Frauenhaus

[222] Frauenhaus, mhd. frouwenhûs, auch Frauenzimmer, Töchterhaus, gemeines Haus, freies Haus, offenes Haus genannt, ist eine für die Unzucht bestehende öffentliche Anstalt. Frauenhäuser kommen in Deutschland schon im 13. Jahrh. vor und bestanden in allen grösseren Städten. Sie sind meist Eigentum der Obrigkeit und werden durch Beamte oder Pächter verwaltet. Auch die Kirche stellte solche Häuser unter ihren Schutz, wie z.B. in Rom selber geschah. Man erkannte zwar die Unehrbarkeit solcher Institute, hielt sie aber aufrecht, um grösseres Übel zu vermeiden. Die Einnahme die der päpstlichen Kammer jährlich aus diesen Anstalten zukam, soll im 16. Jahrh. manchmal 20,000 Dukaten betragen haben. Manche Frauenhäuser sind fürstliche, bischöfliche Reichslehen. Neben den öffentlichen Frauenhäusern bestanden fast überall noch heimliche Frauenhäuser, von Männern oder von Frauen unterhalten; Frauenwirt, Frauenmeister, Hurenwirt, Freiwirt heisst der Vorsteher einer obrigkeitlichen, Ruffian, mhd. ruffiân, riffien, riffin, ruffigan u. dgl., vom ital. ruffo, ruffiano, der Mann, der auf eigene Faust dieses Gewerbe treibt. Auch Gastwirte trieben das Gewerbe und unterhielten fahrende Frauen wochenlang. Die Häuser standen entweder direkt unter der Aufsicht des Rates oder des Bürgermeisters, oder unter einem der niedrigsten Beamten, Scharfrichter, Stocker u. dgl. Die Lage der Frauenhäuser war überall eine abgeschiedene, weder in der Nähe von Kirchen noch stark bewohnten Strassen, oft an der Stadtmauer; man erkennt solche Gegenden zum Teil heute noch an ihren Namen: Frauengässchen in Nürnberg und Schaffhausen, Frauenfleck in Wien, Bidergasse in Strassburg, Frauenborn, Frauenturm, Frauenpforte in Frankfurt a.M. Die ältesten Frauenhäuser[222] sind die beiden Esslinger vom Jahr 1300; in Zürich wurde 1314 ein solches aufgehoben. Die Blüte des Instituts im 15. Jahrh. hängt mit dem Reichtum und Luxus der Städte in diesem Jahrhundert zusammen. In den zahlreich erhaltenen Frauenordnungen wird unter anderem bestimmt, dass eine Dirne unter keiner Bedingung am Austreten verhindert werden könne, auch war ihnen die Teilnahme am Gottesdienst gesichert; besondere von den Hausbewohnern unterhaltene Kerzen brannten während der Sonntagsnacht in der Hauptkirche; am Samstagabend und an den grossen Feiertagen blieb das Haus geschlossen; auch für Krankenpflege und Altersversorgung der Insassinnen waren an manchen Orten Bestimmungen getroffen. In betreff der Männer war an manchen Orten verboten, Priester und andere geweihte Personen einzulassen, an anderen Orten sollte ein Priester nur nicht über Nacht im Hause gelassen werden; Ehemänner waren zum Teil ebenfalls ausgeschlossen, oder sie wurden im Falle des Besuches mit Gefängnis oder Geldbusse gestraft; den Juden waren diese Häuser überall verboten. Frauenwirte und Dirnen waren überall fremde Leute, nicht Bürger und Bürgerinnen. Die Dirnen waren von Obrigkeitswegen zu einer bestimmten, auffälligen Tracht angehalten; diese bestand in einer bestimmten Art von Mänteln oder Halskragen oder in roter Schleife auf der linken Schulter oder in einem um den Arm gewundenen Bande von bestimmter Farbe. Besonders die gelbe Farbe war hier bezeichnend; in Bern und Zürich trugen sie rote Käppchen. An vielen Orten war es Sitte, dass man die Dirnen bei festlichen Gelegenheiten, Tanzen, Hochzeitsfesten ins Rathaus oder in Patrizierwohnungen einlud. Sie überreichten die Blumensträusse und wurden dafür bewirtet. Einziehenden Fürsten wurden auf Befehl des Rates durch diese Personen Blumensträusse überreicht; in Wien tanzten sie öffentlich mit den Handwerksgesellen im Beisein von Bürgermeister und Rat um das Johannisfeuer. Infolge der Reformation wurden in protestantischen und in katholischen Städten die Frauenhäuser aufgehoben. Nach Kriegk, Deutsches Bürgertum, II, Abschn. 15.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 222-223.
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