Alexandriner

[15] Alexandriner ist der eine von den beiden Versen des altfranzösischen höfischen Epos; während der beliebtere Vers ein achtsilbiger, ist der Alexandriner ein sechssilbiger Vers; man vermutet, dass er das Muster des Nibelungenverses gewesen sei; den Namen hat er von einem Alexanderliede oder von dem Dichter Alexander von Bernay. Die Franzosen hielten an ihm fest und machten ihn zum sogenannten heroischen Versmas in Epos und Drama. Opitz führte den Alexandriner als heroischen Vers in die deutsche Poesie ein. Er sagt von ihm in der deutschen Poeterei, Kap. 7: »Unter den jambischen Versen sind die zuvörderst zu setzen, welche man Alexandrinische von ihrem ersten Erfinder, der ein Italiener soll gewesen seyn, zu nennen pfleget, und werden anstatt der Griechen und Römer heroische Verse gebraucht: Ob gleych Ronsard Vers communs die gemeinen Verse hierzu tüchtiger zu sein vermeinet; weil die Alexandrinischen wegen ihrer Weitläufigkeit der ungebundenen und freyen Rede zu sehr ähnlich sind, wann sie nicht ihren Mann finden, der sie[15] mit lebendigen Farben herauszustreichen weiss.« Weil aber dieses einem Poeten zustehet und die, über welcher Vermögen es ist, nicht gezwungen sind, sich damit zu ärgern, unsere Sprache auch ohne dies in solche Enge der Wörter wie die Französische nicht kann gebracht werden, müssen und können wir sie anstatt der heroischen Verse gar wohl behalten, inmassen dann auch die Niederländer zu thun pflegen. Der Weibliche Vers hat dreyzehn, der Männliche hat zwölf Silben; wie der jambus trimeter. Es muss aber allezeit die sechste Sylbe eine caesur oder Abschnitt haben und masculinae terminationis, das ist entweder ein einsylbig Wort sein oder den Accent in den letzten Sylben haben. Zum Exempel:


»Dich hatte Jupiter, | nicht Paris ihm erkohren,

Und würd auch jetzt ein Schwan | wann dich kein Schwan gebohren.

Du heissest Helena | und bist auch so geziert,

Und wärest Du nicht keusch, | Du würdest auch entführt.«


Von Opitz an diente der Alexandriner in strophischen Gedichten sowohl (Sonett) als in unstrophischen Versen als typischer Vers der mannigfaltigsten Dichtungsarten; Drama, Epos, Didaktik, Gelegenheitsgedicht, Epistel, Epigramm, Elegie bedienten sich seiner. Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts begann man seiner müde zu werden; die Leipziger Dichter mischten ihn nur noch willkürlich in jambische Verse verschiedener Länge, Klopstock ersetzte ihn in der Messiade durch den Hexameter, Lessing im Nathan durch den Fünffüssler. Goethe schrieb als Student in Leipzig die Laune der Verliebten noch in Alexandrinern, im Jahre 1767.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 15-16.
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