Dionysios im Adriatischen Meer und gegen die Etrusker

[152] Der Sieg am Eleporos und die Eroberung von Rhegion bezeichnete für Dionys den Abschluß einer elfjährigen schweren Kriegszeit. Sein Reich war jetzt im Inneren wie nach außen fest begründet; es war zu einer gewaltigen Macht erwachsen, die fortan ausschlaggebend in die Welthändel einzugreifen vermochte253. Schon während der Belagerung Rhegions hatte er bei der Olympienfeier von 388 den vollen Glanz seiner Macht entfaltet (u. S. 264); im [153] Jahr 387 entsandte er seinen Schwager Polyxenos mit 20 Schiffen nach dem Hellespont, um Sparta die ihm geleistete Unterstützung in einem entscheidenden Momente zu vergelten und, indem er im Bunde mit diesem und dem Großkönig der Griechenwelt den Frieden auferlegte, Spartas Herrschaft neu zu festigen (u. S. 267). Vor allem aber waren seine Blicke auf das Adriatische Meer gerichtet: die Herrschaft über dies Meer zu gewinnen, war das nächste Ziel seiner Politik254. Schon vor einiger Zeit hatte er im südlichen Illyrien an der Mündung des Drilon (Drin) die Stadt Lissos (jetzt Alessio) angelegt255. Von hier aus unterstützte er den verjagten Molosserfürsten Alketas, der an seinen Hof geflüchtet war, warb ihm illyrische Truppen und führte ihn in sein Land zurück. Weiter im Norden, in dem Archipel an der dalmatischen Küste, scheinen die Griechen schon früher Niederlassungen gegründet zu haben: Schwarz-Korkyra (jetzt Curzola)256 ist von Knidos aus besiedelt, auch Issa (jetzt Lissa) gleichfalls mit dorischer Bevölkerung257, mag schon früher besetzt sein. Jetzt, im J. 385, legten die Parier mit Dionys' Unterstützung eine Kolonie auf der Insel Pharos (jetzt Lesina) an; als sie von den Illyriern des Festlandes angegriffen wurden, sandte Dionys ihnen den Kommandanten von Lissos zu Hilfe, der mit seinen Trieren die illyrischen Kähne versenkte und unter den Barbaren ein großes Blutbad anrichtete258. Auch Issa scheint von Dionys besetzt und durch neue [154] Ansiedler verstärkt worden zu sein. Während der nächsten Jahrzehnte haben diese Kolonien manche Erfolge errungen: die Pharier erfochten einen Sieg über die Iadasiner, die Bewohner von Iader (jetzt Zara) im Liburnergebiet259, Issa besetzte auf dem Festlande die Orte Tragurion (jetzt Traù) und Epetion und legte in der Zeit des Dionysios oder kurz nachher auf Schwarz-Korkyra eine Kolonie an260. Auch eine Griechenstadt Herakleia (im Gebiet der Hylleer, unweit Zara) wird erwähnt261. Aber als das syrakusanische Reich zusammenbrach, vermochten die Griechen sich in ihrer Isolierung nur mit Mühe zu behaupten; die Münzprägung von Issa illustriert die hereinbrechende Verwilderung. Im dritten Jahrhundert wären die Städte den Illyriern erlegen, wenn nicht Rom für sie eingetreten wäre.

Zu weiteren Erfolgen gab der Zusammenbruch der Etruskermacht die Möglichkeit. Der Kelteneinbruch, der die Kraft ihrer alten Feinde vernichtete, konnte den Griechen nur willkommen sein. Bald nach dem Falle Roms, im J. 381, hat Dionys mit den Kelten, ein förmliches Bündnis262 geschlossen (u. S. 159): von da an erscheinen keltische Söldner unter seinen Truppen. Vielleicht schon vorher hat er in Oberitalien zwei Punkte besetzt: an der Umbrerküste den Felsvorsprung von Ancona263 mit geschützter Reede, und an der Pomündung die alte Handelsstadt Adria264; auch der Ort [155] Numana südlich von Ancona wird als sizilische Kolonie bezeichnet. Wenn Strabo sagt, Ancona sei von Syrakusanern gegründet worden, die vor Dionys' Herrschaft flohen, so mag dem zugrunde liegen, daß die Ansiedlung als Verbannungsort diente; denn unmöglich kann die rasch zu einem bedeutenden Handelsplatz erwachsene Kolonie ohne Dionys' Mitwirkung entstanden sein. Ebenso schickte Dionys den Philistos, seinen alten Parteigänger, nach Adria ins Exil (u. S. 169), aber offenbar als Gouverneur der Stadt; denn ein mächtiger Kanal, der, wie es scheint, von der Etsch in die Lagune von Adria führte, trug noch in der Römerzeit Philistos' Namen265, muß also von ihm angelegt sein. Auch im Westmeer setzte Dionys die Politik seiner Vorgänger in der Bekämpfung der Etrusker und ihrer Piraterie fort. Im J. 384 überfiel seine Flotte Pyrgi, den Hafenort von Caere (Agylla), plünderte den Tempel einer mächtigen hier verehrten Göttin und schlug den Heerbann der Caeriten. Die landläufige Überlieferung, die nur für Tyrannenanekdoten Sinn hat, betrachtet den Tempelraub als das eigentliche Ziel; aus einer gelegentlichen Notiz ersehen wir aber, daß die Landung in Pyrgi266 nur eine Episode einer Expedition gegen Korsika gewesen ist. Vielleicht verdankt der »Syrakuserhafen« auf der Insel diesem Zuge seinen Namen267. Wie weit Dionys im etruskischen Meer hat festen Fuß fassen können, wissen wir nicht. Das Hauptziel seiner Unternehmungen in beiden Meeren war jedenfalls die Sicherung und Erweiterung der Handelsverbindungen und die Unterdrückung der Piraterie; noch sein Sohn hat zu dem Zweck zwei neue Kolonien in Apulien angelegt268.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 51965, Bd. 5, S. 152-156.
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