Expedition des Mardonios

[304] Mardonios hat den Feldzug gegen Griechenland streng methodisch angelegt. Ein starkes Heer sollte auf dem Landwege durch Thrakien vorrücken, durch die Flotte gedeckt und in seinen Verbindungen gesichert; so konnte die Unterwerfung Griechenlands systematisch durchgeführt werden. Zu Anfang des Jahres 492 brach die in Kilikien gesammelte Reichsarmee nach dem Hellespont auf; die Flotte, welche bei Lade gesiegt und die Ionier bezwungen hatte, führte Mardonios selbst. Aber auf dem langen Marsch durch Thrakien verzettelte das Landheer Zeit und Kräfte in Märschen und Einzelkämpfen. Namentlich durch die Bryger in Makedonien erlitt man empfindliche Verluste; Mardonios selbst wurde verwundet. Verhängnisvoller noch war, daß die Flotte bei dem Versuch, die Felswand des Athos zu umschiffen, vom Sturm erfaßt und großenteils vernichtet wurde – 300 Schiffe, berichtet die Tradition, seien damals untergegangen, über 20000 Menschen umgekommen. Die geringe Manövrierfähigkeit der hochbordigen Trieren bei schwerem Seegang und das ängstliche Haften an der Küste sind der persischen wie so vielen anderen Flotten des Altertums verhängnisvoll geworden. Der Rest der Flotte war nicht mehr imstande, das Landheer in wirksamer Weise zu unterstützen. Somit war die Expedition gescheitert; nach Unterwerfung der Bryger mußte Mardonios die Armee nach Asien zurückführen. Daß die Herrschaft über Thrakien gefestigt und erweitert und dabei auch die reiche Insel Thasos den Persern untertan geworden war – sie mußte im nächsten Jahr ihre Mauern niederreißen und ihre Schiffe ausliefern –, vermochte den vollen Mißerfolg des mit so sicheren Erwartungen begonnenen Kriegszugs nicht zu verdecken362.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 304.
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