Kriegsverbrechen.

[640] Raeder ist der Kriegsverbrechen auf hoher See beschuldigt. Die »Athenia«, ein unbewaffnetes englisches Passagierschiff, wurde am 3. September 1939 auf ihrem Wege nach Amerika versenkt. Zwei Monate später erhoben die Deutschen die Beschuldigung, daß Mr. Churchill die »Athenia« absichtlich versenkt habe, um die feindselige Haltung Amerikas gegenüber Deutschland zu stärken. [640] Tatsächlich aber wurde sie durch das deutsche U-Boot 30 versenkt. Raeder behauptet, daß ein unerfahrener U-Boot-Kommandant sie in Verwechslung mit einem bewaffneten Handelskreuzer versenkt habe, daß dies erst einige Wochen nach dem Dementi, als das U-30 zurückkehrte, bekanntgeworden sei und daß Hitler dann der Marine und dem Auswärtigen Amt die Weisung gegeben habe, bei der Ableugnung zu bleiben. Raeder leugnete jegliche Kenntnis eines Propagandafeldzugs, der Mr. Churchill angriff.

Die schwerste Beschuldigung gegen Raeder ist die Führung des uneingeschränkten Unterseebootkrieges, einschließlich der Versenkung unbewaffneter Handelsschiffe, Neutraler, der Nichtbergung und Beschießung von Schiffbrüchigen mit Maschinengewehren unter Verletzung des Londoner Protokolls von 1936.

Der Gerichtshof kommt in Bezug auf Raeder für die Zeitspanne bis zum 30. Januar 1943, als er in den Ruhestand trat, zur gleichen Entscheidung hinsichtlich dieser Beschuldigung wie im Falle Dönitz, die bereits verkündet wurde.

Der Kommandobefehl vom 18. Oktober 1942, der sich ausdrücklich nicht auf den Seekrieg bezog, wurde den untergeordneten Marinebefehlshabern durch die Seekriegsleitung mit der Weisung übermittelt, daß er durch die Flottillenführer und Abteilungsbefehlshaber mündlich an ihre Untergebenen weiterzugeben sei. Am 10. Dezember 1942 wurden in Bordeaux zwei Kommandosoldaten durch die Marine, und nicht durch den SD, hingerichtet. Die Erklärung der Seekriegsleitung dafür war, daß dies »...dem besonderen Befehl des Führers entsprechen« würde, »... jedoch, da die Soldaten Uniform trugen, ein völkerrechtliches Novum« bilde (D-658, GB-229.)32 Raeder gibt zu, daß er den Befehl auf dem Dienstwege weiterleitete und daß er keinen Einspruch bei Hitler erhob.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 22, S. 640-641.
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