Böhmische Brüder

[79] Böhmische Brüder. Seit etwa 1450 sammelte sich in Prag ein Kreis ernstlich frommer Manner aus den Überbleibseln der hussitischen Bewegung, denen der König Podiebrad einen Distrikt im Riesengebirge überliess, wo sie sich niederlassen und nach ihrer Weise die Religion einrichten könnten. Durch eine Verfolgung wurden sie zerstreut und stifteten nun in Böhmen, Mähren und Polen vereinzelte Gemeinden. Sie hiessen auch Brüder des Gesetzes Christi, Brüder überhaupt, verwarfen die katholische Abendmahlslehre und bauten ihr Glaubensbekenntnis durchweg auf die Schrift. Ihre Verfassung war den ältesten apostolischen Christengemeinden nachgebildet. Die Reformation Luthers begrüssten sie, ohne ihre Lehre und Verfassung deshalb dem Protestantismus zu opfern. Nachdem sich manche Gemeinden mit den evangelischen Konfessionen verbunden hatten, wurden die letzten in Böhmen noch vorhandenen durch den 30jährigen Krieg zerstört und und ihre Anhänger vertrieben, worauf der selbständige Bestand der Brüderkirche ganz aufhörte. Für die evangelische Kirche sind die Lieder der Böhmischen Brüder von Bedeutung geworden- Schon Huss hatte einen Kirchengesang in böhmischer Sprache gegründet. Seine Nachfolger vermehrten die Lieder und dichteten neue dazu auf alle Artikel des christlichen Glaubens und auf alle Feste durch das ganze[79] Jahr, wobei sie die alten Kirchenmelodien beibehielten. Im Auftrage der Gemeindeältesten übersetzte Michael Weisse, Pfarrer der deutschen Gemeinden Böhmischer Brüder zu Lantzkron und zur Füllnach, 156 böhmische Lieder in deutsche Reime, die als Ein New Gesengbuchlen 1531 zum Jungenbunzel gedruckt wurden. Dieses wurde 1538–1540 zu Ulm mehrfach nachgedruckt. Eine durch Joh. Horn verbesserte Ausgabe erschien 1544 zu Nürnberg, woraus Luther verschiedene Lieder in seinen Kirchengesang aufnahm. Die Lieder sind bei Wackernagel, evangel. Kirchenlied, abgedruckt.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 79-80.
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