Die Thebaner in Thessalien. Unternehmungen zur See

[446] In Theben ist, nachdem auch der dritte Zug des Epaminondas in den Peloponnes (o. S. 433) keinen Erfolg gebracht hatte, wenn [446] auch nicht durch seine Schuld, sondern durch die der Demokraten, die Friedenspartei aufs neue ans Ruder gekommen und hat sich zunächst auch nach dem Frieden von 366 behauptet, wenngleich ihr Führer Menekleidas auf Pelopidas' Betreiben in eine schwere Geldstrafe verurteilt wurde. Man bedurfte nach 13jähriger Kriegszeit dringend der Ruhe; und das Verhalten der Arkader und Achäer lehrte deutlich, daß die Böoter nicht imstande waren, den Peloponnes dauernd zu beherrschen. Megara freilich hätte man gern gehabt; aber die Versuche, den Staat zur Aufgabe seiner Neutralität zu bewegen, hatten keinen Erfolg, und zur Gewalt ist man nicht geschritten803. Auch die Herrschaft im Norden wünschte man festzuhalten und weiter zu festigen, und Pelopidas brannte vor Begier, die ihm von Alexander von Pherä zugefügte Schmach zu rächen. In Thessalien tobte der Bürgerkrieg gegen den gewalttätigen Herrscher; so griff Theben mit Freuden zu, als im Sommer 364 die unterliegenden Aristokraten aufs neue um Hilfe und Befreiung baten. Pelopidas übernahm das Kommando; aber eine Sonnenfinsternis (13. Juli 364) bewirkte, daß das Aufgebot von 7000 Mann wieder entlassen wurde. Nur mit 300 freiwilligen Reitern und einer Söldnerschar zog Pelopidas nach Thessalien; hier erhielt er von den Aufständischen weiteren Zuzug. Alexander erwartete ihn mit einem starken Söldnerheer bei dem Höhenzug der Kynoskephalai. Pelopidas' Reiter drangen erfolgreich vor, sein Fußvolk dagegen wurde zurückgedrängt. Da stürzte er sich selbst in den dichtesten Kampf und erfocht auch einen vollen Sieg; aber er fiel804, als er auf den verhaßten Gegner eindrang, um ihn im Zweikampf niederzuhauen. Der Tod des Befreiers hat dann die Thebaner gezwungen, endlich mit genügender Macht vorzugehen; im nächsten Jahr, 363, rückten die Böotarchen Malekidas und Diogeiton805 mit einem starken Heer in Thessalien ein, schlugen [447] Alexander zum zweitenmal und zwangen ihn zur Unterwerfung. Er wurde auf Pherä und sein Gebiet beschränkt und mußte sich verpflichten, den Böotern Heeresfolge zu leisten806; Magnesia und Phthiotis807 wurden an Theben abgetreten, das übrige Thessalien als Bundesstaat konstituiert, der gleichfalls mit Theben in Bündnis trat. – Währenddessen war in Böotien selbst der Versuch gemacht, die Demokratie zu stürzen. Er ging von den Exulanten aus und fand seine Hauptstütze in Orchomenos; aber auch in Theben hatten sie Anhänger. Indessen die Verschwörung wurde entdeckt, und jetzt beschlossen die Thebaner, an ihrem alten Rivalen blutige Rache zu nehmen; Orchomenos wurde erobert, die Männer umgebracht, die Weiber und Kinder verkauft, die Stadt wie Platää vom Erdboden vertilgt808.

Epaminondas war während dieser Vorgänge nicht in Theben. Da seine Pläne auf den Peloponnes gescheitert waren, wollte er den Versuch machen, Böotien aus seinen beschränkten Verhältnissen herauszureißen, indem er es zu einer Seemacht entwickelte, es dadurch aus der Umklammerung durch Athen befreite und ihm neue Hilfsquellen und Verbindungen erschloß. Er meinte, was Athen ein Jahrhundert zuvor erreicht habe, könne Böotien auch leisten: »man müsse die Propyläen von der Burg Athens nach der Vorhalle der Kadmea verpflanzen«. In der Tat waren die Erfolge, die Timotheos errungen hatte, für Böotien bedenklich genug, und es konnte ratsam erscheinen, einen Gegenzug zu wagen. Die Volksversammlung stimmte zu; der Bau von 100 Trieren und die Anlage von Schiffswerften wurde beschlossen – wohl zu diesem Zweck wurde der lokrische Hafen Larymna809 von Böotien annektiert [448] – und Epaminondas auf die See entsandt (wahrscheinlich 364). Die Bundesgenossen Athens, längst der Bundessteuern überdrüssig und durch die neue Wendung der attischen Politik erst recht mißtrauisch gemacht, nahmen ihn mit Freuden auf. Euböa war bereits eng mit Böotien verbunden; jetzt fielen die Städte der unmittelbar vor Attika gelegenen Insel Keos810 ab, ebenso wahrscheinlich Naxos. Chios und Rhodos, die zwanzig Jahre zuvor in Athen ihre einzige Stütze gesehen hatten, traten mit Theben in Verbindung; das eben durch Timotheos wieder gewonnene Byzanz rief Epaminondas als Befreier herbei. Epaminondas und Timotheos gingen sich sorgfältig aus dem Wege; der Stratege Laches aber, der zum Schutz des Bundesgebiets entsandt war und Epaminondas die Durchfahrt verlegen wollte, wurde von diesem zum Rückzug gezwungen. Epaminondas konnte am Bosporos erscheinen und mit Byzanz einen Vertrag abschließen. Auch Kyzikos und Kalchedon scheinen sich ihm angeschlossen zu haben811. – Indessen über diese vielverheißenden Anfänge ist die thebanische Seemacht nicht hinausgekommen; inzwischen waren im Peloponnes Ereignisse eingetreten, die eine neue Intervention der Thebaner unvermeidlich machten. Dadurch wurden die Athener unter Chabrias in den Stand gesetzt, Keos und Naxos wieder zu unterwerfen. Auch hier lenkte man in die Bahnen des alten Reichs ein: außer den unvermeidlichen Strafgerichten wurde den Städten der attische Gerichtszwang auferlegt, und Keos mußte sich verpflichten, das [449] Hauptprodukt der Insel, den Rötel, fortan nur nach Athen zu exportieren812. Timotheos aber ging aufs neue nach dem Hellespont und stellte Athens Ansehen wieder her. Wenn auch Byzanz im Bunde mit Theben blieb813, so gewann er dafür Kyzikos, das er aus einer Belagerung (durch wen?) befreite814. Dann kehrte er etwa Anfang des Sommers 362 sieggekrönt nach Athen zurück (vgl. u. S. 464).


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 51965, Bd. 5, S. 446-450.
Lizenz:
Kategorien: