatio benevolentiae. Unter dem König Ptolemäus kann nur Ptolem. VI. Philometor gemeint sein. Aus diesem Sendschreiben stammt der jüdische Peripatetiker Aristobulos. Ein anderes Dasein hat er nicht und der Verf. hat ihn mit Philometor in Verbindung gesetzt (o. S. 622 [u. die Bemerkungen dazu]).

Ist unser Sendschreiben historisch – und, wie erwähnt, spricht nichts dagegen, und nicht wenig dafür – so ließe sich daraus das Zeitalter des judäisch-alexandrinischen Schriftstellers Eupolemos, oder wenigstens die Zeit der Abfassung seiner Schrift: »über die Judäer oder die Könige Judas« limitieren. In einem Fragment bei Eusebius (praepar. evang. XI. c 39) ist nach Eupolemos angegeben, daß Nebuchadnezar alles Metall aus dem Tempel nach Babylonien transportiert habe, aber nicht die Bundeslade mit den steinernen Tafeln, diese habe Jeremia zurückgehalten: »χωρὶς τῆς κιβωτοῠ καὶ τῶν ἐν [686] αὐτῇ πλακῶν. ταύτƞν δὲ τὸν Ιερεμίαν κατασχεῖν«. In unserem Sendschreiben ist eben diese Tatsache angegeben und werden zur Bewahrheitung derselben Schriften von Jeremia angeführt, welche solches bezeugen. Diese Sage war also nicht allgemein bekannt, indem das Sendschreiben die Quelle dafür namhaft zu machen für nötig hielt. Eupolemos, oder wer sonst Verf. jenes Fragments war, kann daher die Sage nur [?] aus diesem Sendschreiben entlehnt haben. Nun ist dieses 124 abgefaßt. Die, nennen wir sie Eupolemische Schrift, kann daher erst nach 124 geschrieben sein (vgl. o. S. 604).


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 673-687.
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