II. Die Makarjiten oder Magharijiten[510] 158.

Um die Lesung des Namens zu rechtfertigen, bemerke ich von vornherein, daß de Sacy bei Abulfeda, welcher die ganze Stelle aus Scharastani ausgezogen, die Lesart gefunden hat: היראקמלא, und nicht הבראקמלא, wie Curetons Text lautet. Diese Lesart ist schon darum falsch, weil jeder Sektenname im Arabischen die Endung הי haben muß; es hätte denn heißen müssen היבראקמלא. Bei Jehuda Hadassi nach Almokammez lautet der Sektenname הידגמלא, gewiß zu lesen הירגמלא, so daß die Differenz zwischen der einen und der anderen Lesart nur im ג oder ק besteht. Die Bedeutung dieses [510] Namens ist unklar. Scharastani bemerkt, nachdem er die Dogmatik der Makarija auseinandergesetzt, der Urheber derselben sei Benjamin Nahawendi: ןימאינב וה הלאקמלא הדה בחאצ ליקו ידנואהנלא159. Dasselbe scheint Almokammez sagen zu wollen, mit den Worten: (רמאמכ oder) ןימינב רמאמב ידנאהה. Der Lehrinhalt dieser Sekte ist rein dogmatischer Natur. – Der Mittelpunkt dieser Dogmatik war nach Scharastani, daß Gott zu erhaben ist, um sich Menschen zu offenbaren: םלכי ןא ןע ילאעת ברלא ילעתיו אמילכת ארשב. Die Offenbarung sei daher vermittelst eines Engelsgeschehen: איבנאלא בתאכ ילאעת הללא ןא ךאלמ הטסאוב . Diesen Engel habe Gott zu seinem Statthalter, gewissermaßen zu seinem Vize-Gott, gemacht, und alles, was in der Thora vom Tun Gottes erzählt wird, beziehe sich auf diesen Engel. Sämtliche Verse in der Thora, welche anthropomorphisch klingen, seien allegorisch zu nehmen: תאיאלא ןא הלואמ אהלכ הירותלא יפ ההבאשתמלא. Ganz dasselbe berichtet Almokammez (freilich bei seinem Epitomator verdunkelt). Die ganze Stelle lautet: Im Gegensatze zu den Sadduzäern, welche Gott körperlich faßten: הז ףולחב הידגמלא דעב (ץמקמלא ןאורמ ןב דוד) םג רפסו הרותה רופסב םא יכ ןוימדב ןיפיסומ םה אל יכ םרושק םיהלאל םה יכ םירמוא דועו םיררבמו םישרפמ םטושפכ הירופס רשא םלועה תא ארב רשא ךאלמה אוה םהמו םיכאלמ תצקמל םירופס ידנאהה ןימינב רמאמב. Auch aus einem Zitat bei Joseph Roeh sehen wir, daß Benjamin Nahawendi annahm, Gott habe zuerst einen Engel erschaffen, und dieser Engel sei der Weltschöpfer: רשא ידנוהנלא ןימינב ירבדו ודי לע םלועה תא ארב ךאלמהו ךאלמ ארב ש"תי 'ה יכ רמאי םלכ םדאה ינבלו ץראהו םימשה.

Diese Lehre von der Verwerfung des Anthropomorphismus (Muschabbiha) und der allegorischen Auslegung der Thora ist ganz die der mohammedanischen Mutazila. Wir sehen daraus, daß Benjamin Nahawendi, so wie Judghan, der den Kadr (liberum arbitrium) behauptete, Mutaziliten waren und eben so deren Anhänger, die Judghaniten und Makarijiten. Damit stimmt Makrizis Bericht überein, daß die Karäer (Ananiten) die strenge Gotteseinheit und die Gerechtigkeit behaupteten und die Vergleichung Gottes verwarfen, d.h. sich der Theorie der Mutaziliten angeschlossen haben: יפנו לדעלאו דיחותלאב לוקת הינאנעלאפ היבשתלא (bei de Sacy, Text 116). Dasselbe berichtet Maßudi, der die Ansichten der Juden seiner Zeit aus Umgang mit ihnen sehr gut kannte, daß die Karäer Mutaziliten waren: לדעלא ילא בהדי ןמ םהו הינאנעלאו דיחותלאו (das. 350). Auch Maimuni berichtet, daß die Karäer (und die späteren Gaonen von Saadia an) dem moslemitischen Kalam, d.h. der Mutazila, gefolgt sind und einiges davon entlehnt haben: רזגלא אדה אמא קלעתי אמו דיחותלא ינעמ יפ םאלכלא ןמ הדגת ידלא ריסילא אהודכא רומא יהפ ןארקלא דנעו םינואגלא ץעבל ינעמלא אדהב םאלכלא ןמ ןימלכתמלא ןע (More I, Cap. 71, ed. Munk, p. 91, Text). Ebenso berichtet Aaron Nikomedi, daß die Karäer und einige Rabbaniten sich der Mutazila angeschlossen haben, weil deren Grundsätze mit der Thora übereinstimmen: םינברה ימכחמ תצקו םיארקה ימכח תודוסיל םימיכסמ םהינינע וארשכ הלזתעמ תועד ירחא וכשמנ הרותה [511] (Ez-Chajim, ed. Delitzsch, S. 4). Wenn nun Scharastani das Entgegengesetzte referiert, daß in betreff der dogmatischen Streitpunkte: Kadr (und Muschabbiha) die Rabbaniten der Mutazila und die Karäer der entgegengesetzten Theorie huldigen: אמאו ןויארקלאו אניפ הלזתעמלאכ םהנמ ןוינאברלאפ רדקלאב לוקלא ההבשמלאו הרבגמלאכ (165), so beruht das auf einer Veränderung, die bei Rabbaniten und Karäern vorgegangen war. Mit Saadia neigte sich der Rabbanismus der Philosophie, d.h. dem Kalam der Mutazila, zu160 und die letzten Gaonen traten schriftstellerisch als solche auf. Saadias Zeitgenosse Aaron Ibn-Sarǵadu, sein Sohn Doßa, R' Haï und sein Schwiegervater Samuel ben Chofni, auch ein gewisser Ibn-Alakuli161, alle diese waren jüdische Mutaziliten. Da Scharastani die Schriften einiger von ihnen gelesen hatte, so konnte er mit Recht berichten, die Rabbaniten gehen mit der mohammedanischen Mutazila. Die Karäer dagegen sanken seit Salmon ben Jerucham und Jephet ben Ali immer tiefer in Geistlosigkeit und Askese und mögen im Orient, so weit Scharastani Gelegenheit hatte, sie kennen zu lernen, ein klägliches Bild geboten haben.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1909, Band 5, S. 510-512.
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