Fasten

[176] Fasten, got. fastan = halten, beobachten, ahd. fastên, unerkannten Ursprungs, ist nach dem kirchlichen Sprachgebrauche entweder jejunium, d.h. gänzliche Enthaltung von Nahrungsmitteln während eines Tages, oder abstinentia, die Enthaltung von Fleischspeisen. Im Anschlusse an die jüdische Fastendisziplin leitete die alte christliche Kirche zunächst aus Matth. 9, 5 die Pflicht ab, die 60 Stunden der Grabesruhe Jesu durch Fasten auszuzeichnen, woraus sich im Anschluss an Matth. 4, 2 die 40tägige Fastenzeit vor Ostern, jejunium quadragesimale, Quadragesimalfasten, entwickelte; dieselben beginnen, weil die Sonntage nicht als Fasten gelten, am Aschermittwoch. Während die Pharisäer zweimal wöchentlich, am Dienstag, an dem Moses den Sinai bestiegen, und am Montag, an welchem er denselben verlassen haben sollte, fasteten, bestimmte die alte Kirche den Mittwoch (Tag des Verrats) und Freitag (Todestag) als Fasttage, an deren Stelle später als wöchentliche »Wachtage« oder »Stationen«, Freitag und Sonnabend traten, an denen wenigstens bis drei Uhr Mittags gefastet wurde. Seit dem Exil war ferner bei den Juden ein Fasten im vierten, fünften, siebenten und zehnten Monate üblich, zum Gedächtnis der Eroberung Jerusalems, der Verbrennung des Tempels, der Ermordung Gedaliä und des Anfanges der Belagerung von Jerusalem. Dieses ahmte die Kirche in ihren Quatemberfasten nach, wonach je am Mittwoche des Vierteljahres (quatuor tempora) Fasten verordnet waren; weil man zu derselben Zeit die öffentlichen Abgaben entrichtete, hiessen sie auch Fronfasten. Fastenzeiten sind endlich die Vorabende zu den namhaftesten Apostel- und Heiligenzeiten, die Vigilienfasten, und in der älteren abendländischen[176] Kirche die Adventszeit. Schon im späteren Mittelalter wurde die ältere Fastenpraxis sehr gelockert, indem die eigentlichen Fastentage zu blossen Abstinenztagen herabgedrückt, die Abstinenz auf die Abwesenheit des Fleisches beschränkt, sämtliche Fische, mit Einschluss der Fischotter, als Nichtfleisch behandelt, und der Schluss des Fastens von sechs Uhr auf drei Uhr, seit dem 14. Jahrh. auf zwölf Uhr gesetzt wurde. Kessler beschreibt das zu seiner Zeit vor der Reformation geübte Fasten folgendermassen (Sabbata I, 90): Wann man hat wellen fasten, hat man an demselbigen tag nichts weder geessen noch getrunken, biss uf die 11 stund im tag; dann war ein köstlich mal mit manigerlai trachten zůbereit, so man umb besunder wollebens wegen den fastenden imis (Imbiss) nennet. Nach demselbigen imis dorft man aber nichts mer essen; biss uf den abend mocht man mit einer collation (wie man es nennet) von manigerlei confecten, gewürz und kreftigen latwergen die schwachen und abgefasteten kreft und blöde hopt erquicken und sterken.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 176-177.
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