Kambyses

[189] Nach Kyros' Tod übernahm sein ältester Sohn Kambyses (pers. Kambudschija)332, den er von seiner Gemahlin Kassandane, der Tochter des Pharnaspes aus achämenidischem Geschlecht (Herod. III 3), gezeugt hatte, die Regierung333. Wie zu erwarten war, [189] wandte der neue König seine Waffen gegen Ägypten, den einzigen der großen Staaten der vorderasiatischen Kulturwelt, welcher den Persern noch nicht gehorchte. Die Expedition wurde sorgfältig vorbereitet. Die Phöniker stellten eine Flotte, die cyprischen Fürsten, ebenso Polykrates von Samos traten zu Kambyses über (Herod. III 19. 44). Die Araber der Sinaihalbinsel unterstützten wie zur Zeit Assarhaddons (o. S. 78) den Zug, indem sie für Kamele und Wasser sorgten. Die Führung übernahm der aus Ägypten flüchtig gewordene Söldnerführer Phanes von Halikarnaß. So trat Kambyses Anfang 525 die Expedition an. Um dieselbe Zeit war Amasis gestorben, sein Sohn Psammetich III. (Herod. Ψαμμήνιτος) zur Regierung gelangt. Das persische Heer erreichte ohne Unfall die Grenze Ägyptens. Bei Pelusium kam es zur Schlacht, in der die Ägypter und ihre Söldnertruppen geschlagen wurden. Kambyses rückte gegen Memphis vor und nahm die Stadt nach längerer Belagerung. Damit war das Schicksal des Landes entschieden (Sommer 525). Auch die Libyer und die Griechen Kyrenaikas unterwarfen sich der persischen Oberhoheit. Psammetich III. selbst fiel in die Hände der Perser. Nach Herodot wurde er, als er eine neue Erhebung plante, hingerichtet, nach Ktesias, der ihm den Namen Amyrtäos gibt, mit 6000 Ägyptern in Susa interniert.

Wie Kyros in Babylon, trat Kambyses in Ägypten durchaus als Nachfolger der Pharaonen auf. Daß unter der Beute auch zahlreiche Götterbilder aus Ägypten fortgeführt wurden, ist sehr begreiflich (Dekr. von Kanopos); aber Kambyses nahm die volle Titulatur der Pharaonen an, besuchte die Tempel, brachte der Neit von Sais334 und dem Ptaḥ von Memphis seine Huldigung dar und bestätigte ihnen ihre Einkünfte und Privilegien. Aber viele andere hat er geplündert und ihr Eigentum nebst den Bezügen der zahlreichen Priesterschaften konfisziert. Daß er dabei die ägyptische Religion – zumal die Tiergötter, die dem Perser fremdartig und unwürdig erscheinen mußten – verspottet habe, ist nicht [190] zu bezweifeln; auch die Tötung des heiligen Apisstieres, um seine Göttlichkeit zu widerlegen, ist historisch: dieser ist im J. 524 bestattet worden. Das Bild, welches die Tradition von dem Charakter des Königs, seiner wilden Weinlaune und seinem jähzornigen, aufbrausenden Temperament entwirft, wird nicht verzeichnet sein. So ist, als dann die Reaktion unter Darius eintrat, sein Andenken von Regierung und Volk preisgegeben worden; in voller Übereinstimmung mit den Erzählungen Herodots sagen die Juden der in der südlichen Grenzfestung Elephantine angesiedelten Militärkolonie in einer offiziellen Eingabe an die persische Regierung aus dem J. 407, daß unter Kambyses alle Tempel der Götter Ägyptens zerstört worden seien, nur dem Tempel, den sie mit Erlaubnis der ägyptischen Könige ihrem Nationalgotte Jahu errichtet hatten, habe damals niemand etwas angetan.

Nach der Besiegung Ägyptens mußte Kambyses, ähnlich den Zeitgenossen Alexanders, glauben, den Rest der Erde leicht bezwingen zu können. Indessen eine Expedition, die er gegen Karthago plante, scheiterte an der Weigerung der Phöniker, gegen ihre Landsleute zu Felde zu ziehen. Dagegen sandte er Truppen in die Libysche Wüste, welche die Große Oase unterwarfen, aber bei dem Versuch, durch die Sandwüste gegen das Ammonium vorzudringen, ihren Untergang gefunden haben sollen. Der König selbst zog gegen Äthiopien; freilich ist der Versuch, durch die Nubische Steppe ins obere Niltal vorzudringen, wie früher ein ähnlicher Zug der Assyrer (vgl. o. S. 83), an der Unwegsamkeit des Landes gescheitert335. Ganz so erfolglos, wie die Ägypter behaupteten, ist seine Expedition aber kaum verlaufen. Die »Äthiopen südlich von Ägypten« zahlen unter Darius Tribut und leisten Heeresfolge, und dieser rechnet die Kuschiten (Kušijâ) zu seinen Untertanen. Wenn die Tradition erzählt, Kambyses habe Meroe erobert und nach seiner Schwester benannt, so mag darin ein Nachklang der Tatsache enthalten sein, daß seit der [191] Perserzeit die Residenz des Äthiopenreichs nach Meroe am oberen Nil verlegt ist, während Napata verfiel336.

Bis zum Anfang des J. 522 blieb Kambyses in Ägypten. Dann wurde er durch die Nachricht von einer Empörung, zu der seine jahrelange Abwesenheit und die Unzufriedenheit mit seinem tyrannischen Regiment den Anlaß gaben, in die Heimat zurückgerufen. Ehe er nach Ägypten zog, hatte er seinen jüngeren Bruder Bardija (Smerdis, Ktes.: Tanyoxarkes), dem nach Ktesias Kyros die Verwaltung der oberen Provinzen (Baktrien, Chorasmien, Parthien und Karmanien) übertragen hatte, heimlich umbringen lassen. Ein Magier Gaumâta (Justin: Cometes), der dem Ermordeten ähnlich sah, gab sich jetzt für diesen aus und forderte zum Abfall von Kambyses auf. »Alles Volk fiel ihm zu, Persien, Medien und die übrigen Provinzen«; nach Herodot hätte er allen Untertanen Steuerfreiheit auf drei Jahre und Befreiung vom Kriegsdienst gewährt. Am 9. Garmapada (Sommer 522) ergriff er die Herrschaft. Kambyses brach auf, um sein Reich wiederzugewinnen. Aber als er nach der syrischen Stadt Egbatana (Ḥamât) gekommen war, fand er, wie Herodot berichtet, durch eine Wunde am Schenkel den Tod (etwa März 521). Nach den Berichten der Schriftsteller war es kein Selbstmord, sondern eine zufällige Verwundung; die Worte der Bisutuninschrift »er starb seinen Tod« bestätigen diese Angabe337. Vor seinem Tode, so erzählt Herodot, bekannte er die Ermordung seines Bruders und forderte die anwesenden Magnaten auf, den Betrüger zu entlarven und die Herrschaft den Achämeniden zu bewahren.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 3, S. 189-192.
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